Ein Augen- und Ohrenschmaus

Benjamin Brittens Musik wirkt in Genf – einmal mehr – so elementar in ihrer Vielschichtigkeit wie raffiniert in ihrer (scheinbaren) Einfachheit. Die Produktion ist ein Hochgenuss.

Rolf Urs Ringger
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Ungleiches Liebespaar im tanzenden Wald: Tytania (Bernarda Bobro) in Bottoms (Alexey Tikhomirov) Armen. (Bild: Carole Parodi / GTG)

Ungleiches Liebespaar im tanzenden Wald: Tytania (Bernarda Bobro) in Bottoms (Alexey Tikhomirov) Armen. (Bild: Carole Parodi / GTG)

Was vermag Benjamin Brittens dreiaktige Shakespeare-Oper «A Midsummer Night's Dream» heute, 55 Jahre nach der erfolgreichen Uraufführung in Aldeburgh, noch herzugeben? Ist das Werk womöglich bereits auf dem sicheren Weg ins Repertoire, so häufig wie es seit einigen Jahren quer durch Europa auf den Spielplänen steht? Die Genfer Neuproduktion zeigt in erster Linie eines: In einer solchen brillanten Zurichtung wie hier besitzt Benjamin Brittens Werk einen ausgesprochen hohen Unterhaltungswert.

Heiterkeiten

Die Inszenierung am Grand Théâtre, verantwortet von Katharina Thalbach, holt nicht bloss viel, sondern vielerlei verschiedene Schichten aus der Vorlage heraus. Gespielt und gesungen wird dazu auf packendem Niveau. Ezio Toffolutti hat eine hügelige Landschaft auf die Bühne gezaubert. Sie gibt den Darstellern vielfältige – und manchmal durchaus heikle – Bewegungsmöglichkeiten. Lichtwechsel, Nebelschwaden, wechselnde Tiefenperspektiven, sich bewegende (Menschen-)Bäume halten das Auge stets in Spannung: Soll man gar von wohliger szenischer Unruhe sprechen? Jedenfalls ist sie zu keiner Zeit gegen Brittens komponierte Klangmagien gerichtet.

Es konnte viel gelacht – oder zumindest geschmunzelt – werden in dieser Aufführung. Und nicht erst im Schlussspiel der Handwerker mit all den musikalischen und szenischen Parodien. Die Sprechrolle des Puck (Anna Thalbach) wird zu einer Paraderolle für die Mimin. Christopher Lowreys Oberon und Bernarda Bobros Tytania profilieren das geisterhafte und zänkische Element. Theseus (Brandon Cedel) und Hippolyta (Dana Beth Miller) empfangen schliesslich in Frack und bourgeoiser langer Robe.

Die beiden jungen Liebespaare (Shawn Mathey und Stephanie Lauricella sowie Stephan Genz und Mary Feminear) bieten all die Wirrungen und Entwirrungen mit Kurzweil. Von den Handwerkern sei stellvertretend Alexey Tikhomirov erwähnt – seinem Bottom an witziger Spielfreude ebenbürtig sind seine Kollegen. Brittens Musik wirkt in Genf – einmal mehr – so elementar in ihrer Vielschichtigkeit wie raffiniert in ihrer (scheinbaren) Einfachheit.

Spontane Begeisterung

Das Orchester de la Suisse Romande unter der Leitung von Steven Sloane liess die Elemente des Traumhaften wie des Pikant-Elementaren, des Erhabenen wie des Witzig-Alltäglichen zu einem bunten Klangbilder-Bogen werden – und machte in jedem Moment deutlich, dass Brittens Klangwelten von der Inspiration des Melodisch-Gesanglichen leben. Ein Ohren- und Augenschmaus. – Dieser Genfer «A Midsummer Night's Dream» verdiente beispielhaft festgehalten zu werden, etwa auch als DVD-Produktion. Das sonst häufig eher reservierte Genfer Opernpublikum liess sich zu spontaner Begeisterung hinreissen. Erwähnung verdient nicht zuletzt das reich bebilderte und klug dokumentierende Programmheft.