Staatsoper: Ein „Maskenball“ als Forum hoher Belcantokünste

(c) APA/Guenter R. Artinger
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George Petean dominiert eine insgesamt runde Staatsopernvorstellung mit rarem Schöngesang.

Nach der zweiten Pause ereignet sich inmitten dieser grundsoliden Aufführung ein Moment innigster Vokalkunst: George Petean singt Szene und Arie des Renato mit einer dramatischen Verve („Eri tu“) und behutsam schattierten Linienführung („O dolcezze perdute“), wie man sie nur in erlesenen Momenten zu hören bekommt. Kein verkappter Tenor, sondern ein echter Verdi-Bariton, offenbar auf dem Höhepunkt seiner vokalen und künstlerischen Entfaltung, makellos geführt, blühend schön in allen Lagen. Der farbliche Variantenreichtum scheint grenzenlos. So füllen sich die Phrasen mit prallem Leben.

Das ist ein Fest für sich und demonstriert, zu welchen artistischen Höhen das Genre Oper im allerbesten Fall sich erheben kann. Zumal in Wien, wo ein Orchester auf solche stimmlichen Feinheiten sensibel reagiert: Unter Jesús López Cobos' sicherer Führung nutzen die philharmonischen Solisten alle Freiheiten. An diesem Abend brillieren Englischhorn und Cello, aber auch – aus erwähntem baritonalen Anlass – das Flötenduo.

Der König, wieder genesen

Erfreulich auch: Ramón Vargas dürfte sich ganz erholt haben. Anfangs vorsichtig artikulierend, schon im Ulrica-Bild agil zwischen Schrecken und Ironie balancierend, erwuchs sein König Gustaf im Finale zu berührender Innigkeit: Die Romanze klang entspannt und elegant modelliert, der folgende Übergang zum Ballfest strahlend sicher und frei.

Die Amelia, die zu solcher Euphorie anstachelt, gibt in der laufenden Aufführungsserie Kristin Lewis. Die weltreisende „Aida“ schwankt zwischen imposanten Kraftakten und gehauchten Pianissimi. Die Nutzanwendung der Letzteren sichert ihr in der großen es-Moll-Arie im Angesicht des betrogenen Gatten atemlose Spannung im Auditorium, das im Übrigen auch die zweite Debütantin des Abends zu würdigen weiß: Maria Nazarova schenkt dem Pagen Oscar federleichte, präzis abschnurrende Koloraturen und schwebt überdies wie ein verschmitzter Barock-Putto durch das tragische Geschehen in den alten Papiertheaterkulissen.

Sonor, wie gewohnt, die Ulrica von Monica Bohinec, auffallend schönstimmig Manuel Walser in seinem kurzen Auftritt als jählings mit Ehren überhäufter junger Seemann. Das lässt sich alles hören und sehen. Connaisseurs, die die Sache abzukürzen wünschen, kaufen sich eine Stehplatzkarte und genießen den Beginn des dritten Aufzugs als Arienkonzert. Schon fünf Minuten Petean sind den Abend wert . . . (sin)

Reprisen: 15. und 18. Jänner.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2016)

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