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Armida

Dramma per musica in drei Akten
Libretto von Giovanni Schmidt basierend auf dem Versepos Gerusalemme liberata von Torquato Tasso
Musik von Gioachino Rossini


in italienischer Sprache mit niederländischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 10' (eine Pause)

Koproduktion mit der Opéra Orchestre national Montpellier Languedoc-Roussillon

Premiere in der Vlaamse Opera Gent am 19. November 2015
(rezensierte Aufführung: 22.11.2015)




Vlaamse Opera
(Homepage)

Kreuzzug im Sportstadion

Von Thomas Molke / Fotos von Annemie Augustijns (Vlaamse Opera)

Dass Gioachino Rossinis 1817 in Neapel uraufgeführtes Dramma per musica Armida heutzutage eher selten auf den Spielplänen steht, dürfte weniger der Qualität des Werkes als vielmehr der Schwierigkeit der Besetzung geschuldet sein. Neben der extrem anspruchsvollen Titelpartie, die Rossini für die berühmte Sängerin Isabella Colbran komponiert hatte, benötigt man außerdem sechs hochkarätige Tenöre. So war es zwar niemand Geringeres als Maria Callas, die im 20. Jahrhundert einen Versuch unternahm, das Werk wieder auf den Spielplänen zu etablieren, aber auch bei dieser Aufnahme hatte man Schwierigkeiten mit den Tenören, so dass es noch weitere Jahrzehnte dauern sollte, bis die Oper erneut auf dem Spielplan stand. Eine bedeutende Inszenierung fand dann 1993 beim Rossini Opera Festival in Pesaro statt, bei dem Renée Fleming ein umjubeltes Debüt in der Titelpartie gab. Auch bei der Produktion an der Met schlüpfte sie 17 Jahre später erneut in die Rolle der Zauberin. Dabei gab es insgesamt fünf Tenöre. Die Produktion beim Rossini Opera Festival 2014 reduzierte die Anzahl der Tenöre dann auf vier, da zwei Figuren nach dem ersten Akt nicht mehr auftreten und zwei weitere Tenorpartien erst im dritten Akt erscheinen. Nach dem gleichen Prinzip verfährt man nun auch an der Vlaamse Opera, wobei man mit Carmen Romeu die gleiche Sängerin verpflichten konnte, die die Partie bereits im letzten Jahr in Pesaro interpretiert hat. Rossini-Experte Alberto Zedda ist fünf Jahre nach Semiramide erneut als musikalischer Leiter an die Vlaamse Opera zurückgekehrt.

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Kreuzritter im Sportstadion (vorne rechts: Goffredo (Dario Schmunck), hinten rechts: Eustazio (Adam Smith), Mitte: Gernando (Robert McPherson), dahinter: Herrenchor)

Die Handlung basiert auf Torquato Tassos berühmtem Versepos Gerusalemme liberata, das als beliebte Quelle für Opernkomponisten vor und nach Rossini fungierte. Die Kreuzritter befinden sich unter der Leitung von Goffredo (Gottfried von Bouillon) auf einem Kreuzzug vor den Toren Jerusalems. Die Zauberin Armida will die Kreuzritter gemeinsam mit Idraote von ihrer Mission abbringen. Deswegen gibt sie sich als eine um ihren rechtmäßigen Thron betrogene Prinzessin aus, die die Kreuzritter um Hilfe bittet. Rinaldo wird zum neuen Anführer gewählt, der Armida begleiten soll. Da sie ihn einst aus einer gefährlichen Situation gerettet hat, lässt er sich von ihr verführen. Als der Kreuzritter Gernando, der ihn einerseits um seine neue Stellung beneidet und andererseits wegen Armida eifersüchtig ist, ihn beim Liebesspiel überrascht, tötet Rinaldo den Rivalen und flieht mit Armida. Diese verwirrt mit einer betörenden Zauberinsel seinen Sinn. Doch dann tauchen die Kreuzritter Ubaldo und Carlo auf und überzeugen Rinaldo, erneut seiner Mission zu folgen. Rinaldo verlässt Armida, die ihn verflucht und anschließend das ganze Zauberreich zum Einsturz bringt.

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Armida (Carmen Romeu) verführt Rinaldo (Enea Scala).

Das Regie-Team um Mariame Clément legt in der Inszenierung den Schwerpunkt auf eine von Männern dominierte Gesellschaft und verortet die Handlung daher in einem Sportstadion. So halten die Kreuzritter im ersten Akt blutüberströmt in historisierenden Kostümen von Julia Hansen auf den Bahnen eines Sportstadions Einzug, das im Hintergrund durch einen riesigen Bühnenprospekt angedeutet wird. Goffredo tritt hier genauso wie sein Gehilfe Eustazio als Sportmanager in einem modernen Anzug auf, der von einem Rednerpult aus zu seinen Kreuzrittern spricht. Rinaldo wird als Anführer des nächsten Feldzuges mit einem Pokal auf einem Siegertreppchen gekürt. Eine Frau gibt es bis zum Auftritt Armidas nur in Form einer Gummipuppe, mit der sich die Kreuzritter verlustieren. Im zweiten Akt trägt diese Gummipuppe dann auch Armidas pinkfarbenes Abendkleid, in dem im ersten Akt als Vamp Rinaldo und den anderen Kreuzrittern den Kopf verdreht. Als neuer Anführer tauscht Rinaldo dann seine Rüstung gegen ein Fußballtrikot, das natürlich die Rückennummer 10 trägt (soll das eine Anspielung auf herausragende Spieler wie Pelé, Zidane, Matthäus oder Podolski sein?). Wenn er sich anschließend mit Gernando duelliert, bringt er diesen nicht mit seinem Schwert zur Strecke, sondern "köpft" ihn einfach um. Der Prospekt weicht dann einer grauen Wand, hinter der Armida und Rinaldo vor der Pause verschwinden.

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Armida (Carmen Romeu, Mitte) und Rinaldo (Enea Scala, Mitte) im Zauberreich der Liebe (umgeben vom Chor)

Im zweiten Akt ist der Boden nun mit grünem Rasen bedeckt. Die Assoziation zu einem Fußballfeld liegt hier nahe, da die Kreuzritter nämlich nun alle im schwarzen Fußballtrikot auftreten. Dem Sarg entsteigt Astarotte, ein Höllengeist Armidas, als Rinaldos Alter Ego, der Gernando noch einmal im Duell zur Strecke bringt. Die ganze Sequenz wirkt wie ein Traum, da Rinaldo zur gleichen Zeit mit Armida auf einem Sofa schläft. Der Traum hat Rinaldo verunsichert, so dass Armida das Sofa in den Schnürboden entschweben lässt und ihn mit den engelsgleich gewandeten Damen des Chores in ein pittoresk kitschiges Arkadien eintauchen lässt. Hier wird ein großer von Blumen umrankter Bilderrahmen aus dem Schnürboden herabgelassen, in den sich Armida und Rinaldo in weißen Gewändern positionieren, während sich zwei leicht bekleidete Jünglinge als Liebesgötter vor dem Bild aufstellen. Um den Kitsch in dieser Szene auf die Spitze zu treiben, regnen auch noch rote Blütenblätter von den Balkonen in den Zuschauerraum herab. Da passt der malerische Prospekt im dritten Akt mit der Waldlandschaft, der die grauen Wände bedeckt, wunderbar ins Bild. Armida hat nun ein perfektes Zauberreich kreiert, in das nun Ubaldo und Carlo eindringen. Und letztendlich ist es der Sport, der Rinaldo wieder auf den "rechten" Weg zurückbringt. die beiden zeigen ihm eine Vision eines kleinen Jungen, der voller Stolz den Pokal ergreift. Die Rolle der Frau ist dabei auf die Mutter reduziert, die sich dezent im Hintergrund hält. Damit wird Rinaldo klar, dass er Armida verlassen muss. Der Rasen weicht wieder den Laufbahnen des Stadions, bevor Armida in ihrem Zorn den Waldprospekt hinabstürzen lässt. Ihre abschließende Rachearie singt Armida dann vor einem feuerroten Vorhang, der hinter der hochgezogenen grauen Rückwand sichtbar wird.

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Ubaldo (Robert McPherson, rechts) und Carlo (Dario Schmunck, links) dringen auf der Such nach Rinaldo in Armidas Zauberreich ein (im Hintergrund: Damenchor).

Musikalisch bewegt sich die Aufführung auf gutem Niveau. Allen voran ist hierbei der Altmeister Alberto Zedda zu nennen, der mit dem Orchester der Vlaamse Opera einen spritzigen Rossini-Sound aus dem Graben hervorbringt, der die Solisten leichtfüßig durch die anspruchsvollen Partien trägt. Carmen Romeu überzeugt in der Titelpartie, auch wenn ihre Stimme in den schnellen Läufen noch ein bisschen beweglicher sein könnte. Mit großer Dramatik gelingt ihr stimmlich und darstellerisch das Finale. Enea Scala begeistert als Kreuzritter Rinaldo durch tenoralen Glanz. So setzt er die Höhen sauber an und vermeidet in den Spitzentönen ein zu starkes Forcieren. Mit Romeu findet er in den Duetten zu einer bewegenden Innigkeit. Robert McPherson stattet die beiden Kreuzritter Gernando und Ubaldo ebenfalls mit kräftigem und höhensicherem Tenor aus und gerät nur am Ende seiner großen Arie im ersten Akt stimmlich an seine Grenzen. Ansonsten zeigt er sich der anspruchsvollen Partie absolut gewachsen. Dagegen fällt Dario Schmunck als Goffredo und Carlo ein bisschen ab. Zwar gelingen ihm ebenfalls sauber angesetzte Höhen, an manchen Stellen kann er sich aber stimmlich nicht ganz gegen das Orchester durchsetzen. Leonard Bernad überzeugt als Astarotte mit solidem Bass und eindrucksvollem Spiel als Alter Ego Rinaldos, bleibt als Idraote allerdings ein wenig blass. Auch wird nicht klar, wieso er im ersten Akt gemeinsam mit den Kreuzrittern zurückbleibt, wenn Armida mit Rinaldo verschwindet. Adam Smith rundet in der kleineren Partie des Eustazio gemeinsam mit dem stimmgewaltigen Chor unter der Leitung von Jan Schweiger den Abend musikalisch überzeugend ab, so dass es am Ende begeisterten Applaus für alle Beteiligten gibt.

FAZIT

Der Vlaamse Opera gelingt eine musikalisch überzeugende Umsetzung dieses stimmlich anspruchsvollen Werkes. Szenisch hat der Abend seine guten Momente, auch wenn der Bezug zum Sport nur bedingt aufgeht.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Alberto Zedda

Regie
Mariame Clément

Bühne und Kostüme
Julia Hansen

Licht
Bernd Purkrabek

Chor
Jan Schweiger 

 

Koor Opera Vlaanderen

Symfonisch Orkest Opera Vlaanderen


Solisten

Armida
Carmen Romeu

Rinaldo
Enea Scala

Gernando / Ubaldo
Robert McPherson

Goffredo / Carlo
Dario Schmunck

Idraote / Astarotte
Leonard Bernad

Eustazio
Adam Smith


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Vlaamse Opera
(Homepage)




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