Zur OMM-Homepage Zur OMM-Homepage Veranstaltungen & Kritiken
Musiktheater
Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum



Die Liebe zu den drei Orangen

Oper in vier Akten und einem Prolog
Text vom Komponisten nach Carlo Gozzi, deutsche Fassung von Werner Hinze
Musik von Sergej Prokofjew

in deutscher Sprache mit Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2 Stunde, 35 Minuten (eine Pause)

Premiere im Opernhaus des Staatstheaters Kassel am 5. März 2016

 



Staatstheater Kassel
(Homepage)

Clownesker Mummenschanz

Von Bernd Stopka / Fotos von N. Klinger

Sergej Prokofjews Die Liebe zu den drei Orangen ist ein Feuerwerk, aus dem die Funken witzig, geistreich, liebenswert rührend und immer wieder auch grotesk nur so sprühen – und das ebenso aus dem Libretto wie aus der Partitur. Diese Oper spielt mit den Eigenheiten und speziellen Mitteln des Theaters, musikalisch mit stilistischer Vielfalt und szenisch mit allen  möglichen und unmöglichen Handlungen, bis hin zu Zuschauergruppen, die streitend unterschiedliche Genres einfordern. Nicht zuletzt die Namen der Akteure verweisen auf die Commedia dell’arte, die nicht nur als Quelle diente, sondern durchaus auch aufs Korn genommen wird. Dabei wird die zentrale Handlung fast nebensächlich, wichtiger sind die einzelnen Szenen, auf die der Dichterkomponist virtuos die Ohren und Blicke des Publikums lenkt.

Bild zum Vergrößern

Ani Yorentz (Ninetta, Prinzessin) und Tobias Hächler (Prinz)

Hinter dem Spiel mit den Mitteln des Theaters steckt aber auch die Frage nach dem Wirklichkeits- und Wahrheitsanspruch, der Glaubwürdigkeit und der Darstellungsmöglichkeiten, die die Bühne bietet. Theater ist Theater, auch, wenn es sich noch so sehr bemüht realistisch zu sein und Theater ist genauso Theater, wenn es sich selbst karikiert und sich offen als künstlich, als Theatralik zeigt und dabei auch nicht vor grotesken Überzeichnungen und haarsträubenden Effekten zurückschreckt, um das Publikum zu verblüffen und zu unterhalten. Diese Elemente sieht Regisseur Dominique Mentha bei  den Clowns der Zirkuswelt am intensivsten und verlegt die Handlung für seine Neuinszenierung des Werkes am Staatstheater Kassel mit dem einfachen Einheitsbühnenbild von Werner Hutterli und den vielfältig-clownesken Kostümen von Anna Ardelius in die Sägespan-Arena eines Zirkuszeltes. Das funktioniert gut bei den quicklebendigen, lautwitzigen Szenen wie den Ärzten, die als Weißkittel mit Schwarzkittelnasen wild durcheinander diagnostizieren, wenn der Spaßmacher Truffaldino aus einem Pappkarton gezaubert wird oder wenn bei den Bemühungen, den Prinzen zum Lachen zu bringen, Clowns sich gegenseitig aufblasbare Keulen auf die Köpfe schlagen. Köstlich, wie ein dressiertes Zirkustier (das einzige hier), ist auch die kostümbildnerisch herrlich gelungene Ratte und ihre Verwandlung hinter einer einfachen, tragbaren Stoffbahn, die die Farben des Kartenspiels zeigt, mit dem der gute Zauberer und die böse Zauberin um den Ausgang der Geschichte gespielt haben. Die Prinzessinnen aus den Orangen sind Ballerinen, die Wüste der Schrecken eines jeden Zirkus- und Theaterdirektors: leere Stuhlreihen.

Bild zum Vergrößern

Inna Kalinina (Fata Morgana, Zauberin) und Marc-Olivier Oetterli (Tschelio, Zauberer), Chor und Statisterie

Wird es ernst und gefühlsintensiv, wirkt das Zirkusgehabe allerdings fremd und störend, denn Prokofjews Musik ist an diesen Stellen nicht ironisch  wie die wassersprühenden Tränen der Clowns, sondern in der stilistischen Vielfalt des ganzen Werkes für den Moment ernst gemeint. Stellt man nun die ganze Geschichte in einen Zirkus, nimmt man ihr einen Teil ihrer Vielfalt. Auch erscheint es eher unwahrscheinlich, dass es Zirkusbesucher geben soll, die  eine Tragödie sehen wollen. Die Regieidee „Zirkus“ ist nun auch wahrhaftig nicht neu und in allen möglichen Varianten ausgiebig abgefrühstückt. Gerade in Kassel, wo während der Sanierung des Theatergebäudes in den Jahren 2004 bis 2007 ein Theaterzelt auf dem Friedrichsplatz als Ausweichspielstätte diente und die reichlich genutzte Möglichkeit gab, auf die gleiche Regieidee zu kommen. Und die These, dass die Zeit der Clowns irgendwie vorbei ist, hat Lorenzo Fioroni mit seiner Inszenierung der Meistersinger von Nürnberg 2010 hier in Kassel ziemlich überzeugend vertreten.

Bild zum Vergrößern

Jaclyn Bermudez (Nicoletta), Johannes An (Truffaldino), Marta Herman (Linetta, vorn)

Kurz gesagt: Die Idee funktioniert nur oberflächlich und nicht wirklich. Das Bemühen komisch zu sein wird stellenweise sogar etwas lästig und langweilig. Und es enttäuscht, wenn man den feinen Witz der Musik mit eher plump-albernem Tun bebildert sieht. Das ist dann doch etwas zu kurz gedacht. Als prägnantes Beispiel sei der Auftritt der Köchin genannt: Zunächst wird ein überdimensionaler Kochlöffel durch den Vorhang der „Bühne auf der Bühne“ geschoben. Wenn die als übermäßig dick ausstaffierte Dame erscheint, rückt sie erst einmal ihren gewaltigen Busen, die Wäsche im Schritt und die Frisur zurecht. Mit versteinerter Mimik wirkt die ganze Szene marionettenhaft, vielleicht auch pantomimisch angehaucht, aber nicht wirklich komisch – auch nicht, wenn sie im tiefsten Bass zu singen beginnt. Fast auf den Tag genau vor 12 Jahren war diese Szene in der Premiere der Vorgänger-Produktion als ein Kabinettstückchen allererster Güte zu sehen: Dieter Hönigs Auftritt mit Brioche-Frisur und Stöckelschuhen ist in Kassel geradezu legendär und wirft einen sehr langen Schatten. In der jetzigen Produktion ist er, wie eine glückliche Erinnerung, wieder dabei und zeigt mit seinen kurzen Auftritten als Herold/Nummern-“Girl“ was echte Bühnenpräsenz ist.

Das zu erreichen ist bei dem ganzen Mummenschanz für die Darsteller eine besondere Herausforderung – müssen sie doch eher als Marionetten oder Abziehbilder agieren.  Sängerisch bleiben ihnen dennoch Gestaltungsmöglichkeiten, zumal ihnen von GMD Patrik Ringborg das geforderte musikalische Feuerwerk in allen Varianten geradezu mustergültig als Klangteppich, nein, sogar als Klanggebäude mit dem bestens disponierten Staatsorchester als Grundlage geliefert wird. Allen voran beeindruckt Tobias Hächler mit warm-lyrischen Tönen und seidigem Glanz als Prinz. Hee Saup Yoon lässt sowohl als König als auch als Köchin  seinen klangvollen Bass strömen. Dass er zuweilen etwas schwerfällig klingt ist Programm. Inna Kalinina ist eine auch stimmlich bezaubernde Zauberin Fata Morgana neben der es Marc-Olivier Oetterli als ihr nicht ganz so stimmstarker Widersacher nicht leicht hat. Ulrike Schneider singt und spielt höchst überzeugend die verführerisch wirken wollende Intrigantin Clarisse. Johannes An ist ein auch stimmlich quicklebendiger Truffaldino, Maren Engelhardt eine fast schon zu schön singende Smeraldina. Ani Yorentz, Jaclyn Bermudez und Marta Herman verleihen den Prinzessinnen-Ballerinen auch stimmlich Anmut und Liebreiz. Der von Marco Zeiser Celesti einstudierte Chor klingt präzise, klangvoll und homogen und setzt der Produktion musikalisch das i-Tüpfelchen auf.

FAZIT

Wieder einmal Zirkus… Eine Regieidee, die dem Stück obendrein nicht in allen seinen Facetten gerecht wird und auch nur momentweise komisch und geistreich ist. Musikalisch aber eine quicklebendige Aufführung voller Elan mit einigen beeindruckenden gesanglichen Leistungen.


Ihre Meinung
Schreiben Sie uns einen Leserbrief
(Veröffentlichung vorbehalten)

Produktionsteam

Musikalische Leitung
Patrik Ringborg*
Alexander Hannemann

Inszenierung
Dominique Mentha

Bühne
Werner Hutterli

Kostüme
Anna Ardelius

Licht
Albert Geisel

Chor
Marco Zeiser Celesti

Dramaturgie
Jürgen Otten

 

Staatsorchester Kassel

Opern- und Extrachor

Statisterie



Solisten

*Premierenbesetzung

König Treff / Köchin
Hee Saup Yoon

Der Prinz, sein Sohn
Bassem Alkhouri
Tobias Hächler*

Prinzessin Clarisse, Nichte des Königs
Ulrike Schneider

Leander, erster Minister
Hansung Yoo

Truffaldino, ein Spaßmacher
Johannes An

Pantalone, ein Höfling
Marian Pop

Tschelio, ein Zauberer
Marc-Olivier Oetterli

Fata Morgana, eine Zauberin
Inna Kalinina

Linetta
Marta Herman

Nicoletta
Jaclyn Bermudez

Ninetta
Ani Yorentz*
Joanna Wydorska

Farfarello, ein Teufel
Ji Hyung Lee

Smeraldina
Maren Engelhardt

Zeremonienmeister
Hyunseung You

Der Herold
Dieter Hönig


Weitere
Informationen

erhalten Sie vom
Staatstheater Kassel
(Homepage)



Da capo al Fine

Zur OMM-Homepage Musiktheater-Startseite E-Mail Impressum
© 2016 - Online Musik Magazin
http://www.omm.de
E-Mail: oper@omm.de

- Fine -