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Oper in drei Akten in deutscher und russischer
Sprache mit
Übertiteln Aufführungsdauer: ca. 3 Stunden (eine Pause) Premiere im Großen Haus des Staatstheaters
Braunschweig am 5.
März 2016
Orhan Yildiz (Fürst Jeletzkij)
Nadja Stefanoff (Lisa), Dame Gwyneth Jones (Gräfin) Drei Elemente sind an drei
Personen gekoppelt: Die unglückliche Liebe der Lisa, die Sehnsucht
nach gesellschaftlicher Dazugehörigkeit und finanzieller
Unabhängigkeit des Hermann und die Verbitterung, die die alte
Gräfin so grantig sein lässt. Für seine Neuinszenierung
am Staatstheater Braunschweig, hat Regisseur Philipp Kochheim
diese drei
Elemente mit dem Bühnenbildner Thomas Gruber und der
Kostümbildnerin Gabriele Jaenecke in drei Bilder umgesetzt:
Die Welt, in der sich Hermann gern aufhält ohne wirklich
dazuzugehören ist ein mondäner Salon oder Club, dessen
rohe Steinmauern durch die entsprechenden Accessoires edel aussehen,
die Dekadenz der sich hier heimisch fühlenden Gesellschaft aber
nicht verbergen können. Börsenstände sind auf
Bildschirmen verfolgbar, im Nebenraum steigt eine Party. Der
Maskenball des zweiten Aktes ist eine Hochzeit, die auch hier gefeiert
wird und auf der eine der aufreizend gekleideten Bedienungen als
besungene Zarin verkleidet wird. Es wird viel getrunken und man raucht
Shisha. An PCs werden Geschäfte getätigt.
Lisa lebt mit und in ihrer Garderobe. Sie definiert sich offensichtlich
zunächst durch ihr Äußeres, eine Hülle, die sie im
Laufe der Geschichte immer mehr fallen lässt, bis sie am Ende im
schwarzen Unterkleid fast nackt und gänzlich verletzlich dasteht.
Das Bühnenbild, dass Lisa zugeordnet ist, zeigt daher auch einen
übergroßen Kleiderschrank bzw. ein Ankleidezimmer.
(Für eine Frau stehen darin aber eigentlich viel zu wenig Schuhe…).
Die Gräfin steht für die Vergangenheit, in der sie eine
große Diva war. Die
Möbel in ihrem Zimmer sind mit weißen Tüchern abgedeckt
unter denen die Geister der Vergangenheit leibhaftig
hervorkriechen, um den Raum zu bevölkern. Ein Gartenpavillon
schwebt vom Schnürboden herab und erinnert an eine Zeit, in der
Gesellschaften und Einladungen zum Tee noch eine ganz andere Bedeutung
hatten.
In diesen drei
Bühnenbildern spielt die ganze Geschichte. Es gibt keine
Petersburger Promenade, kein Schäferspiel, keine Kaserne, kein
Newa-Ufer – aber das erwartet man ja auch nicht wirklich. Im ersten Akt
funktionieren die Bilder auch sehr gut und man erlebt eine durchaus
stimmige Übertragung in die Jetztzeit, in der die russische
Geschichte
(politisch und künstlerisch) angedeutet oder deutlich
gezeigt wird (von Lenin über Kandinsky bis zu Putin). Im weiteren
Verlauf überzeugt die Umsetzung dann weniger. Vor allem die Szene
im Gemach der Gräfin ist völlig überladen und damit
ihrer ganz besonderen Dämonie beraubt. Dass Lisa Hermann zu sich
nach Hause zur Aussprache einlädt ist eher unwahrscheinlich
und nimmt ihr auch die Gelegenheit sich in die Fluten der Newa zu
stürzen. Warum man das finale Kartenspiel über die Computer
spielen muss, erklärt sich nicht wirklich, denn auch heute noch
werden mit echten Karten Vermögen verspielt und gewonnen und es
wird auch in dieser Produktion an anderer Stelle ganz klassisch mit
Karten gespielt. Da sind
wohl die Modernisierungspferde mit dem Team durchgegangen. Auf diese
Weise wird auch nicht klar, dass Hermann – sich seiner Sache absolut
sicher – am Schluss aus Versehen die
falsche Karte spielt. Etwas zu plakativ ist
auch sein Untergang bebildert, der zeigt, wie er sich in der Kabellage
seines Verlierercomputers verheddert oder gar stranguliert.
Kor-Jan Dusseljee (Hermann), Dame Gwyneth Jones
(Gräfin) Eine große Stärke
dieser Produktion ist die sehr intensiv gestaltete Personenregie, die
selbst die kleinsten Rollen ganz individuell zeichnet. Eindrucksvoll
erscheint die Entwicklung der Lisa von der kühlen verschacherten
Verlobten zur romantischen, liebenden Frau bis zur wahnsinnig lachenden
Abservierten, die sich nicht umbringt, sondern als Jeletzkis Gattin
weiterleben muss. Noch eindrucksvoller entwickelt sich Hermann vom
sehnsüchtig liebenden, mit dem Feuer spielenden, sich in Gefahr
begebenden und darin umkommenden Außenseiter, der zu einer
Gesellschaft dazugehören will, in die er nicht gehört.
Schade nur, dass ausgerechnet die Vielschichtigkeit und
Individualität der Gräfin nicht ausgearbeitet wurde. Als
einzige wirkt sie wie eine Wachspuppe, der man weder die Giftigkeit
oder den Lebensverdruss, weder die Herrschsucht über Lisa, noch
die Sorge um sie und schon gar nicht das Dämonische, ja
Mumienhafte ansieht. Das ist besonders schade, weil man mit der
inzwischen 79jährigen (in diesem Alter darf man es nennen) Dame
Gwyneth Jones eine Charakterdarstellerin erster Güte zur
Verfügung hätte. Für die große Szene der
Gräfin braucht man eigentlich nur sie selbst, vielleicht noch ein
paar alte Bilder auf einer Kommode. Das ganze hier aufgefahrene
Brimborium kann man sich sparen, aber es ist wohl dem Drang so vieler
Regisseure geschuldet, alles überdeutlich zu zeigen und jedes
Detail zu bebildern, anstatt auf die Gestaltungskraft der
Sängerpersönlichkeiten zu vertrauen. Schade – aber dennoch
bietet Dame Gwyneth eine beeindruckende Leistung, nicht nur trotz,
sondern auch wegen zum Teil brüchiger Stimme. Es ist ein
anrührendes Wiedersehen, mit einer der ganz großen
Hochdramatischen des letzten Jahrhunderts, die immer noch eine
enorme Bühnenpräsenz hat. Eine Grande Dame par
excellence. Die Idee, dass Hermann sich im Zimmer der Gräfin nicht
versteckt, sondern in alten Filmrollen eine Aufnahme von Gwyneth Jones
als Venus im Tannhäuser
(mit Spas Wenkoff, Bayreuth 1978) aufsucht und abspielt, ist nicht nur eine
Reminiszenz an die Künstlerin, sondern zielt auch darauf, dass man die
Gräfin laut Libretto in ihren jungen Jahren als „Moskauer Venus“
bezeichnet hat.
Gesungen wird in Braunschweig
auf hohem Niveau, wobei man nicht vergessen darf, dass im Haus eine
„Akustikverbesserungsanlage“ installiert ist, die die Stimmen
größer und voluminöser und das Orchester sehr
präsent, ja zuweilen sogar zu laut klingen lässt.
Nichtsdestotrotz entfesselt Dirigent Adrian Müller die
Leidenschaften dieser grandiosen Musik ebenso intensiv wie die
melancholisch-sehnsüchtigen Elemente. Das Staatsorchester folgt
ihm mit der glücklichen Kombination von Leidenschaft und Exaktheit
und auch der bestens einstudierte Chor hinterlässt einen sehr
guten Eindruck. Kor-Jan Dusseljee setzt die oben beschriebene
Entwicklung auch stimmlich um und ist für den gleichfalls unsteten
wie leidenschaftlichen Hermann mit klangvollen, zuweilen leicht rauen
Tönen eine gänzlich überzeugende Besetzung. Nadja
Stefanoff begeistert und berührt als Lisa mit beseeltem und dabei
doch immer klarem und ausdrucksvollem Sopran. Orhan Yildiz singt
hochkultiviert den Fürsten Jeletzkij, Oleksandr Pushniak ist ein
stimmvoller Graf Tomskij und sei stellvertretend für die kleineren
Rollen genannt, die in dieser Produktion überzeugend bis
luxuriös besetzt sind. Ein besonderes Lob gebührt der
allgemeinen Textverständlichkeit, die für die hier
gewählte Kombination von deutscher Übersetzung und russischer
Originalsprache besonders wichtig ist.
FAZIT Eine
musikalisch und sängerisch herrliche und trotz gewisser szenischer
Einschränkungen unbedingt lohnende und empfehlenswerte Produktion.
Musikalische
Leitung
Inszenierung
Bühne Kostüme Chor Dramaturgie
Staatsorchester Braunschweig Chor des Statisterie des
Solisten *rezensierte Aufführung
Lisa
Hermann
Die Gräfin
Fürst Jeletzkij
Graf Tomskij
Polina
Gouvernante
Tschekalinskij
Ssurin
Tschaplitzkij
Narumow Mascha
Weitere
Informationen
Pique
Dame
nach einer Erzählung von Alexander Puschkin,
deutsche Textfassung von Bettina Bartz und Werner Hintze
Musik von Peter I.
Tschaikowsky
(rezensierte Vorstellung: 20. März 2016)
Staatstheater Braunschweig
(Homepage)
Pique Dame mit Grande Dame
Von
Bernd Stopka / Fotos
von
Volker Beinhorn
Sie steht im Schatten ihrer
Schwesternoper, die eigentlich ein Bruder und noch viel mehr ein
Vorfahre ist: Tschaikowskys Pique
Dame hat so viele Ähnlichkeiten
mit Eugen Onegin, dass man
durchaus ein gleiches Schema entdecken kann.
Doch trotz aller Inhalts- und Aufbauparallelen und dem
unüberhörbaren Stil Tschaikowskys ist Pique Dame ein
höchst individuelles Werk, in dem der Komponist sein
Liebes- und Lebensdrama ebenso wie seine Todessehnsucht
wiedergefunden und in Musik gesetzt hat.
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Produktionsteam
Adrian Müller
Philipp Kochheim
Thomas Gruber
Gabriele Jaenecke
Georg Menskes,
Johanna Motter
Sarah Grahneis
Staatstheaters Braunschweig
Staatstheaters Braunschweig
Nadja Stefanoff
Kor-Jan Dusseljee*
Zurab Zurabishvili
Dame Gwyneth Jones
Orhan Yildiz
Oleksandr Pushniak
Sofiya Palamar*
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