Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Ursula Kaufmann

Aktuelle Aufführungen

Verglühender Opernmeteorit

TERRA NOVA ODER DAS WEIßE LEBEN
(Moritz Eggert)

Besuch am
12. Juni 2016
(Premiere am 26. Mai 2016)

 

 

Landestheater Linz

Da wollte man wohl zum Finale der Intendanz von Rainer Mennicken und der diesjährigen Saison alles in die Schlacht werfen, um zu zeigen, was die Bühne des Linzer Musiktheaters so alles an Technik aufbieten kann. Da werden die häufig auch doppelt drehende Drehbühne für permanente Verwandlungen bis in die hinterste Tiefe, die Hubpodien, der Schnürboden bis an die jeweiligen Grenzen ausgelastet. Flugobjekte und Astronauten schwirren durch die Luft, ständige Projektionen sind auf Glashäusern zu sehen. Und dafür hat man gleich eine Opernuraufführung bei dem 1965 in Heidelberg geborenen Komponisten Moritz Eggert in Auftrag gegeben und keinen Geringeren als den oberösterreichischen Schriftsteller Franzobel um ein Libretto gebeten, an dem auch der Intendant mitgebastelt hat. Da hat man extra Carlos Padrissa von der Regie- und Ausstattungstruppe La Fura dels Baus engagiert, um noch mehr aus dem Vollen schöpfen zu können.

Und was ist herausgekommen? Nach den großen heurigen Erfolgen von Verdis La Traviata, inszeniert von Robert Wilson, oder Debussys Pelléas et Mélisande, von Achim Freyer in Szene gesetzt, aber auch nach McTeague – die Gier nach Gold von William Balcom hat Terra Nova oder das weiße Leben, so der Titel der neuen Oper, eine eher seichte Science-Fiction-Handlung. Dabei wird kein Klischee ausgelassen, der Text ist stark moralisierend und bedeutungsschwanger, eine allfällige satirische Seite kommt überhaupt nicht rüber. Die Produktion wird zu einem zwar beeindruckenden, aber ziemlich überfrachteten Ausstattungsspektakel, die Bühne stammt von Roland Olbeter, die Kostüme von Chu Uroz. Es gibt viel action, besonders der Start der Rakete fasziniert und wird durch eine aufwändige Choreografie aufgefettet, jedoch ohne besonderen Tiefgang.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Der banale Spot handelt von Pandura, einer Astronomin, die den Präsidenten der Erde namens Ruler überzeugt, den paradiesischen Planet Eden in der elften Galaxie zu besiedeln, um für die verseuchte und unbewohnbar gewordene Erde eine Ausweiche zu schaffen. Drei auf Erkundigung ausgeschickte Astronauten verschwinden im All und landen bei der Mondgöttin, während sich auf der Erde eine durch einen Meteoriteneinschlag hervorgerufene, weiße Seuche ausbreitet, die alle Bewohner zwar unsterblich, aber auch völlig gefühllos werden lässt. Bis zum schon etwas zähen Ende ein kleiner Prinz die Heilkraft der neuen Welt preist.

Foto © Ursula Kaufmann

Dazu hat der Komponist eine polystilistische Musik mit teils extremer Dynamik geschrieben, die sich an allen nur erdenklichen Stilschubladen bedient. Es werden atmosphärische Stimmungen wie Sphärenklänge ebenso erzeugt wie seichte, schnulzige, schlager- und musicalartige Momente. Chansons hört man ebenso wie Jazz, Swing, Blues. Teils trieft das Pathos, Opernhaftes vernimmt man kaum. Die Musik wird vom Bruckner-Orchester Linz unter dem unermüdlichen Dennis Russell Davies mit großer, orchestraler Differenzierungskunst gespielt.

Exzellent ist auch das Sängerensemble: Jacques Le Roux singt den Präsidenten Ruler mit höhensicherem, strahlendem Tenor. Mari Moriya ist die in allen unmöglichen körperlichen Lagen sicher intonierende und mit saubersten Koloraturen bis in schwindelnde Höhen singende Mondkönigin Lara beziehungsweise Changé. Anais Lueken gibt als Chansonette Marylin Rulers wasserstoffblonde Geliebte. Katerina Hebelkova singt als farbenreiche Astronomin Pandura mit samtigem, tragfähigem Alt und Martin Achrainer ist ein markanter Polizeichef. Auch die drei Raumfahrer, Sven Hjörleifsson, Michael Wagner, Matthias Schmidlechner, wie auch deren Frauen, Elisabeth Breuer, Kerstin Eder und Gotho Griesmeier, ebenso wie der von Georg Leopold einstudierte Chor singen tadellos.

Das Publikum ist trotzdem angetan von der Show und applaudiert recht heftig.

Helmut Christian Mayer