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65. Schwetzinger SWR Festspiele

29.04.2016 - 04.06.2016

Veremonda, l'amazzone di Aragona

Oper in drei Akten und einem Prolog
Libretto von Giulio Strozzi
Musik von Francesco Cavalli


In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 3 h 15' (eine Pause)

Koproduktion mit dem Staatstheater Mainz

Premiere im Rokokotheater am
29.04.2016
(rezensierte Aufführung: 01.05.2016)

 


 

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Conchita Wurst im Reich der Amazonen

Von Thomas Molke / Fotos: SWR / Martina Pipprich

Obwohl Francesco Cavalli nach dem Tod von Claudio Monteverdi zum berühmtesten und meistgespielten venezianischen Komponisten seiner Zeit avancierte, der anders als seine Vorgänger Opern nicht mehr zu Repräsentationszwecken schuf, sondern für öffentliche Opernhäuser komponierte und damit den Unterhaltungswert in den Vordergrund stellte, stehen von seinen mehr als 30 Opern heutzutage höchstens noch La Calisto, La Didone und Il Giasone ab und zu auf den Spielplänen der Opernhäuser. Unter seinen restlichen Werken, die derzeit in einer großen kritischen Gesamtausgabe bei Bärenreiter neu herausgegeben werden, befindet sich auch eine Oper, die den Islam zum Thema hat zu einer Zeit, als sich das gängige Opernrepertoire eigentlich nur der griechischen Mythologie und der römischen Antike bediente. Nachdem Veremonda, l'amazzone di Aragona vor einem Jahr beim Spoleto Festival in Charleston zum ersten Mal seit dem 17. Jahrhundert wieder zur Aufführung gelangte, ist die Oper nun bei den Schwetzinger SWR Festspielen als deutsche Erstaufführung zu erleben.

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Veremonda (Netta Or) bezichtigt Delio (Lawrence Zazzo) des Hochverrats.

Das Stück spielt zur Zeit der spanischen Reconquista im Jahr 1244 in der Stadt Calpe in der Nähe von Granada. Hier wird die maurische Königin Zelemina von dem spanischen König Alfonso, der sich als lose Anspielung auf Alfons X. verstehen lässt, belagert. Doch die Spanier nehmen Calpe nicht ein, weil der spanische Heerführer Delio ein Verhältnis mit Zelemina hat und sich nachts heimlich mit ihr in der Stadt trifft. Während sich der König lieber mit Astrologie als mit Kriegsführung beschäftigt, brennt seine Frau Veremonda darauf, gemeinsam mit ihren kriegerischen Hofdamen die Stadt endlich zu erobern. Über ihre Dienerin Vespina, die ein Verhältnis mit Delios Diener Zeriffo hat, erfährt sie von Delios heimlicher Beziehung. Als sie ihn zwingt, sie mit den Amazonen in die Stadt zu führen, lässt sich Delio scheinbar darauf ein. Aber er hat noch eine Rechnung mit der Königsfamilie offen, da Alfonsos Vater einst Delios Mutter vergewaltigt haben soll. Deswegen lockt er Veremonda in einen Wald, um ihr ebenfalls Gewalt anzutun. Veremonda kann sich nur mit Liebesbekundungen retten und begleitet als verkleideter Mann Delio nach Calpe. Zeleminas Amme Zaide vermutet hinter dem Unbekannten eine Frau und schürt Zeleminas Eifersucht. Inzwischen wird Alfonso mitgeteilt, dass Veremonda sich mit Delio nach Calpe begeben habe. Da seine Gattin außerdem der Untreue bezichtigt wird, beschließt der König, nun selbst gegen die Stadt vorzugehen. Die Spanier nehmen Calpe ein. Veremonda und Delio beteuern, dass alles nur eine List gewesen sei, um die Stadt zu erobern. Zelemina konvertiert zum christlichen Glauben und wird Delios Frau, während im Schlusschor dazu aufgefordert wird, die übrigen Mauren zu töten.

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Vespina (Polina Pasztircsák, links) mit La Vendetta (Miriam Gadatsch, rechts)

Das Regie-Team um Amélie Niermeyer verortet die Geschichte nicht im 13. Jahrhundert, sondern wählt einen zeitlosen Ansatz, um die Aktualität der Geschichte hervorzuheben. Dabei erschließen sich nicht alle Ideen. Unklar bleibt beispielsweise, wieso die allegorischen Figuren, die im Prolog und am Ende des ersten und zweiten Aktes auftreten, mit den langen schwarzen Haaren und den Bart auf Conchita Wurst anspielen. Für die kriegerischen Frauen hätte man es noch nachvollziehen können, falls man damit unterstreichen wollte, dass die Amazonen nur männliche Krieger in Frauenkleidern sind. So erschließt sich dieser Ansatz allerdings nicht. Auch das Bühnenbild von Stefanie Seitz wirft einige Fragen auf. Was soll der Fluss, der die Bühne in der Mitte in zwei Hälften teilt? Soll er die Trennung zwischen Christentum und Islam markieren? Das wird allerdings nicht konsequent durchgehalten, da die einzelnen Seiten keineswegs den jeweiligen Glaubensrichtungen vorbehalten sind. Auch die zahlreichen Holzkisten, die auf die Bühne getragen werden, und die Leitern, auf denen die Solisten teilweise in schwebender Höhe ihre Arien singen müssen, lassen keinen tieferen Sinn erkennen, vor allem nicht, wenn sie nach der Pause übereinander gestapelt auf der Bühne liegen. Sollen sie ein Bollwerk darstellen, das Calpe gegen den Angriff der Spanier schützen soll? Das wäre dann nicht sehr wirksam, da sich die Amazonen relativ leicht ihren Weg durch die Löcher dieser Wand bahnen.

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König Alfonso (Matthias Rexroth (rechts) stellt Don Buscone (Ralf Simon, Mitte) wegen Veremondas Verschwinden zur Rede (auf der linken Seite: Roldano (Stefan Sevenich)).

Sieht man von den Kostümen der allegorischen Figuren ab, gelingt Niermeyer szenisch ein guter Einstieg in den Prolog. So befindet sich die Rückwand zunächst an der Bühnenrampe. Zunächst zwängt sich Il Sole durch die Tür und versucht mit Il Crepusculo während des musikalischen Vorspiels die Wand nach hinten zu verschieben. Erst allmählich gelingt es ihnen, die Bühne für das Stück freizugeben. Wenn dann am Ende die Stadt eingenommen wird, färbt sich der Fluss, der die Bühne in zwei Hälften teilt, rot, so dass an den Händen aller Protagonisten das Blut klebt, das bei der Eroberung vergossen wird. Wenn Zelemina und Zaide mit schwarzen Säcken über dem Kopf als Gefangene hereingeführt werden, wecken diese Bilder schreckliche Erinnerungen an die jüngste Vergangenheit. Auch mit dem Ende der Oper geht Niermeyer absolut schonungslos um. So bleibt die Frage, ob es für Zelemina wirklich die Rettung bedeutet, dass sie am Ende zum Christentum konvertiert und Delio heiratet. Die Rückwand wird am Schluss wieder langsam nach vorne geschoben und drängt die Protagonisten an die Bühnenrampe und damit gewissermaßen an den Abgrund, an den sie ihr kriegerisches Verhalten führen wird. Auch die Männer mit Totenkopfmaske, die im Verlauf des Stückes mehrmals wortlos von den Bühnenseiten das Geschehen beobachten, unterstreichen Niermeyers düstere Lesart des Stückes.

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Blutiges Finale: von links: Roldano (Stefan Sevenich), Don Buscone (Ralf Simon), Sergente Maggiore (Leondro Bermudez Lafont), Zaide (Frances Pappas), Delio (Lawrence Zazzo), Zelemina (Alexandra Samouilidou), Veremonda (Netta Or), Alfonso (Matthias Rexroth), Vespina (Polina Pasztircsák) und Zeriffo (Johannes Mayer)

Das Concerto Köln erweist sich unter der musikalischen Leitung von Gabriel Garrido als Barockspezialist und zelebriert die langen Rezitative mit frischem Klang. Nur das Zusammenspiel mit den Solisten hätte an einigen Stellen noch ein bisschen exakter sein können. Netta Or stattet die Titelpartie mit leuchtendem Sopran und großer Strahlkraft aus. Mit Lawrence Zazzo steht ihr als Delio ein Countertenor zur Seite, der die Höhen sauber aussingt und dabei einen virilen Tonfall behält. Geradezu komische Züge entwickelt er in seiner Arie, in der er seine Schönheit beklagt, die dazu führe, dass ihm alle Frauen zu Füßen liegen. Auch die unsympathischen Züge der Figur arbeitet Zazzo glaubhaft heraus, wenn er beispielsweise versucht, Veremonda im Wald zu vergewaltigen, oder Zelemina tiefe Gefühle vorspielt. Alexandra Samouilidou überzeugt als maurische Königin Zelemina mit jugendlichem Sopran und klingt dabei wesentlich friedfertiger als Or mit ihren kämpferischen Tönen. Matthias Rexroth gibt den König Alfonso mit weichem Countertenor zunächst als schwachen Herrscher, der aber zur Furie wird, wenn er glaubt, dass seine Frau ihn mit Delio betrogen hat. Bemerkenswert ist, wie höhensicher - in jeder Beziehung - er sich kurz vor der Pause auf der Leiter auf die Suche nach seiner Frau begibt. Johannes Mayer verfügt als Zeriffo über einen beweglichen Spieltenor und gibt dem Diener auch zahlreiche komische Momente. Polina Pasztircsák punktet als Vespina mit mädchenhaftem Sopran und sauberen Höhen und versteht es, Mayer regelrecht soubrettenhaft den Kopf zu verdrehen. Stefan Sevenich stattet Delios Vater Roldano mit profundem Bass aus. Von den allegorischen Figuren lässt vor allem Alin Deleanu als Il Sole mit weichem Countertenor aufhorchen, wobei er mimisch und gestisch von den allegorischen Figuren Conchita Wurst am nächsten kommt. Das Publikum feiert die Solisten und Musiker auch bei der zweiten Aufführung mit großem Applaus.

FAZIT

Auch wenn nicht jeder Regie-Einfall nachvollziehbar ist, gelingt es Niermeyer, eine packende und aktuelle Geschichte zu erzählen, die von den Solisten auf der Bühne und den Musikern im Graben überzeugend umgesetzt wird. Was den Inhalt und die Musik betrifft, würde dieses Werk einen Platz im Repertoire verdienen.

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Produktionsteam  

Musikalische Leitung
Gabriel Garrido

Inszenierung
Amélie Niermeyer

Bühne
Stefanie Seitz

Kostüme
Kirsten Dephoff

Licht
Gerrit Jurda

Dramaturgie
Tina Hartmann
Ina Karr



Concerto Köln

Statisterie der Schwetzinger SWR Festspiele
und des Nationaltheaters Mannheim

 

Solisten 

Il Crepusculo / Zeriffo
Johannes Mayer

Il Sole
Alin Deleanu

Zelemina
Alexandra Samouilidou

Zaide Nutrice
Frances Pappas

Delio
Lawrence Zazzo

Alfonso Re
Matthias Rexroth /
Alin Deleanu (Mainz)

Roldano
Stefan Sevenich

Don Buscone
Ralf Simon

Veremonda
Netta Or /
Dorin Rahardja (Mainz)

Vespina
Polina Pasztircsák /
Geneviève King (Mainz)

La Vendetta
Miriam Gadatsch

Amore
Ruth Katharina Peeck

Furore / Sergente Maggiore
Leandro Bermudez Lafont

Giacutte
Kyung Jae Moon




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