Erfolgreich vielseitiger als Cecilia Bartoli ist momentan wohl kaum jemand auf der internationalen Opernbühne. Die quirlige Italienerin probiert sich gerne aus und hat mit "West Side Story" erstmals ein Musical zur Eröffnung der Salzburger Pfingstfestspiele gewählt. Ganz ohne Oper kam dieses Musical in der Felsenreitschule letztlich doch nicht aus.

"West Side Story" ist das sozialkritische Porträt zweier New Yorker Jugendgangs in den 1950er-Jahren. Dazwischen erleben die junge Puerto Ricanerin Maria und der Amerikaner Tony eine Liebesgeschichte in bester "Romeo und Julia"-Tradition. Maria taucht darin allerdings erst im zweiten Drittel der Handlung auf, obwohl ihre Figur tief und tragend ist. Diese Rolle hat Regisseur Philip Wm. McKinley kurzerhand für den Festspielliebling Bartoli ausgebaut. Bei ihm gibt es zwei Marias: Die Junge (Michelle Veintimilla), die die Handlung real erlebt, und die Erwachsene, die sich lebhaft an das Geschehene erinnert und mit durch die Handlung wandelt, ohne Teil von ihr zu sein.

Diese Aufteilung ist vom Regisseur offenbar gut gemeint, um die Italienerin vor der Darstellung einer Teenagerin zu bewahren, und um dem Festspielpublikum die gewünschten zweieinhalb Stunden Cecilia Bartoli zukommen zu lassen. Und so muss La Bartoli fast eine ganze Stunde über die Bühne wandeln, zwischen den Tänzern sitzen und wehmütig in die Ferne schauen, bis sie endlich zum ersten Mal wirklich agieren darf. Während Veintimilla Maria spielt - und das mit großer Authentizität und mädchenhaftem Charme -, singt Bartoli die Nummern der Rolle und das mit allseits bekannter, schier endloser Energie.

Und hier schleicht sich die Oper wieder ein. Bartoli und Tenor Norman Reinhardt als Tony singen die Partien mit ihren Opernstimmen, die gleichzeitig über Mikrofon verstärkt werden (was ja im Musical durchaus Usus ist). Beide tun dies mit angemessener Zurückhaltung und schlankem Vibrato, doch diese Anpassung wirkt inmitten der restlichen Musicalstimmen irgendwie trotzdem fremd. Im Gegensatz zu seiner Partnerin hat die Inszenierung Reinhardt die Möglichkeit gelassen, sich als ausgezeichneter Schauspieler zu beweisen.

Bis auf den Ausflug der beiden Hauptprotagonisten in die Opernwelt inszeniert McKinley "West Side Story" aber als den beliebten Broadway-Klassiker, der er nun einmal ist. Aufwendig und bis in die letzte Ecke ist die Felsenreitschule zu einer New Yorker Straßenlandschaft verkleidet worden. Mitten auf der Bühne ein großes Stahlgerüst, das in die einzelnen Schauplätze wie den Brautmodenladen oder einen Drugstore unterteilt ist.

Dazwischen die aufwendige Choreografie mit vielen lateinamerikanischen Elementen und bunten Kostümen, die von einem vielseitigen und hoch professionellen Ensemble ausgeführt wird. Die passend feurige musikalische Grundlage liefert Gustavo Dudamel mit dem Simon Bolivar Orchester, wenn auch stellenweise überraschend zurückhaltend.

Vollgas gibt das Orchester tatsächlich beim Schlussapplaus, den es musikalisch begleitete. Der Abend ist also Broadway auf Salzburg adaptiert und vor allem auf Cecilia Bartoli zugeschnitten. Und das scheint jedenfalls gefallen zu haben, stand doch am Ende fast das ganze Publikum tobend in der Felsenreitschule.