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Welch ein Rheinfall

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Hier erheben ihre Stimmen für die ?schönste Jungfrau? Loreley (von links): Johannes Mayer, Peter Felix Bauer, Marie-Christine Haase, Dorin Rahardja, Katharina Alf, Klaus Köhler und Paul-Johannes Kirschner.	FOTO: DPA
Hier erheben ihre Stimmen für die ?schönste Jungfrau? Loreley (von links): Johannes Mayer, Peter Felix Bauer, Marie-Christine Haase, Dorin Rahardja, Katharina Alf, Klaus Köhler und Paul-Johannes Kirschner. FOTO: DPA © Martina Pipprich (Martina Pipprich)

Die „romantische Soiree“ über Männer, Frauen und den großen Fluss bewegt sich unter Regisseur Niklaus Helbling vom Erhabenen zum Lächerlichen.

Mainz. Von wegen Mythos: Nur zweihundert Jahre jung ist die Geschichte von der schönen Frau, die bei Rheinkilometer 555 auf ihrem Felsen Haarpflege betreibt und die vorbeischippernden Männer in die tödlichen Strudel und Fluten umleitet. Freilich machte jene Lore Lay, die der Dichter Clemens von Brentano anno 1800 „zu Bacharach am Rheine“ wohnend ersann, unter Brentanos romantischen Zeitgenossen schnell Karriere.

Für das Mainzer Staatstheater hat Regisseur Niklaus Helbling jede Menge Material über den Schauerstoff sowie über sonstige Spielarten der Rheinromantik gesammelt. Und dabei vereinzelt herrlich Humorvolles auf die Bühne des Kleinen Hauses gestellt. Zum Beispiel die Parodie eines Männerchors, der zu Engelbert Humperdincks „Wenn im sonnigen Herbste die Traube schwillt“ seine Kehlen streckt.

Über weite Strecken ist die „Soiree über Männer, Frauen und den Rhein“ allerdings missglückt. Weil Helbling versucht, nahezu zwei pausenlose Stunden lang das Romantische bloß zu karikieren. Allein: Vieles, was er und der musikalische Leiter Paul-Johannes Kirschner da von Schubert, Brahms oder Mahler bis hin zu Gershwin, Schönberg und dem Zeitgenossen Salvatore Sciarrino aufgestöbert haben, ist einfach zu stark für eine plumpe Persiflage. In vier revuehaften Bildern ohne rechte Orientierung hat Elke Auer, zuständig für wasserwogende Videos wie fürs Bühnenbild, einen bürgerlichen Salon errichtet, dessen verklemmte Stimmung übergeht in eine Tee-Party bei Brentanos.

Opernfragment von Mendelssohn

Als später Herren des achtköpfigen Vokalensembles einen Monolithen auf kleinen rollenden Flößen umrunden, bis sie aus der Bahn plumpsen, ist auch das Niveau dieses Musiktheater-Versuchs vollends entgleist.

Dabei gibt’s durchaus manches zu entdecken. Zum Beispiel aus Felix Mendelssohns Opernfragment „Loreley“, der Komposition eines frühgenialen Kindes, die kaum je zu hören ist. In einer Bearbeitung für Kammerensemble bringt Dirigent Paul-Johannes Kirschner sie mit Musikern des Mainzer Orchesters auf die Bühne. Schade nur, dass ihm als Pianist zu vieles danebengeht. Repetitorin Erika LeRoux als „Madame Eisenhut“ stellt ihn an den Tasten in den Schatten.

Sollte es Ziel gewesen sein, neues Publikum fürs vermeintlich elitäre Kunstlied zu gewinnen, so dürfte das nicht nur wegen der permanent inszenierten Distanz zum Sujet misslungen sein. Der Liedgesang einzelner Ensemblemitglieder klingt nämlich schlichtweg unbedarft. Bassbariton Peter Felix Bauer zum Beispiel intoniert Schuberts spätes Lied vom „schönen Fischermädchen“ schaurig ungenau.

Besser: Tenor Johannes Mayer, der Schuberts „Forelle“ schnellen, oder Marie-Christine Haase, die Arnold Schönbergs „Herzgewächse“ blitzsauber in die Höhe ranken lässt. Wenn sie allerdings langhaarig blond im Duett mit Dorin Rahardja Gustav Mahlers Lied „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ banalisiert, dann gilt das Napoleon-Zitat, das auf der Bühne Klaus Köhler im Künstlergewand Heinrich Heines bemüht: „Vom Erhabenen zum Lächerlichen ist es nur ein Schritt“.

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