Die Opernwelt ohne Mozart ist kaum mehr vorstellbar. Seine schönsten und eingängigsten Arien waren nicht nur zu Mozarts Lebzeiten Gassenhauer, noch heute sind sie regelrechte Schlager. So kommt es schon einmal vor, dass in einer Vorstellung der rechte Nachbar die Melodie mitdirigiert, während der linke Nachbar mit dem Fuß mitwippt. Die beschwingten Arien in Die Hochzeit des Figaro geben dazu auch genügend Anlass. Die komisch spritzige Oper erfreute sich trotz oder eben auf Grund ihrer starken Gesellschaftskritik erst nach der Aufführung in Prag großer Beliebtheit, und dieser Erfolg erst brachte Mozart den Kompositionsauftrag zu Don Giovanni ein. Beide Werke sind aus den heutigen Spielplänen nicht mehr wegzudenken.

Die Oper Dortmund hat ihre Koproduktion mit dem Staatstheater Nürnberg von vor drei Jahren wieder aufgenommen und das anwesende Publikum damit wunderbar unterhalten. Mariame Clément setzte in ihrer Inszenierung im Besonderen auf amüsantes Spiel der Sänger und Statisten, was beim Publikum sehr gut ankam und zu heiteren Lachern führte. Dabei war Morgan Moody großartig in der Rolle des Figaro. Sein zügelloses, aufgewecktes und scherzhaftes Spiel formte einen mutigen Figaro, der es mit jedem Problem und Situation aufnehmen konnte. Dazu setzte Moody seinen vollen Bariton ein, um in witzig-überspitzter Weise seine Kontrahenten nachzuäffen oder auszulachen. Danach in ein lyrisches Duett mit Susanna zu treten gelang jedoch problemlos und zeigte die Flexibilität seiner Stimme.

Diese Susanna wurde von Ashley Thouret als eine sehr selbstbewusste und auch forsch auftretende dargestellt. Wahrscheinlich war es der anfänglichen Nervosität zu schulden, dass Thourets heller Sopran fast unterging; nach einer kuren Anlaufzeit blühte Thouret aber auf und zeigte Publikum mehr von ihrer vor allem in den hohen Lagen klaren und strahlenden Stimme. Die Dortmunder Philharmoniker bildeten ein samtweiches Fundament und boten den Sängern damit eine gute Stütze. Das charakterfeste Spiel des Orchesters hätte an manchen Stellen mit differenzierterer Dynamik und Raffinesse aber noch zusätzliche Spannung beitragen können.

Auf weißen Leinwänden über die ganze Höhe und Breite der Bühne wurden beständig Farbverläufe projiziert, die der momentanen Stimmung angepasst waren. Dezent wechselten die Farben also von blau über rosa zu orange. Vor dem puristischen Hintergrund zeigte die Kulisse des ersten Aktes Szenen im Haus des Grafen Almaviva. Musikzimmer, Küche, Unterrichtsraum, Schlafzimmer und Büro waren mit Möbeln im Stile des Rokoko und Statisten angedeutet. Die einzelnen Räume standen baulich nicht getrennt nebeneinander auf der Bühne und erlaubten das gleichzeitige Ablaufen der Vorgänge in den Zimmern. Während im Vordergrund die Handlung um Susanna, Figaro, Cherubino und den Herzog ihren Lauf nahm, agierten die Statisten stumm im Hintergrund und repräsentierten das bunte Treiben im Herrenhaus.

Ileana Mateescu war in ihrer Hosenrolle als Cherubino sehr überzeugend. Als Cherubino von Barbarina als Frau verkleidet wurde, glaubte man tatsächlich, dass es ein junger Page sei, der sich geniert, Frauenkleider zu tragen. Beeindruckend war Cherubinos Arie über die Liebe, „Voi che sapete“. In schüchterner Manier, aber vor allem intonationssicher stimmte Ileana Mateescu die ersten Takte der Arie noch vor dem eigentlichen Orchestervorspiel an und hob damit das Schamgefühl des Cherubino noch stärker hervor.

Mit dem zweiten Akt verschwanden die imaginären Räume und drei schwarze Wände mit Stuckelementen formten das Schlafzimmer der Gräfin. Neben dem unnachgiebigen Grafen Almaviva, den Gerardo Garciacano mit satter und ausgewogener Stimme verkörperte, war die Gräfin eine emotional extrem wankelmütige und sogar selbstmordgefährdete Figur. Als sie ihre Ehe zu Beginn des zweiten Aktes beklagt, hielt sie ein Messer in der Hand und beweinte sich selbst, in Nachtkleidern auf dem Boden liegend. Emily Newton präsentierte die emotionalen Extreme der Gräfin sehr überzeugend und ihre sonst kräftige Stimme ließ sie in ihrer Arie im dritten Akt zart und flüsternd erklingen.

Die Dortmunder Inszenierung verknüpft traditionelle Kostüme und Kulissen mit einfacher moderne Technik wie den Projektion von Farbverläufen. Sie ist ist in sich sehr stimmig und bietet wahrlich einen unterhaltsamen Abend. Die gesanglichen Leistungen sowie das Orchester bewegten sich zudem auf hohem Niveau, so dass man nach der Vorstellung den Heimweg von Mozarts wunderschöner Musik beschwingt antrat.

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