In der Kammeroper kann man aktuell Carmen lieben und sterben sehen. Bizets große Oper in dem kleinen Schmuckkästchen am Fleischmarkt: Ja, geht sich das denn aus? Das tut es, wenn man etliche Szenen samt Chor sowie die kleineren Partien weglässt. Und auch das Orchester wurde reduziert: Violine (S. Gürtler), Kontrabass (G. Breinschmid) und Akkordeon (T. Huber) interpretieren eine von Tscho Theissing erstellte Werkfassung. Da jazzt es manchmal dezent, ist es licht und stimmungsvoll – toll.

Düster ist hingegen die Ausstattung (Patricia Walczak): Carmen haust in einem Dixi-Klo-großen Wohnwagen in einer Vorstadtwüste. Doch von dieser totalen Tristesse lässt sich die Vitale nicht die Stimmung verderben: Alles vibriert an Carmen (Natalia Kawalek), sinnlich, schnell und katzenhaft geschmeidig stellt sie sich Leben und kommenden und gehenden Männern. Seltsam, dass sie sich gerade den José des Thomas David Birch krallt, hat dieser doch noch weniger Strahlkraft als die marode Straßenlaterne im Hintergrund; in der Mittellage wohlklingend, nähert er sich bei den Spitzentönen dem Schreigesang.

Ganz anders Kawalek: Von tragfähiger Tiefe bis zu durchschlagskräftigen Spitzentönen betört sie mit ihrer Stimmfarbenpalette. Nuanciert zu singen versteht auch Tobias Greenhalgh mit seinem noblen Bariton als Escamillo. Mit ihrem klaren, hellen Sopran gefällt auch Viktorija Bakan als Micaela.

Regisseur Andreas Zimmermann betont das Improvisierte. Eine Carmen, ausgebrochen aus den Opernkonventionen, angekommen in Verzweiflungswelten à la Tennessee Williams und Peter Turrini. Sterben muss sie auch in diesen. (end, 8.3.2016)