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Kultur / Lesedauer: 3 min

Altes wiederentdeckt: Die Oper „Veremonda“ nach langer Zeit wieder auf der Bühne
Veröffentlicht:01.05.2016, 18:29

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Francesco Cavallis Oper „Veremonda“ eröffnet die 65. Schwetzinger SWR-Festspiele.

Pünktlich zur Fliederblüte beginnen in Schwetzingen jedes Jahr die traditionsreichen SWR-Festspiele. Sechs Wochen lang geben sich international bekannte Klassik-Künstler und Nachwuchsstars auf den Bühnen des historischen Rokoko-Schlosses die Ehre. Die 65. Festivalsaison ist nun mit einer fulminanten Produktion von Francesco Cavallis Oper „Veremonda, l’amazzone di Aragona“ eröffnet worden. Bis zum 4. Juni steht neben 46 Konzerten zudem eine Musiktheater-Neuheit auf dem Programm.

Gemäß der bewährten Schwetzinger Dramaturgie „Altes wiederentdecken, Neues wagen“ findet am 27. Mai die Uraufführung von Georg Friedrich Haas’ Oper „Koma“ statt. Das Stück mit einem Libretto des Tiroler Dramatikers Händl Klaus ist bereits das dritte Auftragswerk, das Georges Delnon als Musiktheaterchef der Schwetzinger Festspiele bei den beiden österreichischen Künstlern bestellt hat.

Stück wurde wieder ausgegraben

Als Schwetzinger Koproduktion mit dem Staatstheater Mainz kam nun erstmals seit mehr als 360 Jahren Cavallis „Veremonda, die Amazone von Aragon“ in Europa wieder auf die Bühne. Das Stück wurde im vergangenen Jahr beim amerikanischen Spoleto-Festival „ausgegraben“. Die Uraufführung fand vermutlich zum Karneval 1652 oder 1653 in Venedig statt. Entsprechend „verkehrt“ ist die Welt, die das dichterisch reiche Libretto von Giulio Strozzi in einem Prolog und drei Akten schildert. Die Handlung spielt in der Zeit der spanischen Reconquista, als christliche Herrscher nach und nach den mehr als ein halbes Jahrtausend lang von muslimischen Mauren regierten Süden der iberischen Halbinsel zurückeroberten. In der Oper stehen sich König Alfonso von Aragon und die maurische Königin Zelemina mit ihren Heeren gegenüber. Da sich aber Aragons Feldherr Delio nachts zu Schäferstündchen mit Zelemina trifft, wird der Krieg ausgesetzt. Alfonso zeigt zudem wenig Lust zum Kämpfen.

Regie sorgt für aktuelle Bezüge

Bei Cavalli ist der aragonische König ein weltabgewandter Wissenschaftler, der mit seinem Fernrohr nachts in die Sterne guckt und in einer schwärmerischen Arie das Mondlicht preist. Mit diesem „Pazifisten“ ist kein Krieg zu machen. Da müssen schon die Frauen an die Waffen. Alfonsos Gattin Veremonda stellt eine Amazonentruppe zusammen. Als sie hinter Delios heimliche Treffen mit Zelemina kommt, droht sie dem Verräter mit dem Tod. Doch der gewiefte Kerl schafft es, ihr diese Affäre als Trick zur Überrumpelung Zeleminas zu verkaufen.

Die vom Schauspiel kommende Regisseurin Amélie Niermeyer erblickt in diesem Amazonendrama voller Shakespearescher Intrigen und Täuschungen viele aktuelle Bezüge. Für die Dramaturgin Tina Hartmann sind Veremonda und Zelemina starke Frauenfiguren, die gar in heutige Diskussionen über die Krise des Feminismus passen.

Niermeyer hat die Kehrtwendungen der Protagonisten mit den Darstellern szenisch intensiv erarbeitet. Alfonso (der exzellente Countertenor Matthias Rexroth) ist in dieser Inszenierung keineswegs ein Schwächling. Niermeyers gründliche Personenführung harmoniert bestens mit der Einstudierung der im Tempo flexiblen Rezitative. Sie lag in den Händen von Gabriel Garrido, einem erfahrenen Spezialisten für altitalienische Oper. Da Garrido bei Proben zweimal stürzte, dirigierte sein Assistent Andrés Locatelli die Premiere.

Hervorragend singen auch Alexandra Samouilidou (Zelemina), Lawrence Zazzo (Delio), Netta Or (Veremonda), Stefan Sevenich (Roldano), Johannes Mayer (Zeriffo), Ralf Simon (Don Buscone) und die weiteren Gesangssolisten dieser Produktion. Im Graben bewährt sich das brillant spielende Ensemble Concerto Köln. Stefanie Seitz hat sich bei ihrem modernen Bühnenraum von der Barockbühne mit ihren nach hinten gestaffelten Seitengassen inspirieren lassen. In der Mitte führt ein Wassergraben von vorn nach hinten. Er trennt Aragoner und Mauren, die Kirsten Dephoff in fantasievolle Kostüme gesteckt hat.

Weitere Aufführungen am 3. und 4. Mai. Karten gibt es im Internet unter: www.schwetzinger-swr-festspiele.de