Zweifach geliebt und verliebt

Im Spiel mit der Maske unterläuft Verdis Oper «Un ballo in maschera» die scheinbar klaren Verhältnisse. Die Berner Inszenierung von Adriana Altaras zeichnet dagegen recht eindeutige Gefühlslagen.

Tobias Gerber
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Hochpolitisch ist der Entstehungskontext von Giuseppe Verdis Oper «Un Ballo in Maschera». Der inhaltliche Bezug auf die Ermordung des schwedischen Königs Gustav III. im Jahr 1792 hatte zur Folge, dass der Handlungsort zensurbedingt ins ferne Boston verlegt werden musste, und die Uraufführung fand 1859 nicht wie geplant in Neapel, sondern in Rom statt. Adriana Altaras interessiert sich in ihrer Neuinszenierung am Theater Bern allerdings nur am Rande für die politischen oder gesellschaftlichen Dimensionen des Stücks. Ins Zentrum stellt sie die tragische Wendung in der Dreiecksfreundschaft zwischen Riccardo, seinem Berater Renato und Amelia, der Gemahlin Renatos und Angebeteten Riccardos, der für seine Liebe zu Amelia am Ende von Renato erdolcht wird.

Starker Herrscher, starke Frau

Als starken Herrscher präsentiert Alessandro Liberatore die Figur des Riccardo (alias Gustav III.), obschon der eigentlich Wein und Spiel mehr zuneigt als dem Regieren. Klare Verhältnisse herrschen auch stimmlich – in dem auffälligen Gegensatz zwischen dem geschliffenen Tenor Liberatores und dem voluminösen, etwas lautstarken Bariton von Juan Orozco.

Mit dem zentralen Motiv der Maskierung – eine potente Metapher für die gesellschaftlichen Zustände wie auch für die libidinösen Verhältnisse zwischen den Akteuren – sorgten Verdi und sein Librettist Antonio Somma für ein subversives Moment im Handlungsablauf und in der Anlage der Charaktere. Dagegen setzt die Berner Inszenierung auf einfachere Konturen. Mit Miriam Clark steht eine ausdrucksstarke Amelia auf der Bühne, die den emotionalen Zwist der zweifach Geliebten und Verliebten sängerisch differenziert und farbenreich gestaltet. Im zweiten Akt im Duett mit Riccardo sowie später im Terzett zusammen mit Renato lassen sich davon auch die beiden Männerstimmen inspirieren und klingen plötzlich viel wendiger und vielfältiger als in der Eingangsszene.

Szenisch bleibt das Weitere dennoch recht eindimensional: Nicht aus Amelias innerer Zerrissenheit zwischen der Treue zu Renato und der skandalösen Liebe zu Riccardo entwickelt sich hier die Spannung; stattdessen entlädt sich in der zentralen Szene der nächtlichen Begegnung eine dramaturgisch vorgezeichnete, doch szenisch viel zu wenig aufgebaute Energie im harten körperlichen Zusammenprall der beiden Figuren.

Im Übrigen bewegt sich ein eher heterogenes Ensemble in den Bühnenräumen von Christoph Schubiger. Während Miriam Clark vor allem mit der stimmlichen Gestaltung ihrer Partie heraussticht, überzeugt Sanja Anastasia in der Rolle der Wahrsagerin Ulrica in erster Linie schauspielerisch. Sie verhilft der Figur zu einer schillernden Präsenz, in der sich düstere Magie und eine gleichsam innerlich fröstelnde Ängstlichkeit begegnen. Für ein wenig Erheiterung im düsteren Geschehen sorgt zum Glück Yun-Jeong Lee als knabenhafter Page Oscar mit kullernden Koloraturen.

Neuer Chefdirigent

Als Komödie und Tragödie in einem beschwört «Un Ballo in Maschera» Formen und Figuren des damals zeitgenössischen französischen Unterhaltungstheaters; Verdi bemüht den volkstümlichen Tonfall des neapolitanischen Liedes ebenso souverän, wie er mit expansiven Arien und Ensembles grosse Tableaus entwirft. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn sich das agile Berner Symphonieorchester unter der Leitung des neuen Chefdirigenten am Berner Musiktheater, Kevin John Edusei, zuweilen etwas stärker in den Vordergrund gedrängt hätte – ihr Spiel verdiente unbedingt eine stärkere Präsenz! Auch der Haus-Chor trieb seine Szenen wie entfesselt voran.