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Donald verhökert die Tochter

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Unterwegs auf hoher See: Wenigstens optisch macht die Mainzer Inszenierung etwas her.
Unterwegs auf hoher See: Wenigstens optisch macht die Mainzer Inszenierung etwas her. © Martina Pipprich

Die Aufführung überzeugt nicht. Mit der Frankfurter Produktion kann sie jedenfalls nicht mithalten.

Wer in der Region eine musikalisch geschlossene Aufführung des „Fliegende Holländers“ erleben möchte, sollte sich beeilen: Die Oper Frankfurt spielt Wagners frühes Werk in dieser Saison zum letzten Mal am 23. April. Die Neuproduktion, die jetzt in Mainz Premiere hatte, bleibt hinter der Frankfurter Aufführung nämlich klar zurück.

Dabei gibt es in Anselm Dalferths Staatstheater-Inszenierung durchaus schlüssige Ansätze. So ist der mysteriöse Holländer kein Fremder, sondern einer aus der Mitte der Gesellschaft. Der sich, sobald er sich von der Einheitsperücke unter den Matrosen Dalands befreit hat, zu seinem großen Monolog aufschwingt: „Die Frist ist um.“ Derrick Ballard aus dem Mainzer Ensemble singt Wagners Titelfigur des geheimnisvollen Seemanns, der alle sieben Jahre an Land geht, um die Liebe einer Frau und darin Erlösung und endlich den Tod zu finden, mit nie nachlassender Energie, Wucht, aber auch erfreulich reicher Piano-Kultur. Allerdings bot der 42-jährige Bassbariton einen recht einsamen Höhepunkt in einer Premiere, die musikalisch weitgehend nicht überzeugen konnte und auch szenisch zu disparat blieb.

Kapitalisten-Kalauer

Dalferths Inszenierung bezieht ihre Reize am ehesten aus dem Bühnenbild von Etienne Pluss. Denn in der offenen Schiffsseite mit ihren Setzkasten-Räumchen mag für jeden Zuschauer etwas dabei sein. Auf Distanz gehaltene Romantik in einem Naturgemälde, eine Uhr ohne Ziffern und Zeitanzeige, ein Prolet als Steuermann, der aus der emotionalen Not seiner Mitmatrosen Profit schlägt und nackte Traumbilder verkauft. Er ist der beste Mann von Kapitän Daland, der in Wagners Urfassung noch Donald hieß und nun tatsächlich als blondes Trump-Double auftritt. Ein Kalauer zwischen Kapitalisten: Daland verhökert schließlich die eigene Tochter an den Holländer.

Gewiss gibt es viel zu sehen in diesem neuen Mainzer „Holländer“. Zum Beispiel, wenn in einem Bild von großer Naivität parareligiös dem goldenen Mammon gehuldigt wird. Oder wenn die dauergewellten Damen im Spinnerinnen-Chor fleißig mit Textilem werfen (Kostüme: Kathi Maurer).

Ein anderes, ein stummes Bild dagegen hatte zu Beginn der vom Premierenpublikum mit zurückhaltender Gelassenheit aufgenommenen Inszenierung zunächst noch neugierig gemacht: Senta sieht die vom Engelspfeil durchbohrte Heilige Theresa als Vision des Mitleids. Am Ende wird Senta ein riesiges, blutig herunterbaumelndes Organ malträtieren.

Das Disparate der Erzählhaltung spiegelt sich zu häufig auf der musikalischen Seite wider. Mal lässt Generalmusikdirektor Hermann Bäumer, wie in der Ouvertüre, die Wogen über Gebühr aufeinander losbrechen, dann gibt es blutleere Passagen. Vor allem geht im Orchestergraben zu viel daneben, bei den Hörnern besonders, aber auch in der Abstimmung mit der Bühne. Dabei wirken die Chöre von Sebastian Hernandez-Laverny profund vorbereitet, klingen in sich stattlich und geschlossen, werden von Bäumer allerdings häufig zu ungenau ins Ganze eingebunden.

Borderline-Syndrom

Dass die Solisten, vom grandiosen Holländer Derrick Ballards abgesehen, sich ins Szenische häufig nur schablonenhaft einfügen, könnte mit mancher Überforderung zu tun haben. Hans-Otto Weiß sollte keinen Daland mehr singen, so statisch und eintönig tritt er auf, wobei das Einheitsdunkel seiner diffusen Vokale besonders stört. Viel zu scharf, viel zu forciert klingt Linda Sommerhages geheimnislose, allzu druckvolle Senta. Und Alexander Spemann geht die Tenorpartie des von Senta verlassenen Erik selbst disparat an, mal wuchtig aus der Brust, mal mit der Ahnung kantabler Höhenlinien, fast immer aber forciert. Steven Ebels Steuermann und Katharina von Bülow als offenbar vom Borderline-Syndrom heimgesuchte Amme Mary werteten ihre Partien vor allem darstellerisch auf. Insgesamt bekundete das Premierenpublikum große, aber doch nicht überbordende Zustimmung für die musikalische Seite.

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