1. Startseite
  2. Kultur

Ein Kino-Welterfolg als Oper

KommentareDrucken

Verbotene Liebe in der Bergeinsamkeit: Mark Omvlee (kniend) als Jack und Florian Plock als Ennis in der Inszenierung von Jacopo Spirei.
Verbotene Liebe in der Bergeinsamkeit: Mark Omvlee (kniend) als Jack und Florian Plock als Ennis in der Inszenierung von Jacopo Spirei. © Foto: Anna-Maria Löffelberger

Salzburg - Brokeback Mönchsberg: Ein Kino-Welterfolg als Oper: Das Salzburger Landestheater wagt sich an die Vertonung des US-Komponisten Charles Wuorinen.

Sehr viel hat dieser Brokeback Mountain mit Mönchs- oder Kapuzinerberg zu tun. Weniger, weil an der Salzach schwule Cowboys (oder andere ortsübliche Männer) Schafe hüten, sondern weil zwischen beiden Felsen einst ein Mann amtierte, für den diese Veroperung eines seiner finalen Herzensanliegen war. Gerard Mortier, von 1991 bis 2001 Salzburger Festspielintendant, erkannte in der Kurzgeschichte von Annie Proulx, vor allem im dreifach Oscar-bepreisten Kinofilm von Ang Lee musiktheatralisches Potenzial.

Viele, auch vergebliche Jahre trug Mortier „Brokeback Mountain“ mit sich herum. Eine Produktion an der New York City Opera scheiterte, vor zwei Jahren dann die Uraufführung an Mortiers letztem Haus in Madrid – es war zugleich die letzte Oper, die der Krebskranke begleitete. Salzburg, so hat es der Prinzipal einst gewünscht, müsse das Stück von Charles Wuorinen (Musik) und Annie Proulx (Libretto) unbedingt nachspielen. Eine Art Vermächtnis. Und genau dieser Traum hat sich jetzt erfüllt, wenn auch nicht unter den Fittichen des Festivals, sondern unter denen des Landestheaters.

Die Vorgeschichte muss man kennen, um die einschüchternden Premierenanstrengungen des Hauses zu begreifen – und seinen Stolz. Die Kammerfassung für 24 Instrumente, die der US-Komponist für Salzburg erstellte, geht im Charakter über die Uraufführungsfassung hinaus. Keine Chance mehr für gepolstertes Streichermelos, die Härten dieser Musik schlagen nun unerbittlich durch. Was passt zu dieser Geschichte, in der zwei Cowboys in zweisamer Bergeinsamkeit ihren Hetero-Panzer ablegen und eine Beziehung beginnen, die an den Realitäten – die jeweilige Ehen, vor allem das hasserfüllte Umfeld – tödlich scheitert.

Wer ob des Films von Ang Lee Tränen verdrückte, muss umdenken und -hören. Keine Sentimentaliät, keine Folkmusic oder Western-Ahnungen: Fast scheint es, als ob sich das Opus von Charles Wuorinen mit aller phonstarken Macht gegen den Kitsch sträubt, erst recht in der Kammerfassung, die von Schlagwerk, greller Bläserbehandlung und hart eingesetztem Klavier dominiert ist. Dirigent Adrian Kelly und das Mozarteumorchester gehen erstaunlich unerschrocken vor, mit Risikobereitschaft trotz ungewohnter Aufgabe. Eine unruhige, zerrissene Musik, die für Gesangslinien wenig Stützen und Querverstrebungen bietet – und der die Daueraufgeregtheit zum Verhängnis wird. Gegen Ende, wenn der überlebende Ennis seine „Schwiegereltern“ besucht, beruhigt sich die Partitur etwas, öffnet andere Emotionsräume. Und dennoch bleibt der Eindruck, dass da ein Komponist mit seiner schroffen Fragmentkunst und der Szenenhäppchendramaturgie alles Sinnliche, Erotische auf eine auch merkwürdig verklemmte Weise meidet.

Aber wie dem übermächtigen, 2006 herausgekommenen Film entfliehen? Erst gegen Ende deutet die Inszenierung eine Antwort an. Da steht Ennis vor der ständig präsenten, mit Magritte-Wolken bemalten Wand. Dort hängt das Hemd des Geliebten, und langsam (zum in US-Dramen unvermeidlichen Schlussmoralmonolog) kippt diese Wand rätselhaft nach vorn. Abstraktion, Überhöhung gerade angesichts der artifiziellen Stilform Oper, womöglich wäre das eine Regie-Lösung gewesen. Doch mit seiner Ausstatterin Eva Musil hält sich Jacopo Spirei an einen gebrochenen Naturalismus. Der Brokeback Mountain ist schräg-steiles Felsenimitat, auf dem die Cowboys oft linkisch balancieren müssen. Es gibt einen Kuss auf offener Bühne, Entscheidendes spielt sich im Zelt ab. Das „Gebirge“ schrumpft im Laufe des zweieinhalbstündigen Abends zum Zitat zusammen, Zimmer-, Bar- oder Büroelemente werden hereingefahren.

Erfolgreich wehren sich die beiden Hauptdarsteller gegen den Vergleich mit den Kino-Größen Heath Ledger und Jake Gyllenhaal, einfach, weil sie so anders sind. Mark Omvlee ist als Jack ganz naiv-weltferne Frohnatur mit hellem, in jeder Lage flexiblem Tenor und Florian Plock (Einnis) von Anfang an der in sich Gekehrte, was auch gut zu seinem hohlwangigem Bassbariton passt. Hailey Clark (Alma) und Rowan Hellier (Lureen) machen als aufgekratzte Gattinnen mit gelegentlicher Neigung zum Hausfrauenlamento ihre Sache ebenfalls ausgezeichnet. Jubel, vereinzelte Standing Ovations für, so hat es das Landestheater programmiert, die Schwesterproduktion zum dortigen „Don Giovanni“. Der fand als Superhetero bekanntlich sein Ende nicht in einer US-Kleinstadt, sondern in der Hölle. Gelegentlich läuft das aufs selbe hinaus. 

Weitere Aufführungen: 4., 9., 15., 20. März sowie 21. April; Tel. 0043/ 662/ 871 51 21 22.

Auch interessant

Kommentare