Staatsoper: Königliche Stimmen in Verdis Königsdrama

Ein Renato von bewegender Autorität: Dmitri Hvorostovsky (l.) mit Piotr Beczala als König.
Ein Renato von bewegender Autorität: Dmitri Hvorostovsky (l.) mit Piotr Beczala als König.(c) Staatsoper/Michael Pöhn
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Jubelstürme für „Ballo in maschera“, glanzvoll neu besetzt mit Beczala, Stoyanova und Hvorostovsky.

Es war wie im Stadt-Theater und beinahe noch schöner“, findet der überglückliche Hanno Buddenbrook, als er zu Weihnachten sein ersehntes Puppentheater bekommt, eine prächtig dekorierte Kartonbühne, wie Thomas Mann selbst eine besessen hat. Was Emanuele Luzzati 1986 für „Un ballo in maschera“ an der Staatsoper als Szenerie gebaut hat, bläst genau so ein Spielzeugtheater auf reale Größe auf, zu einer barocken Überfülle, die trotz bewusster Zuspitzung und bei aller Liebe zum historischen Detail papieren wirkt. Wenn allerdings eine so starke Besetzung wie diesmal Verdis Figuren mit prallem Leben erfüllt, dann kann das Bühnenbild getrost als Nebensache gelten.

Das Duett im Mittelakt, in dem König Gustav und Amelia nachts an der Hinrichtungsstätte einander ihre Liebe gestehen, ist durch sein schauderndes Liebäugeln mit dem Tod gewissermaßen Verdis heißblütiges Pendant zu Wagners esoterischem „Tristan“. Piotr Beczala und Krassimira Stoyanova steigerten die Szene vom zärtlichen Schmeicheln bis zur fulminanten gemeinsamen Krönung auf dem hohen C – und angesichts minutenlangen Jubels und deutlicher „Bis!“-Rufe schien sogar eine Wiederholung im Raum zu stehen, wie sie unlängst Jonas Kaufmann in beiden „Tosca“-Vorstellungen gewagt hatte – zum Entzücken des Publikums (und deutlich geringerer Freude der Primadonna Angela Gheorghiu).

Dass sie klugerweise ausblieb, tat der Intensität des Abends keinen Abbruch. Auch darstellerisch zeichnet Beczala den Schwedenkönig zwischen der Last der Krone, einer unglücklichen Liebe und jugendlichem Übermut mit präzisen Mitteln plastisch. Vom Stimmtypus her und sogar im Timbre tendiert er bereits zum heldischeren Aplomb eines Neil Shicoff, hat aber trotz wachsenden Vokalgewichts nichts an Wendigkeit eingebüßt. Dass er auf stilreine Linie und elegante Phrasierung höchsten Wert legte, machte seine Leistung besonders eindrucksvoll. Ehrensache, dass er in beiden Strophen von „Di tu se fedele“ den extremen, heiklen Tredezimsprung vom hohen As über mehr als eineinhalb Oktaven hinab zum c wie notiert ausführt: Den haben sich etliche namhafte Kollegen auf eine bequeme Sext verkürzt. Zart tönen seine „dolci canzoni“, klangvoll und doch glaubwürdig haucht er zuletzt sein Leben aus.

Im langen Atem tut es ihm Dmitri Hvorostovsky als unglücklicher Königsmörder gleich. Nach einer zweiten Zwangspause wegen schwerer Erkrankung zurück auf der Bühne, wurde er mit Auftrittsapplaus begrüßt. Im Klang wohl weniger gerundet als zuletzt, sondern charaktervoll aufgeraut, aber mit sonoren, sicheren Spitzentönen, erfüllte er den Renato mit bewegender Autorität.

Stoyanova leidet wahrlich kultiviert

Stoyanova ist zwischen den beiden eine wahrlich kultiviert leidende, hin und hergerissene Amelia, die ihren Seelenschmerz in ausdrucksvolle Kantilenen von perlmuttartig indirektem Schimmer kleidet. Unmittelbaren Sopranglanz mochte man bei ihr diesmal vermissen, doch steuerte im Konzert der Stimmen dieser ausgewogenen Besetzung Hila Fahima als ein Oscar von liebreizender Leichtigkeit jenes silbern-instrumentale Glitzern bei, das in den erdhaften Klängen von Nadia Krastevas Ulrica sein tiefes Gegenstück besaß. Im Orchester glänzten vor allem die Soli von Cello, Flöte und Harfe – und trotz einiger Wackler besonders im dritten Akt sorgte Jesús López Cobos am Pult für einen sicheren Ablauf des Abends: Mögen die Folgevorstellungen „beinahe noch schöner“ werden.

Weitere Termine: 23., 26. und 29. April.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.04.2016)

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