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Kritik - "Candide" Eine bunte, schlechte Welt

Oper, Operette, Musical – aus allen Bereichen des Musiktheaters finden sich Elemente in Leonard Bernsteins absurd-komischem und nicht leicht auf die Bühne zu bringendem "Candide". Der britische Regisseur und Choreograph Adam Cooper hat das Kunststück mit dem Ensemble des Gärtnerplatztheaters dennoch gewagt. Unter schwierigen Bedingungen - denn eine Solistin fiel aus.

Csilla Csövari als Cunegonde, Alexander Franzen als Cacambo, Juan Carlos Falcón als Governor | Bildquelle: Thomas Dashuber

Bildquelle: Thomas Dashuber

Eine Heldentat

In der besten aller Welten gäbe es natürlich keine erkrankten Hauptdarsteller, aber wie uns Candides Geschichte lehrt, leben wir nicht in so einer Welt. Darum muss Intendant Josef Köpplinger vor der Ouvertüre die äußerst kurzfristige Umbesetzung der Cunegonde bekanntgeben. Binnen 48 Stunden hat sich die Sopranistin Cornelia Zink von der Komischen Oper Berlin für die erkrankte Csilla Csövari in Adam Coopers komplexe, temporeiche Inszenierung eingearbeitet. Eine von Anfang bis Ende bravourös gemeisterte Einspringer-Heldentat als I-tüpferl auf einem fulminanten Abend, den Marco Comin mit einer enorm flotten, bis in jede rhythmische Finesse sauber durchleuchteten Ouvertüre hinter einem Gazevorhang mit Weltkarte eröffnet.

Die Zuschauerreihen als Auftrittsrampen

Das Publikum in der Münchner Reithalle sitzt auf drei Seiten um die mit einfachen Holzplanken ausgelegte Spielfläche herum, die Wände sind mit gemalten Episoden aus den über zehn Schauplätzen des Stückes bebildert. Hier muss in alle Richtungen agiert werden, selbst die Aufgänge zu den Zuschauerreihen werden als Auftrittsrampen genutzt. Wir sind mitten drin in Candides bunter, verrückter und überhaupt nicht guter Welt. Als charismatischer Erzähler und omnipräsenter Mentor steuert Alexander Franzen als Voltaire und Pangloss das Geschehen. Gideon Poppe als unschuldiger Jüngling Candide fasziniert mit einer balsamisch schönen Stimme in allen Facetten.

Ein "must see"

Sensationell an Coopers Regie  sind die ständig neu sich formierenden Chor- und Ensembleszenen an den in rasantem Tempo wechselnden Schauplätzen. Ein als Running Gag aufploppender Pfeil auf der Weltkarte hilft dem Zuschauer zur Orientierung. Schon beim Autodafé in Lissabon glänzt der Chor und die vielen kleinen Solorollen. Alfred Mayerhofers zwischen Futurismus und Folklore changierende Kostüme setzen mit geschmackvoll-witzigen Details optische Höhepunkte.
Dagmar Hellberg als Old Lady im Gefolge der leider gesellschaftlich tief gesunkenen Cunegonde liefert mit ihrer Arie auf die Anpassung ein weiteres Glanzlicht des opulenten, spritzigen und musikalisch höchstklassigen Abends. Auch Erwin Belakowitsch als eitler Maximilian vom andern Ufer und die kesse Paquette von Nazide Aylin lassen einen immer wieder schmunzeln. Die enorme Spielfreude und das hautnahe Erleben einer szenisch wie musikalisch perfekt gearbeiteten Show machen diese Neuproduktion von Leonard Bernsteins Candide des Münchner Gärtnerplatztheaters zum absoluten must see!

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