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Musiktheater
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Don Giovanni

Dramma giocoso in zwei Akten
Libretto von Lorenzo Da Ponte
Deutsche Übersetzung von Walher Dürr
für die Volksoper eingerichtet von Helene Sommer, Klaus Busch und Margarita Vaiciulenas-Piss
Musik von Wolfgang A. Mozart


In italienischer und deutscher Sprache mit englischen und deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3h 15' (eine Pause)

Premiere an der Volksoper Wien am 14. November 2015
(rezensierte Aufführung: 20. November 2015)

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Volksoper Wien
(Homepage)

Ein Don-Giovanni-Menü für alle

Von Joachim Lange / Fotos: © Barbara Pálffy/Volksoper Wien

Achim Freyer ist nicht nur einer der auch mit 81 Jahren irgendwie nicht alternden, raren "Alles aus einer Hand"- Regisseure. Er übernimmt nicht nur Regie und Ausstattung, sondern steuert gleich einen ganzen ästhetischen Kosmos bei. Der muss dann "nur" noch die jeweiligen Vorlagen aufnehmen. Oder mit ihnen kollidieren. Von Wagners Nibelungen-Ring bis zu Schönbergs Moses und Aron ist der Allround-Künstler so auch zu einer Opernfan-Gemeinde gekommen, die er von Zeit zu Zeit zu Tisch bittet.

Vergrößerung Don Giovanni, Leporello und Chor

In der Wiener Volksoper macht er das jetzt mit seinem dritten Don Giovanni nicht nur im übertragenen Sinne, sondern ganz wortwörtlich. Mit einem etwas makabren Beigeschmack, der freilich in der Stadt, in der die Blut- und Eingeweide-Exerzitien eines Hermann Nitsch zur Leibspeise der Avantgarde gehören und Concita Wurst die angesagte Kultfigur ist, so makaber auch wieder nicht ist. Selbst in der operettenlastigen Volksoper am Gürtel folgen genügend Zuschauer während des lieto fine der Einladung, auf die Bühne zu kommen. Und sich dort unter dem Schriftzug Restaurant Don Giovanni den gerade eben nicht in den Aggregatzustand der Hölle, sondern in den der Würstel übergangenen Don Giovanni einzuverleiben. Auch eine Art, den Hanswurst vom Ende her zu legitimieren, der der Verführer die Stunden davor auch war. Da kleckert der Kalauer vom Wüstling als Wü(r)stling geradezu zwangsläufig aufs imaginäre Tischtuch

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Anna und Ottavio, zu ihren Füßen Elvira

Die Sänger bewegen sich allesamt genauso in einem Zwischenreich, von kühn skizzierter Figurine mit Anklängen an die Commedia dell'arte und Performance, wie ihr Gesang zwischen deutsch und italienisch unbekümmert hin und her switcht. Das ist so eine Art Kompromiss zwischen dem an der Volksoper (wie weiland an der Komischen Oper in Berlin) derzeit geltendem deutschen Sprachgebot (bzw. der Illusion besserer Zugänglichkeit) und den Intentionen der Regie. Richtet aber eigentlich keinen Schaden an, wenn die Fetzen auf der Bühne fliegen. Oder all die (künstlichen) Torten, Schinken, Vögel oder was auch immer. Die drei dunkel surrealen Herren, die im Hintergrund mit Melone auf dem Kopf die Angel ins Wasser halten, steuern frischen Papp-Fisch bei.

Die Tafel ist das zentrale, allenthalben bewegliche Requisit, das dauernd auf und abgeräumt, bestiegen und verlassen wird, also immer (über-) reichlich gedeckt ist, um schwungvoll leergefegt zu werden. Wie im klassischen französischen Film läuft hier alles philosophisch auf ein "ich esse, also bin ich" und ein fröhlich kollektives Würstel-Schmausen hinaus. Drumherum hat der einstige Brechtschüler lässig verfremdend eine Stadt-Andeutung mit Küste hinskizziert. Und lässt einen Mond, auf seiner unbeirrt beschriebenen Halbrundbahn, einen schwarzen Schweif an den Himmel malen. Egal, welche Farbe der gerade hat. Dass das alles nur Theater ist, erkennt man schon daran, dass die Statisten ihre (rein-und raus und überhaupt) tragenden Rollen sichtbar, mit Inbrunst und gelegentlichem Überschlag garniert, wahrnehmen. Sie sind die Salat-Beilage für den Ensemble-Hauptgang.

Vergrößerung Don Giovanni, verkleidet als Leporello

Mit Verführer-Charisma hinter der Maske und mit der Sympathie des Regisseurs auf seiner Seite bildet Daniel Ochoa als Don Giovanni, allemal an seinem klassischen Federhut und den (sündig?) roten Handschuhen gut zu erkennend, das Zentrum des Ensembles. Dicht gefolgt vom Leporello Yasuhsi Hirano (beide eine exzellente Zweitbesetzung!). Kristiane Kaiser bietet für ihre Donna Anna Kraft, Gefühl und blaue Haare. Ihr dient sich immer wieder Don Ottavio (JunHo You) mit seiner ebenfalls blauen Haarpracht in Standbildmanier an. Frisurtechnisch schießt Donna Elvira den Vogel ab: Mit ihren strahlenförmig abstehenden rosa Haaren. Rücklings ist jede Rundung ausgestopft und vornherum nachgezeichnet. So schwebt sie durchs Bild, und Esther Lee schminkt stimmlich kräftig nach. Die Zerlina von Mara Mastalir ist mit Kugeln auf dem Kopf und vor der Brust hüpfend verziert und kann sich mädchenallerliebst im gepunkteten Kleidchen wiegen. Als ihr Masetto gibt Daniel Ohlenschläger den einfältig gelbblonden Bürstenhaarschnitt-Träger. Der Komtur (Andreas Mitschke) behält bis zum Ende statt eines Messers eine Riesengabel in der Brust.

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Giovanni und Komtur

Für die Bedrängnis des ersten Finales hängen ein blinkender Anker und ein Ring parat, mit denen sich Don Giovanni und Leporello aus dem Staub machen können. Rettungsgeräte zur einmaligen Benutzung - nach der Pause sind sie weg. Wenn Freyer der Übermut reitet, dann kommt eben das Fenster, das Don Giovanni ansingt, in mehrfacher Ausführung aus dem Schnürboden. Oder die angesungenen Damen tippeln tatsächlich ins Bild und schnappen sich eine der Blumen, die er eben noch schmachtend als Mandolinen-Saite gezupft hat. All das setzt weniger auf fein differenziertes Minenspiel als vielmehr auf laute Körpersprache, ist überwiegend launig, manchmal ein bissl dick aufgetragen, besteht aber vor den eigenen Maßstäben seiner selbst gesetzten ästhetischen Regeln.

Am Pult ist Jac van Steen im ziemlich hochgefahrenen Graben zupackend bei der Sache. Der Dirigent überrascht mit seiner Frische und Präsenz, hält mit dem Volksopern-Orchester bei aller Bühnenturbulenz immer Kurs.


FAZIT

Die Volksoper in Wien bietet mit Achim Freyers Don Giovanni ein eigenwilliges Menü auf erfreulich hohem musikalischem Niveau.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Jac van Steen

Regie, Bühnenbild,
Lichtkonzept und Kostüme
Achim Freyer

Mitarbeit Regie
Sebastian Bauer

Mitarbeit Bühne und Kostüme
Petra Weikert

Licht
Alex Brok

Chor
Holger Kristen


Komparserie der Volksoper Wien
Chor der Volksoper Wien

Bühnenorchester der Wiener Staatsoper

Orchester der Volksoper Wien


Solisten

Don Giovanni
Daniel Ochoa

Komtur
Andreas Mitschke

Donna Anna
Kristina Kaiser

Don Ottavio
JunHo You

Donna Elvira
Esther Lee

Leporello
Yasushi Hirano

Masetto
Daniel Ohlenschläger

Zerlina
Mara Mastalir


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Volksoper Wien
(Homepage)





Da capo al Fine

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