Nein, Richard Lugner war auf diesem Opernball ausnahmsweise wirklich nicht eingeladen. Wobei der Baumeister aus Wien in diesem Fall vielleicht sogar ein ganz passender Gast gewesen wäre, sorgt sein Auftreten doch zumindest immer für unfreiwillig komische Momente. Ähnlich verhielt es sich leider auch mit Bernd Mottls Inszenierung von Richard Heubergers Der Opernball.

Ich war den ganzen Abend über nicht ganz sicher, ob ich auf der Bühne nun eine Operette oder die Parodie einer Operette sehe. Das Bühnenbild verwandelte sich zunächst von einer Art üppigem Salon zur Feststiege eines Opernhauses in Hallenbadoptik und wurde am Ende schließlich – als die Realität die Figuren einholt – dekonstruiert. Warum angesichts dieser relativ konventionellen Optik die Gäste aber in rosa und schwarzen Latexkostümen mit Schweins- und Fledermausmasken am Opernball antanzen mussten, hat sich mir so gar nicht erschlossen.

Ebenso blieb unklar, warum im ersten Akt riesige Hüte und historische Kleider dominierten, während im dritten Akt in moderner Kleidung Coffee-to-go-Becher verschüttet und SMS verschickt wurden. Die Choreografie bescherte zumindest mir einige Fremdschäm-Momente, etwa, wenn mit Hüten und Aktentaschen getanzt und Statuen geküsst wurde oder alle Solisten etwas hopsig anmutende, wenig synchrone Tanzschritte im Peter-Alexander-Film-Stil ausführen mussten. Holprig war leider auch die verwendete Textfassung von Peter Lund, die nur für vereinzelte Lacher sorgte und der die für die Operette eigentlich so wichtige Bissigkeit, Ironie und der Bezug zur aktuellen politischen und sozialen Situation zum Großteil fehlte.

Obwohl es ihnen durch die Inszenierung wahrlich nicht leicht gemacht wurde, schafften es zumindest die Damen an diesem Abend, selbst in rosa Schweinchenmasken nicht vollends lächerlich auszusehen. Sie waren es auch, die mit ihren Stimmen für die Lichtblicke der Vorstellung sorgten. Allen voran durfte Sieglinde Feldhofer als Kammerzofe Hortense einmal mehr unter Beweis stellen, dass sie mit ihrer Spielfreude, ihrem wunderbaren komödiantischem Timing und ihrem flexiblen Sopran für Operetten wirklich eine Idealbesetzung ist. Geschickt zog sie die Fäden der Handlung und lockte den Marinekadetten Henri mit hellem Timbre und klaren Spitzentönen ins Chambre séparée. Die zynische Pariserin Marguérite Duménil lag bei Margareta Klobučar in guten Händen. Auch, wenn sie vergleichsweise wenig zu singen hatte, konnte sie mit stimmlicher Präsenz, intelligenten Phrasierungen und charmant-kapriziertem Spiel punkten. Nadja Mchantaf verkörperte die aus der Provinz stammende und der (scheinheiligen) Prüderie frönende Angèle Aubier, die vom Sündenpfuhl Paris eigentlich nichts wissen will, mit überzeugender Verklemmtheit und dazu passend mit reiner, engelhaft timbrierter Stimme.

Nicht ganz mit den Leistungen der Sopranistinnen mithalten konnten hingegen Martin Fournier als Georges Duménil, Ivan Oreščanin in der Rolle des Paul Aubier und der Henri von Alexander Kaimbacher. Alle drei Figuren blieben sehr blass, was wohl auch der oft platten Textfassung geschuldet war, wobei vor allem Oreščanin sichtlich versuchte, so viel wie irgendwie möglich aus der Rolle herauszuholen und dabei mit viel Energie Präsenz zeigte. Seinem markanten Bariton fehlte es allerdings über weite Strecken an Leichtigkeit und Raffinesse.

Sowohl Fournier als auch Kaimbacher hatten öfters damit zu kämpfen, dass sie einerseits gegenüber dem Orchester untergingen; andererseits schienen beide immer wieder mit Unsicherheiten in den höheren Lagen konfrontiert zu sein, in denen sie sich hörbar zurück nahmen, wodurch an sich schöne Operettenschlagermomente schlicht glanzlos wirkten. Völlig verschenkt wurde leider auch das Potenzial der Buffo-Charaktere: Als Ehepaar Beaubuisson hatten Lotte Marquardt und Gerhard Ernst nur wenige wirklich lustige Momente und sogar János Mischuretz, der eigentlich immer eine sichere Bank ist, wenn es darum geht, das Publikum bei Laune zu halten, wirkte als Oberkellner Philippe seltsam schaumgebremst.

Mehr wäre auch von Seiten des Orchesters wünschenswert gewesen: Unter der Leitung von Marius Burkert spielte das Grazer Philharmonische Orchester zwar routiniert und sauber, aber nicht sonderlich inspiriert. Ich habe vor allem die schwelgende Walzerseligkeit, die mühelose Leichtigkeit und das frivole Knistern der Musik vermisst. Stellenweise schien auch die Abstimmung zwischen Orchestergraben und Bühne nicht ganz reibungslos zu funktionieren, vor allem hinsichtlich des Timings und der Einsätze, besonders in den Ensembles.

Für mich als Operettenliebhaberin war es am Ende trotz einiger netter Momente ein zäher, zu wenig beschwingter und leider nicht sonderlich unterhaltsamer Abend in der Grazer Oper. Ob es nun an der Textfassung oder der Inszenierung oder der Tagesverfassung lag – sowohl das Orchester als auch das Sängerensemble haben in vergangenen Spielzeiten schon oft unter Beweis gestellt, dass sie die leichte Muse viel besser können als an diesem Abend zu sehen und hören war.

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