Wenig Raum bleibt den Frauen in Mariusz Trelinskis "Tristan und Isolde"-Inszenierung bei den Osterfestspielen Baden-Baden. Das rächt sich: Eva-Maria Westbroek und Stuart Skelton in den Titelpartien.

Foto: Monika Ritterhaus

Lediglich in der Osterwoche werden die Berliner Philharmoniker für eine einzige Musiktheaterproduktion vom Konzertpodium in den Orchestergraben verbannt. Vor fünfzig Jahren gründete deshalb ihr damaliger Chefdirigent Herbert von Karajan die "Osterfestspiele". Vor vier Jahren sind die Berliner mit ihrem jetzigen Leiter Sir Simon Rattle von Salzburg nach Baden-Baden umgezogen, in das 1998 dort eröffnete Festspielhaus. Es ist das größte Opernhaus Deutschlands und wie die Osterfestspiele in der Stadt Salzburg ein fast ausschließlich privatwirtschaftlich betriebenes Unternehmen.

Den elitären, exklusiven Charakter der Osterfestspiele unterstützt sicherlich ein Ausnahmewerk wie Richard Wagners ästhetische Grenzen vielfach überschreitendes Liebes- und Todesdrama Tristan und Isolde, das sich allerdings nicht leicht in szenische Aktionen umsetzen lässt. Herbert von Karajan inszenierte Tristan und Isolde bei den Osterfestspielen 1972 für sein Orchester selbst, ein etwas belächelter Gegenentwurf zu den symbolistischen Deutungen in Bayreuth.

Meereswellen, Radarschirm

Doch auch wenn nun Simon Rattle musikalisch eindringlich im Vorspiel in Tristans Welt einführt, ist fraglich, ob die Musik die szenische Unterstützung braucht. Ein Radarschirm, vor allem mit Meereswellen und Schiffsbug, wird als platter Videoclip (Video: Bartek Macias) flimmernd auf den Vorhang projiziert. Man senkt zunächst den Blick.

Tristan und Isolde ist für Regisseur Mariusz Trelinski und Bühnenbildner Boris Kudlicka ein sehr dunkles Nachtstück mitten auf dem Meer: die düstere Welt eines modernen Kriegsschiffes voller brutaler Militärs und ordenbesetzter Offiziere. Auch Tristan trägt eine Pistole und richtet einen Gefangenen hin – vermutlich ist Morold gemeint. Für Frauen wie Isolde und ihre bebrillte Sekretärin Brangäne (Sarah Conolly) ist da wenig Platz.

Die Liebenden treffen sich heimlich in der finsteren Lobby des Schiffes. Das funktioniert zwar hin und wieder als Verdeutlichung durchaus, und die düstere Szenerie scheint bisweilen ein wenig an Lars von Triers Film Melancholia zu erinnern. Doch wenn im Liebesrausch von Tristan und Isolde nur Meereswellen und Scharen von Vögeln projiziert werden, ist dies – ganz im Gegensatz zur nie an Spannung und Überraschung nachlassenden Musik Wagners – unangenehm banal. Allerdings geben sich die Berliner Philharmoniker mit ihrem Dirigenten nicht den rauschhaften Exzessen der Musik hin, sondern spielen kontrolliert, betörend klar und eröffnen dabei immer wieder geradezu existenzielle Abgründe.

Unter den Stimmen kann sich besonders eindrucksvoll Stuart Skelton gegenüber den Orchesterwogen behaupten; er debütierte als Tristan. Bewundernswert wechselt seine kräftige Stimme auch noch nach vier Stunden in weichen lyrischen Klang!

International gut verkauft

Auch Eva-Maria Westbroek stemmt ihre riesige Partie mühelos, wenngleich nicht ganz so abwechslungsreich wie ihr Partner. Aufhorchen lassen auch der resolute jugendliche Kurnewal von Michal Nagy und ein ruhiger, klarer König Marke (gesungen von Stephen Milling).

Das Festspielhaus in Baden-Baden konnte die Produktion international gut verkaufen; die Inszenierung wird zur Eröffnung der Saison an der New Yorker Met gezeigt, auch an der Nationaloper in Peking und in Warschau, allerdings ohne die Berliner Philharmoniker. Die werden das Werk Ende März nach Hause bringen, konzertant ganz ohne Bebilderung auf dem Podium der Philharmonie. (Bernhard Doppler, 24.3.2016)