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"Pelléas et Mélisande": Die Puppen tanzten nicht, sondern erstarrten

Von Michael Wruss, 21. März 2016, 00:04 Uhr
"Pelléas et Mélisande": Die Puppen tanzten nicht, sondern erstarrten
Regisseur Achim Freyer setzte die Figuren in eine surreale Landschaft. (K. Forster) Bild: LANDESTHEATER LINZ/KARL FORSTER

Sensationelle Musiktheater-Premiere von Debussys Oper in der Regie von Achim Freyer.

Auch manchen Buhrufern zum Trotz – diese "Pelléas et Mélisande"-Deutung des deutschen Malers, Bühnenbildners und Regisseurs Achim Freyer war schlicht und einfach sensationell, wenngleich nicht gerade wenig anstrengend und die Aufmerksamkeit des Publikums heftig fordernd.

Denn Freyer geht mit seinem Team (Moritz Nitsche und Sebastian Alphons) an die Wurzeln des Stückes zurück und trifft exakt Maurice Maeterlincks Postulat eines "Théâtre statique", das seine Stärke nicht aus der Handlung erfährt, sondern aus inneren Beweggründen, die Seelenzustände und psychologische Profile der eigentlich nicht handelnden Personen offenlegen. Damit traf er genau mitten ins Bewusstsein einer vor dem Zusammenbruch stehenden dekadenten Gesellschaft, die Ende des 19. Jahrhunderts – Maeterlincks Schauspiel, auf dem Debussys Oper basiert, wurde 1893 in Paris uraufgeführt – auf dem noch schlummernden Vulkan des Ersten Weltkrieges tanzte.

Achim Freyer lässt seine Figuren zu riesigen Puppen erstarren, die bedrohlich auf- und abschweben, aber zueinander keine Beziehung mehr zu haben scheinen. Nur die Schlüsselfigur hat Bewegungsfreiraum, der aber durch überdimensionierte Schuhe erschwert wird. Golaud ist Dreh- und Angelpunkt, und wird in seiner blinden Eifersucht und Ichbezogenheit zum Motor des Tragischen.

Wald reflektierender Scheiben

Er steuert unbewusst das Geschehen, in dem die anderen – vor allem Pelléas und Mélisande – Gefangene ihrer eigenen Leidenschaften sind. Aber nicht nur diese statischen Riesen treffen das Stück am Punkt, sondern auch der Wald von reflektierenden runden Scheiben, die in ihrem Farbenspiel subtil das Innere veräußerlichen und das Fühlen der Protagonisten zum erlebbaren Farbreiz machen.

Ein höchst ausgeklügeltes Farbkonzept steht da dahinter. Eines, das die immerwährende Finsternis quasi als puren Schein bunt und vielfältig erscheinen lässt und erst mit dem Tod Pelléas’ die Realität aufdeckt. Plötzlich verschwinden die Farben, und nacktes, weißes Licht schärft den Kontrast zwischen dem tödlichen Schwarz und dem diffusen Hell der Umgebung. Der von Anfang an anwesende Tod, das sich von der ersten Sekunde abzeichnende Drama, wird offensichtlich und lässt keine romantische Verklärung zu.

Und das ist auch gut so. Denn auch wenn Debussys Musik tonal ist, so ist sie nicht minder radikal in ihrer auf das Klangliche reduzierten Form, in ihrer zwar ständig changierenden, aber doch ganz bewusst angelegten Einförmigkeit. Keine Musik, die Arien präsentiert, sondern die genau wie das Stück und in dem Fall genau wie Achim Freyers farbliche Umsetzung fein nuancierte Varianten des immer Gleichen präsentiert und dabei eine der spannendsten Partituren dieser Zeit generiert.

Meisterleistung des Orchesters

Das umzusetzen ist eine Meisterleistung, die an diesem Abend dem Bruckner Orchester unter Dennis Russell Davies geglückt ist. Nämlich diese scheinbar erklingende Einförmigkeit in dichte Farben zu packen, den musikalischen Fluss neu erlebbar zu machen.

Ideal für die Sänger, die herausragende Leistungen boten. Allen voran Seho Chang, der als Golaud alle Diversitäten seines wirren Charakters genial umsetzt. Fein aber auch Iurie Ciobanu, der dem Pélleas eine klare, nuancierte Stimme lieh und ideal in das Klangfarbenspiel des Orchesters passte. Das tat auch Myun Joo Lee als Mélisande, die dabei ihre Stimme ebenso farblich abstimmte und wie Freyers Farbkonzept unterschiedlich timbrierte. Nikolai Galkin war ein perfekter Arkel, Karen Robertson eine ideale Geneviève und Ville Lignel in der Rolle des Arztes und Hirten, der ständig präsente Tod. Sonderlob für Tabea Mitterbauer, die den Yniold hinreißend umsetzte.

Oper: Premiere von Claude Debussys "Pelléas et Mélisande", Regie: Achim Freyer, Musiktheater Linz, 19. März

OÖN Bewertung:

 

Weitere Vorstellungen am 22. und 26. März, am 13. und 30. April, am 6., 20. und 24. Mai sowie am 27. Juni. Karten gibt’s unter Tel. 0800/ 218 000

 

Achim Freyer: Das Genie hinter „Pelléas et Mélisande“

Er ist Maler, Regisseur, Bühnen- und Kostümbildner und hat mit seiner Bühnenästhetik die deutschsprachige Theater- und Opernszene der vergangenen Jahrzehnte nachhaltig beeinflusst: Achim Freyer. Am 30. März 1934 in Berlin geboren, war er Meisterschüler für Bühnenbild bei Bertolt Brecht am Berliner Ensemble. 1972 setzte er sich während eines Italien-Gastspiels mit „Der gute Mensch von Sezuan“ in den Westen ab. Dort inszenierte er als Regisseur hauptsächlich Opern wie Mozarts „Zauberflöte“ (1982), ein Werk, das er immer wieder interpretierte, u. a. für die Salzburger Festspiele 1997. Österreich ist Freyer eng verbunden. Am Burgtheater inszenierte er unter Claus Peymann ab 1987, auch an der Volksoper war er tätig.

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