Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Am Staatstheater Oldenburg feiert die Minimal-Music-Oper „Satyagraha“ von Philip Glass Premiere Esoterik nach Noten

Oldenburg. Zeitgenössische Musiktheaterwerke haben es schwer auf unseren Bühnen. So lässt es sich jedenfalls aus der Aufführungsstatistik des Deutschen Bühnenvereins (wir berichteten) ablesen, die unter den 50 meistgespielten Opern keine einzige neueren Entstehungsdatums nennt.
08.02.2016, 00:00 Uhr
Lesedauer: 2 Min
Zur Merkliste
Von Gerhart Asche

Zeitgenössische Musiktheaterwerke haben es schwer auf unseren Bühnen. So lässt es sich jedenfalls aus der Aufführungsstatistik des Deutschen Bühnenvereins (wir berichteten) ablesen, die unter den 50 meistgespielten Opern keine einzige neueren Entstehungsdatums nennt. Trotzdem gibt es solche Zufälle wie jetzt im norddeutschen Bereich, die fast einen anderen Eindruck vermitteln: Zwei Opernhäuser boten hier Zeitgenössisches im Vierzehntagesabstand – nämlich die Hamburgische Staatsoper die Uraufführung von Toshio Hosokawas „Stilles Meer“ und das Oldenburgische Staatstheater seine Premiere von „Satyagraha“, einer frühen minimalistischen Oper von Philip Glass.

Der amerikanische Komponist verarbeitet in seinem vor dreieinhalb Jahrzehnten entstandenen Werk einen Stoff aus dem Leben Gandhis, der in den Jahren von 1893 bis zum Ersten Weltkrieg politischer Führer der Inder in Südafrika war und dort den gewaltlosen Widerstand der indischen Arbeiter initiierte. Er gründet das „Satya-

graha“ (Kraft der Wahrheit), eine genossenschaftliche Produktionsstätte, in der das Prinzip der Gleichheit gilt. Eine eigene Zeitung dient der Aufklärung der unterdrückten Inder. Über allem aber steht als hoffnungsvolle Vision der Gedanke der Liebe der Menschen untereinander. Die Musik des Werkes basiert auf der sogenannten „Minimal-Art“, einer Kompositionsform, die der Publikumsferne der Avantgarde mit ihrer Atonalität und ihren Dissonanzen eine leicht konsumierbare Einfachheit der Mittel entgegensetzen will. So ergeht sich diese Musik denn in endlosen Tonwiederholungen, in der Repetition einfacher rhythmischer Floskeln, in der Dauerberieselung des Publikums mit Dreiklängen und anderen harmonischen Grundbausteinen. Der Musikkritiker Kurt Honolka sprach anlässlich der Stuttgarter Deutschen Erstaufführung des Werkes 1981 ironisch von „simplen Formeln ausgewalzter musikalischer Tapetenmuster“.

Dennoch hat sich das Werk gehalten und scheint trotz aller Simplizität der Machart gerade gut anzukommen. Vielleicht, weil wir heute mehr das Sensorium für dessen meditativen Aspekt entwickelt haben. Die Oldenburger Inszenierung zielt in diese Richtugn. Regisseurin Andrea Schwalbach und Ausstatterin Anne Neuser lassen kein Historiendrama ablaufen, sondern setzen auf eine Ästhetik der schönen Bilder und legen in einem bunten Bilderbogen den rituellen Kern des Stückes bloß. So wird die Befreiung der unterdrückten Arbeiter szenisch durch einen symbolischen Kleidertausch mit den Kolonialherren verdeutlicht. Oder: Zur Gründung der Zeitung fällt Papier vom Bühnenhimmel. Das ist kein realistisches, sondern rituelles Theater und entspricht der nicht nur durch die Musik, sondern auch durch das in sanskritischer Sprache gesungene Libretto hervorgerufenen Esoterik des Stückes.

Kapellmeister Carlos Vázquez schlug in den pausenlosen 110 Minuten tapfer den Takt. Der Chor und die Solisten – darunter Timothy Oliver als deklamatorisch sicherer Gandhi, Anna Avakian als höhensichere Sekretärin Miss Schlesen und Melanie Lang als Gandhis Frau Kasturbai mit sonorem Alt – gaben ihr Bestes. Aber den Vergleich mit Hosokawas „Stilles Meer“ in Hamburg, dem ganz ähnlich rituell konzipierten, aber ungleich wertvolleren Werk, konnte „Satyagraha“ mit der Simplizität seiner musikalischen Mittel bei weitem nicht bestehen. Trotzdem: Rauschender Beifall.

Die nächsten Aufführungen: 13.2., 27.2. 17.3. jeweils um 19.30 Uhr

.

Jetzt sichern: Wir schenken Ihnen 1 Monat WK+! Zur Startseite
Mehr zum Thema

Das könnte Sie auch interessieren

Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)