Don Giovanni erobert die amerikanische Vorstadt, zumindest in Jacopo Spireis Inszenierung am Salzburger Landestheater. Was 2011 gut ankam, funktioniert nun auch in der Wiederaufnahme mit fast durchwegs neuer Besetzung.

Sex, Drugs and Rock 'n' Roll - würde Don Giovanni in unserer heutigen Zeit Leben, er wäre höchst wahrscheinlich ein cooler Junggeselle, der sich seine Freizeit am liebsten mit Frauen und Partys vertreibt. So präsentiert ihn Regisseur Jacopo Spirei als Frauenhelden der Gegenwart in Sportsakko und Turnschuhen, der die Frauen der typisch amerikanischen Vorstadt um den Verstand bringt. Mozarts Bearbeitung des Casanova-Stoffs wird zum Sammelsurium der Popkultur und macht vor allem eines: richtig Spaß.

Simon Schnorr war mit der Rolle des Verführers bestens betraut; bereits 2011 lieh er ihm Stimme und Gesicht, wobei der Plural - Gesichter - in dieser Inszenierung zutreffender wäre. Die Maskerade findet ihren Höhepunkt im Maskenball, der hier eine große Halloween Party ist (Venezianische Masken und Ballkleider sind im Amerika des 21. Jahrhunderts einfach zu sehr „last season“). Don Giovanni kommt als Joker, bekannt aus der neuesten Batman-Verfilmungen von Christopher Nolan. Wie eine aufgesetzte Verkleidung erschien dieser Auftritt bei Simon Schnorr nicht.

Ihm gelang eine durchwegs authentische Darstellung, die nicht zuletzt seiner stimmlichen Vielseitigkeit geschuldet war. Mit süß-samtigen Timbre verzauberte er die Frauen, mit aggressivem Vibrato verspottete er den Komtur. Immer an seiner Seite als Diener Leporello war Florian Plock, der stets bemüht war, alle Eroberungen mit dem Smartphone festzuhalten, was ihn manchmal von seiner stimmlichen Präsenz abzulenken schien. Das Duo lebte jedoch von seinen flotten Rezitativen, die, entgegen Mozart'scher Haltung, zuweilen fast durcheinander gingen. Nach einer durchzechten Nacht legt auch der wohlerzogenste junge Bursche keinen Wert mehr auf höfliches Ausreden-Lassen.

Da waren die Frauen durchaus verhaltener, leider auch manchmal in ihrer stimmlichen Leistung. Wirkliche Leidenschaft zeigte Lavinia Bini als Donna Anna, wovon sie Tamara Guras Donna Elvira ruhig ein wenig abgeben hätte können, auch wenn diese sonst durchwegs solide auftrat. Hannah Bradbury sang die junge Zerlina, wozu ihr helles und klares Timbre auch sehr gut passte. Generell muss den jungen Ensemblemitgliedern des Landestheater Salzburg an dieser Stelle ein Lob ausgesprochen werden. Kristofer Lundin als Don Ottavio entwickelt sich mit immer mehr Leichtigkeit zum glänzenden Tenor und auch Raimundas Juzuitis gab stimmlich wie darstellerisch einen authentischen Masetto. Wenn auch mit wenigen Auftritten bedacht, machte James Moellenhoff alleine mit seiner großen Erscheinung Eindruck. Mit schier unendlicher Gewalt und gleichzeitiger Lockerheit schmetterte er Don Giovanni geradewegs in die Hölle.

Schmettern dürfte auch Dirigent Adrian Kellys Leitwort für sein Dirigat gewesen sein. Gerade am Anfang fuhr er mit viel Gewalt der Streicher und Bläser auf, was den Sängern mitunter zum Verhängnis wurde. Doch nach kurzer Zeit waren alle wieder eingefangen und Kelly stimmte einen flotten und doch detailreichen Ton an, den dieser amerikanische Don Giovanni gut vertragen konnte. Der Chor des Salzburger Landestheaters bewies stimmlich und darstellerisch einmal mehr hohes Niveau; nichts anderes ist man am Salzburger Landestheater von ihm gewohnt.

Besonders bestach allerdings dieses Mal die prächtige Ausstattung der Sänger (Bettina Richter). Auf Don Giovannis Halloween-Party war alles zu Gast, was sich in der letzten Jahrzehnten popkulturell hervorgetan hat. Statt steifer, klassischer Tänze bewegt man sich hier im Stile von Michael Jacksons „Thriller“. Genau solche Züge machen Jacopo Spireis Inszenierung so schlüssig. Gewürzt mit einem guten Sängerensemble war es auch für das von Mozart teils übersättigte Salzburger Publikum ein durchwegs lohnenswerter Don Giovanni.

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