Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Lucia di Lammermoor

Oper in drei Akten
Libretto von Salvatore Cammarano nach dem Roman The Bride of Lammermoor von Sir Walter Scott
Musik von Gaetano Donizetti

In italienischer Sprache mit französischen, niederländischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 5' (eine Pause)

Premiere  im Théâtre Royal de Liège am 17. November 2015

 



Opéra Royal de Wallonie
(Homepage)

Schauerromantik in opulenter Optik

Von Thomas Molke / Fotos von © Opéra de Wallonie - Lorraine Wauters


Die Ereignisse des letzten Wochenendes in Paris zeigen auch im Théâtre Royal de Liège seine Auswirkungen. Erstmals sieht man bei einer Premiere Sicherheitsmänner am Einlass, die die Taschen von allen Besuchern kontrollieren. Wenn Stefano Mazzonis di Pralafera vor der Vorstellung die Bühne betritt, erfolgt dies nicht, um eine Umbesetzung anzukündigen oder ein Mitglied des Ensembles als indisponiert anzukündigen, sondern um Solidarität mit den Opfern von Paris zu zeigen und den Abend mit einer gemeinsamen Schweigeminute zu beginnen. Danach kann die Premiere dann zum Glück reibungslos ablaufen, während in Hannover fast zeitgleich das angesetzte Fußball-Länderspiel zwischen Deutschland und Niederlande wegen einer Terrorwarnung abgesagt wird. Dennoch fällt es beinahe schwer, die dreistündige Oper unbeschwert zu genießen.

Bild zum Vergrößern

Lucia (Annick Massis) und Edgardo (Celso Albelo) schwören sich ewige Treue (im Hintergrund: Alisa (Alexise Yerna)).

Dabei setzt Stefano Mazzonis di Pralafera mit seiner Inszenierung alles daran, das Publikum nicht mit irgendwelchen Regie-Mätzchen oder Umdeutungen zu verärgern, sondern präsentiert eine durchweg klassische Inszenierung, die manchem Anhänger des modernen Regie-Theaters sicherlich ein bisschen zu bieder daherkommen dürfte. Dem Publikum jedenfalls gefällt es, was es durch großen Jubel am Ende der Vorstellung und zur Pause bekundet. Dabei hätten die Solisten an manchen Stellen vielleicht dennoch etwas präzisere Anweisungen in der Personenregie benötigt. Gerade in den Orchester-Introduktionen zu einzelnen Szenen und Arien scheinen sie nichts mit sich anfangen zu können und äußern dies mit ausladenden Bewegungen, übertriebenem Klopfen auf die Schulter oder hektischer Gestik. Wenn Annick Massis in der Titelpartie bei ihrem ersten Auftritt ein junges Mädchen mimt, das ungeduldig auf ihren Geliebten Edgardo wartet, wirkt sie nicht gerade glaubwürdig. Fraglich ist auch, ob man sie mit dem abgeschlagenen Kopf Arturos während ihrer Wahnsinns-Szene über die Bühne wanken lassen muss. Dagegen ist ein durchaus gelungener Regie-Einfall, den Mord im Schlafgemach zu zeigen, während der Chor eine Etage tiefer mit einem Ball die soeben vollzogene Hochzeit feiert. Warum Mazzonis di Pralafera Lucias Leichnam jedoch unter einem schwarzen Tuch hereintragen lässt, bevor sie gestorben ist, ist nicht nachvollziehbar. Zunächst begreift man auch gar nicht, dass es sich bei dem schwarzen Bündel um Lucia handelt.

Bild zum Vergrößern

Enrico (Ivan Thirion, 2. von rechts) zwingt seine Schwester Lucia (Annick Massis, Mitte vorne), Lord Arturo (Pietro Picone, Mitte hinten) zu heiraten (rechts: Raimondo (Roberto Tagliavini), Mitte: Alisa (Alexise Yerna) und der Chor).

Für diese kleinen szenischen Unstimmigkeiten entschädigen jedoch das opulente Bühnenbild von Jean-Guy Lecat und die historisierenden Kostüme von Fernand Ruiz auf ganzer Linie. Lecat zaubert mit zwei riesigen dunklen Türmen und einigen laublosen Baumstämmen mit den entsprechenden Lichtstimmungen von Franco Marri Schauerromantik pur. Der größere Turm auf der linken Seite stellt das Anwesen von Lucias Bruder Lord Enrico Ashton dar. Für die Szenen im Schloss wird dieser Turm in den Vordergrund gefahren und gibt durch Drehung den Blick in einen Saal mit beeindruckenden Wandteppichen frei, während man in der ersten Etage Lucias Schlafgemach sieht, in dem sie kurz nach der Hochzeit ihren Ehegatten Arturo ersticht. Ein kleinerer Turm auf der rechten Seite steht für Edgardos Schloss und ist wesentlich spartanischer eingerichtet, was darauf hindeutet, dass er sein Land an Enricos Familie verloren hat und nun nach Frankreich aufbrechen muss, um Unterstützung zu suchen. Pittoresk ist auch die Quelle, die aus dem Schnürboden herabgelassen wird und auf deren Grund, wie Lucia in ihrer großen Arie im ersten Akt erzählt, sich immer noch die Leiche einer Frau befinde, die einst von ihrem Geliebten, einem Ravenswood, an diesem Ort aus Eifersucht erstochen worden sei. Im Gegensatz zu den leblos wirkenden Bäumen ist diese "Quelle des Todes" mit grünem Efeu bewachsen.

Bild zum Vergrößern

Lucia (Annick Massis) in ihrer großen Wahnsinns-Szene (im Hintergrund: der Chor)

Als musikalische Besonderheit wird Lucias große Wahnsinnsarie im dritten Akt nicht von einer Flöte, sondern von einer Glasharmonika begleitet. Dieses Instrument hatte Donizetti eigentlich schon für die Uraufführung in Neapel vorgesehen. Aus Kostengründen musste allerdings darauf verzichtet und die Flöte als Begleitung gewählt werden. Erst 1991 war die Fassung mit der Glasharmonika unter Michel Plasson in München zu erleben. Durch die besondere Vibration des Glases wird dabei ein Klang erzeugt, der seltsam hohl klingt und damit den Gemütszustand Lucias zu diesem Zeitpunkt eindrucksvoller beschreibt, als das ein Blasinstrument vermag. Auch in Liège erlebt man auf diese Weise Lucias große Arie "Il dolce suono", in der Lucia von einer Hochzeit mit Edgardo träumt, noch einmal ganz neu. Annick Massis begeistert in dieser Szene durch eine großartige Stimmführung mit sauber angesetzten Spitzentönen und ruft beim Publikum große Begeisterung hervor. Gleiches gilt für ihre große Arie im ersten Akt, "Regnava il silenzio", wenn sie ihrer Dienerin Alisa die Geschichte von der an der Quelle erstochenen Frau erzählt, die ihr immer wieder als Geist erscheint. Alexise Yerna hält als Alisa mit stimmgewaltigem Mezzo überzeugend dagegen.

Auch die Herren können an diesem Abend stimmlich überzeugen. Celso Albelo gestaltet Lucias Geliebten Edgardo mit tenoralem Glanz und sauber angesetzten Höhen. Besonderen Glanz entwickelt sein Tenor in seiner Schlussarie "Tu che a Dio spiegasti l' ali", in der er beschließt, der Geliebten in den Tod zu folgen. Anders als im Libretto ersticht er sich in dieser Inszenierung nicht, sondern reißt Steine aus dem Mauerwerk der beiden Türme, unter denen er dann begraben wird. Auch im großen Duett im ersten Akt, in der Lucia und Enrico voneinander Abschied nehmen, findet er mit Massis stimmlich und darstellerisch zu einer bewegenden Innigkeit. Ivan Thirion stattet Lucias Bruder Enrico mit kräftigem Bariton aus, der in den Höhen allerdings im Racheschwur im ersten Akt ein wenig zu kämpfen hat. Roberto Tagliavini begeistert als Kaplan von Lammermoor, Raimondo, mit profundem Bass. Pietro Picone und Denzil Delaere bleiben als Lord Arturo und Normanno hingegen stimmlich ein bisschen blass. Ein weiterer musikalischer Höhepunkt ist das große Sextett am Ende des zweiten Aktes, "Chi mi frena in tal momento", wenn Edgardo in Lucias Hochzeit mit Arturo platzt und sie der Untreue beschuldigt. Der von Pierre Iodice einstudierte Chor der Opéra Royal de Wallonie überzeugt ebenso wie das Orchester unter der Leitung von Jesús López Cobos, so dass es am Ende großen Beifall für alle Beteiligten gibt, wohl nicht zuletzt deshalb, weil die Produktion es geschafft hat, die Zuschauer zumindest für einen Zeitraum von drei Stunden von den momentan bedrängenden Problemen abzulenken.

FAZIT

Wer Belcanto-Oper liebt und dann auch noch für klassische Inszenierungen in einer opulenten Ausstattung schwärmt, sollte sich diese Produktion in Liège nicht entgehen lassen. Es bleibt zu hoffen, dass diese Inszenierung schon wegen des Bühnenbildes und der Kostüme auch noch an andere Bühnen weitergereicht wird.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Jesús López Cobos

Inszenierung,
Stefano Mazzonis di Pralafera

Bühnenbild
Jean-Guy Lecat

Kostüme
Fernand Ruiz

Licht
Franco Marri

Chorleitung
Pierre Iodice

 

Chor der
Opéra Royal de Wallonie

Orchester der
Opéra Royal de Wallonie


Solisten

Lucia
Annick Massis

Sir Edgardo di Ravenswood
Celso Albelo

Lord Enrico Ashton
Ivan Thirion

Raimondo Bidebent
Roberto Tagliavini

Lord Arturo Bucklaw
Pietro Picone

Alisa
Alexise Yerna

Normanno
Denzil Delaere

 


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Opéra Royal
de Wallonie

(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2015 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -