Don Giovanni (Josef Wagner) – der galante Verführer als gestisch exakt definiertes, puppenhaftes Wesen.

Volksoper

Wien – Der fantasievolle Universalkünstler und Veteran unter den Opernpuppenspielern, Achim Freyer, lässt seinen Geschöpfen nicht einfach so freien Bühnenlauf. In seinem Kosmos der Stilisierungen, von kargen, bemalten Wänden umrahmt, sind genau definierte gestische Rituale das Rückgrat der Charaktere. Don Giovannis leicht narzisstische und skrupelfreie Galanterie vermittelt sich in dieser zwischen Deutsch und Italienisch changierenden Version etwa in drei Hauptgesten:

Das wäre jene Pose, in der Giovanni graziös ein Tablett zu halten scheint. Dann wieder streichelt er einen nicht existenten Langbart oder er zelebriert auf einer unsichtbaren Geige lange Töne. Diese Reduktion des Gehabes aufs Puppenhafte lässt eine spezifische Bühnensprache entstehen, Fantasiegestalten auch, die dennoch imstande sind, eine Geschichte elegant voranzutreiben und ganz eigentümlichen Zauber zu versprühen.

Es haftet dem Ganze natürlich auch etwas Verniedlichendes an, die Fixierung auf wenige markante Bewegungen verstellt jedenfalls den Blick auf mögliche ambivalente Figurenaspekte. In seelische Tiefen geht es somit kaum; es zahlt eben jeder Regieansatz einen Preis für seine Markanz.

Respektabler, kompakter Klang

In jedem Fall ist lange Zeit entspanntes unterhaltsames Zurücklehnen möglich: Zerlina (witzig Anita Götz) hat fast immer eine riesige Eistüte dabei. Ihr Masetto (vokal etwas unscheinbar Ben Connor) darf wie ein punkiger Vetter von Herman Munster umhertorkeln, während Don Ottavio (intensiv und klanschön Jörg Schneider) jeden Augenblick abzuheben droht, da ihm Freyer ein Luftballonoutfit verpasst hat. Alles ein märchenhafter Augenschmaus. Und auch der Komtur (vokal solide, aber kraftlos Andreas Mitschke) verbreitet keinen Schrecken. In seinem Herzen steckt jene Riesengabel, die Giovanni (solide Josef Wagner) beim Duell treffsicher in ihn gerammt hat. Das beunruhigt dann aber auch nur Leporello (deftig klingend Mischa Schelomianski).

Wäre nicht das Ende – hier wird der Wüstling von einer Masse an Händen in Stücke gerissen (der Komtur hat Giovannis Kopf erhascht) – etwas drastisch ausgefallen, alles wirkte vorwiegend nett. Es musste allerdings feststellen werden, dass in Giovannis Verfolgern kannibalistische Tendenzen schlummerten. Giovanni wird zur Mahlzeit – auch für Donna Anna (wacker Kristiane Kaiser) und Donna Elvira (für Caroline Melzer eingesprungen: Esther Lee).

Dirigent Jac van Steen sorgt für respektablen, kompakten Klang. Es tönt nie übertrieben, nie extrem. Fehlende Impulse und Akzente sind aber die problematische Folge. Reger Applaus, einige Buhs für den auf Giovannis Esstisch tanzenden Freyer. (Ljubisa Tosic, 16.11.2015)