Donnerstag, 28. März 2024

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Uraufführung in Mannheim
Bernhard Langs neues Musiktheaterwerk "Golem"

Regisseur Peter Missotten hat Bernhard Langs Musiktheater "Der Golem" am Nationaltheater Mannheim uraufgeführt. Das Werk in 22 Szenen nach Gustav Meyrinks Romanvorlage ist genau und hoch konzentriert gearbeitet. Allerdings stimmt die Mischung aus inhaltlichem Overkill und szenischer Zurücknahme nicht so recht.

Von Jörn Florian Fuchs | 17.04.2016
    Das Nationaltheater Mannheim, aufgenommen 2004
    Das Nationaltheater Mannheim (picture-alliance / dpa / Ronald Wittek)
    Düster und verschwommen geht es los. Merkwürdige Sachen sieht man auf der Bühne des Mannheimer Opernhauses, ganz hinten eine Reihe von Leinwänden, auf denen die Natur – per Video – vor allem in Form von Ästen anwesend ist. Weiter vorn steht ein kleines, halbtransparentes Häuschen, links eine schiefe Skulptur. Auch diese Objekte sind Projektionsflächen für abstrakte Formen und konkrete Figuren, wie den sich häufig verdoppelnden Golem, ein nacktes, männliches, sehr unheimliches Wesen.
    Peter Missotten installiert das Geschehen eher, als dass er inszeniert
    Regisseur und Filmkünstler Peter Missotten hatte zunächst einen artifiziellen Stummfilm gedreht, auf den Bernhard Lang dann kompositorisch reagierte. Gustav Meyrinks Romanvorlage wird in 22 Szenen übersetzt, die binnen 80 Minuten ablaufen, was doch ziemlich anstrengend ist. Viele seltsame Dinge geschehen, zahlreiche Figuren tauchen auf. Man muss, selbst wenn man den Roman kennt, doch die Übertitel mitlesen, um alle Einzelheiten einigermaßen zu verstehen. Peter Missotten installiert das Geschehen eher, als dass er eine wirkliche Geschichte oder Geschichten inszeniert. Da schleichen Männer mit Spitzhüten umher, überhaupt wird viel geschritten und wenig agiert. Manche Akteure wirken eher wie Conférenciers, nehmen sich ein Mikro, singen und spielen das Publikum direkt an. Ständig schneit es auf der Bühne und via Video.
    Das ist alles schon genau und hoch konzentriert gearbeitet, allerdings stimmt die Mischung aus inhaltlichem Overkill und szenischer Zurücknahme irgendwie nicht so recht. Ganz links sitzt der exzellente Mannheimer Opernchor auf einer Tribüne und greift immer wieder mahnend oder kommentierend ins Geschehen ein. Der Chor ist auch Stimme des Unbewussten und manchmal gleichsam Stimmungsbarometer für die folgenden Situationen. Im Zentrum des Ganzen steht Athanasius Pernath, er gerät immer tiefer in einen Strudel aus Gedanken und Visionen – mitten hinein in Gustav Meyrinks komplexe Mythen-Welt voller Windungen und Wirrnisse.
    Eine Reflexions- und Erinnerungsmaschine
    Bernhard Lang schrieb einen Soundtrack, der Jazziges mit drohend aufsteigenden Blechtönen, Tanzrhythmen mit Klezmer-Anklängen, feinste instrumentale Soli mit kraftvoll strukturierten Orchestertutti verbindet. In letzter Zeit arbeitete Lang meist sehr kopflastig, jagte etwa Anton Bruckners erste Symphonie durch diverse Computeralgorithmen oder trieb sein berüchtigtes Spiel um Differenz und Wiederholung in Sphären, die außer ihm wohl niemand mehr recht versteht. Auch beim "Golem" gibt es jede Menge Loops, mehrfach wiederholte Stellen, doch hier passt das. Das ganze Stück ist quasi eine Reflexions- und Erinnerungsmaschine, die Figuren verheddern sich auch musikalisch im Gestrüpp aus realen Erlebnissen und surrealen Visionen. Raymond Ayers in der Partie des Athanasius Pernath führt ein sehr geschlossenes, auf hohem Niveau agierendes Ensemble an. Joseph Trafton sorgt am Pult des Mannheimer Opernorchesters für die nötige Straffheit und Transparenz und auch Lockerheit. Denn das ist das tatsächlich Neue, Ungewöhnliche an Langs "Golem", es gibt organisch fließende Passagen und sogar mehrfach Humor und Komik. Davon hätte man sich in der Inszenierung freilich ein bisschen mehr gewünscht.