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Musiktheater
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Stilles Meer

Oper in einem Akt (5 Szenen)
Libretto von Hannah Dübgen nach dem japanischen Originaltextbuch Umi, Shizuka na umi von Oriza Hirata
(deutsche Übersetzung von Dorothea Gasztner)
Musik von Toshio Hosokawa

in deutscher Sprache mit deutschen und englischen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 1h 30' (keine Pause)

Produktionsunterstützung in Kooperation mit Tokyo University of the Arts

Uraufführung in der Hamburgischen Staatsoper am 24. Januar 2016

 



Hamburgische Staatsoper
(Homepage)

Wie schön, mit den Seinen aufs Meer zu schauen

Von Ursula Decker-Bönniger / Fotos von Arno Declair

Immer wieder treibt es sie zum Wasser, zum Meer. Wie viele Andere hat Claudia, eine deutsche Ballettlehrerin , die seit vielen Jahren in der Nähe von Fukushima lebt, während des Tōhoku-Erdbebens und Tsunamis 2011 ihre Familie verloren. Sie kann vor allem den Tod ihres Sohnes Max nicht vergessen. Schwägerin Haruko fürchtet, sie könne wahnsinnig werden und hat den Vater von Max, Claudias ehemaligen Freund Stephan nach Japan geholt, um ihr zu helfen, Frieden zu finden und nach Deutschland zurückzukehren. Am Tag der Sonnenwende, dem traditionellen, japanischen Totengedenken, versammelt man sich, um Lichter aufs Meer zu setzen, um die Seelen ans jenseitige Ufer zu entlassen. Ein sprechender, mit einem Dosimeter ausgestatteter Roboter führt die Bewohner des Ortes an die Stelle, die man ohne Schutzanzüge betreten kann. Immer wieder beschwören Haruko und Stephan ihre Freundin, aber Claudias Zukunft und Wirklichkeit liegen in der Vergangenheit. Auch das gemeinsame Spiel des No-Stücks Sumidagawa hilft ihr nicht, sich mit der Situation abzufinden. Anstelle des Geistes von Max platzt schließlich Miyuki, Claudias kleine Ballettschülerin herein, um ihrer Lehrerin stolz die Pirouette zu zeigen.

Dies ist kurz zusammengefasst die Geschichte der Oper Stilles Meer von Toshio Hosokawa. Der japanische, 1955 in Hiroshima geborene Komponist hat seine vierte Oper den Opfern des Tōhoku-Erdbebens und Tsunamis gewidmet und dazu eine Musik komponiert, die wie eine aus der Stille wachsende Anklage, wie ein immer wiederkehrendes, klingendes Denkmal die Natur- und Atomreaktorkatastrophe 2011 in Erinnerung ruft. Entstanden als Auftragswerk der Staatsoper Hamburg, des neuen Opern- und Orchesterintendanten Georges Delnon wurde Stilles Meer am vergangenen Sonntag vom Philharmonischen Staatsorchester Hamburg unter der Leitung des neuen Generalmusikdirektors Kent Nagano in deutscher Sprache uraufgeführt. Zum Rahmenprogramm der Uraufführung gehört auch die Ausstellung Low Tide. Japan nach dem Tsunami im Parkettfoyer der Staatsoper mit Fotografien von Denis Rouvre.

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Haruko (Mihoko Fujimura), Stephan (Bejun Mehta), Claudia (Susanne Elmark)

Regisseur Oriza Hirata, der auch die Textvorlage des Librettos schrieb, folgt ähnlich wie die Musik dem ästhetischen Prinzip der variierten Wiederholung. Die Inszenierung wirkt statisch, ohne traditionelle dramaturgische Entwicklung. Auftritte, Abgänge - die Bewegungen sind langsam, weihevoll entschleunigt. Die Blicke der Protagonisten sind starr ins Publikum gerichtet. Die Gesangspassagen sind dialogisch gehalten, aber eine wirkliche Kommunikation findet nicht statt. Erst als die kleine Miyuki gegen Ende erscheint, kehrt lebendiger Alltag zurück. Itaru Sugiyama hat die Bühne in eine abstrakte Landschaft aus drei Ebenen verwandelt. Leuchtende Neonröhren, Symbole umweltverschmutzender Brennstäbe, hängen von der Decke. Auf dem Bühnenboden, vor einem blauen Horizont steht eine kreisförmige, transparente, ansteigende Fläche. Eine parallel zum Bühnenrand geführte, ebenfalls ansteigende Stegkonstruktion bildet symbolisch die Brücke zwischen Diesseits und Jenseits. Sie ist den Auftritten von Claudia vorbehalten, deren Wahnsinn und Schmerz anrührend, mit schlankem Stimmklang, hohen, leuchtenden Spitzentönen und virtuosen Tonsprüngen von der dänischen Koloratursopranistin Susanne Elmark verkörpert wird. Countertenor Bejun Mehta stellt ihren ehemaligen Freund Stephan dar, der virtuos zwischen Wutarie und lyrischer Lamento-Anrufung des Namens „Claudia“ wechselt. Mezzosopranistin Mihoko Fujimura ist eine mit klangvollem, tiefgründigen Stimmklang ausgestattete, um Claudias Seelenheil bemühte Schwägerin. Sie fungiert auch als Erzählerin, erklärt die Umstände der Situation in gesprochener Sprache. Wundervolle, mehrstimmige, aus der Stille geborene, homophon gesetzte Chornummern ergänzen die Dialoge und „Arien“ mit wiederholten, philosophischen Lebensweisheiten.

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Vokalsolisten Hamburg, Roboter

Stilles Meer ist eine Oper, in der hier und da auch Sätze in japanischer Sprache zu hören sind. Sicherheitshinweise z. B. und dass das zu Beginn der Oper erklingende Erdbeben die Stärke 4 habe und keine Tsunamigefahr drohe. Kent Nagano und die MusikerInnen des Philharmonischen Staatsorchesters Hamburg führen diese Naturgewalten in beeindruckender Weise vor Augen. Gleich zu Beginn erfüllt ein wellenartig ansteigendes Rauschen und an Bomben erinnerndes Dröhnen die Luft. Pumpgeräusche erinnern an Fukushima. Unmerklich werden sodann die Geräusch- und Klangwelten des Tonbands vom Orchester übernommen. Tremoli und Glissandi, dumpfes Nachhallen der Großen Trommel, angsteinflößendes Dröhnen im Blech – immer wieder türmen sich ausdrucksstarke, aus der Stille geborene Klanggewitter und vergehen. U.a. gezupfter Kontrabass, Vibraphon, Celesta und solistische Holzbläser ergänzen die Farbpalette. Kleine Sekunde und das Tritonusintervall sind die konstruktiven, harmonisch-melodischen Bausteine. Am Ende breitet sich friedvolle Stille aus. „Lass uns nach Hause gehen! Ein jeder zu sich nach Hause“, fordert Claudia ihren ehemaligen Freund Stephan auf und der Chor schließt mit den Worten „Vergeht der Himmel, so singet ohne zu ruhen“.

FAZIT

Die Musik Hosokawas ist beeindruckend und wird von Gesangssolisten, den Vokalsolisten Hamburg, dem Philharmonischen Staatsorchester Hamburg unter der Leitung Kent Naganos anschaulich in Szene gesetzt.



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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Kent Nagano

Inszenierung
Oriza Hirata

Bühnenbild
Itaru Sugiyama

Kostüme
Aya Masakane

Licht
Daniel Levy

Dramaturgie
Janina Zell

 

Vokalsolisten Hamburg

Philharmonisches
Staatsorchester Hamburg

 

Solisten

*Besetzung der UA

Claudia
Susanne Elmark

Haruko
Mihoko Fujimura

Stephan
Bejun Mehta

Hiroto
Viktor Rud

Ein Fischer
Taro Sakamoto /
*Marek Gasztecki

Ein Mädchen
Miyuki Sakamoto /
*Lua-Sophie Störmer


Weitere Informationen
erhalten Sie von der
Hamburgischen Staatsoper
(Homepage)





Da capo al Fine

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