Heiß begehrt am Hof der Parther ist die Königstochter Lisinga (Sofia Mchedlishvili). Foto: Pfeiffer
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Eine schrecklich nette Familie – „Rossini in Wildbad“ feiert Premiere
  • Simon Püschel

Bad Wildbad. Mit einer kleinen Familie kann man eine ganze Menge auf die Beine stellen. Aber eine ganze Oper singen? Ja, auch das ist möglich. Wenn die Familie wirklich musikalisch und das richtige Werk zur Hand ist. So ein Werk ist „Demetrio e Polibio“, die erste Premiere von „Rossini in Wildbad“, die erste Oper des Komponisten – und tatsächlich für eine umtriebige Musikerfamilie komponiert.

Denn im Italien der 1810er-Jahre tourt der Tenor Domenico Mombelli durch die Theater. Mit dabei: seine beiden Töchter Ester und Anna und – als zweite Männerstimme – der Bassist Ludovico Olivieri. Auch Mutter Mombelli ist Sängerin – bei „Demetrio e Polibio“ aber tritt sie als Librettistin hervor. Kann das gutgehen? Eine abendfüllende Oper als Familienprojekt? Ja, es kann, zeigt die Wildbader Aufführung. Wenn der Komponist Gioacchino Rossini heißt – und seine Musik so leidenschaftlich zum Erklingen gebracht wird wie in Wildbad. Das wunderbar restaurierte, fast private Kurtheater gibt dem kleinen, auch kurzen Werk den Boden, auf dem es sicher steht. Die Handlung um Polibio – König der Parther – ist kurzweilig und bietet Gelegenheit für das Schaulaufen großer Gefühle. Allen voran: die Familienliebe.

Denn Polibio (Luca Dall’Amico) hat Siveno (Victoria Yarovaya) an Sohnes statt angenommen, gedenkt, ihn mit der eigenen Tochter Lisinga (Sofia Mchedlishvili) zu vermählen. Doch der Syrerkönig Demetrio – der wirkliche Vater von Siveno – will den Sohn für sich – sonst droht Krieg. Den gibt es am Ende nicht, stattdessen ein echtes Happy End – davor aber noch in rund zwei Stunden Spielzeit mächtig Platz für Racheschwüre, Liebeshauchen, eine Entführung – und vor allem: packende Musik. Sie stellt sicher, dass der dramatische Faden nicht reißt. Die Inszenierung von Nicola Berloffa bleibt weitestgehend gesichtslos.

Zu starr stehen da die Liebenden herum und schmachten sich abgeschmackt an. Auch das Bühnenbild (Paul Secchi) hilft wenig weiter. Im Hintergrund eine graue Mauer. Soll sie eine Berlinerin sein? Manches spricht dafür. Die Militäroutfits (Kostüme: Claudia Möbius) zum Beispiel – in grün die Parther, blau die Syrer – verströmen den Duft des Kalten Krieges aus. Die DDR-Ästhetik aber führt zu nichts, bleibt bloße Illustration – und mehr kraftloses Kostüm als echte Deutung.

Bekannte Stimmen

Lebendiger die Stimmen. Bekannt in Wildbad ist Yarovaya. Ihr Siveno der gesangliche Höhepunkt des Abends. Auch Mchedlishvili zeigt sich – nach leichten Startschwierigkeiten – als würdige Partnerin. Der junge Arrieta gibt den liebenden Vater Demetrius wunderbar glaubwürdig und zeigt sich als ernstzunehmender Widersacher von Polibio, den Luca Dall’Amico manchmal zu martialisch und übertrieben zum Leben erweckt. Der Festivalchor, die Camerata Bach Poznán, präsentiert sich gewohnt stimmgewaltig. Leidenschaftlich spielen die Virtuosi Brunenses unter Luciano Acocella auf. Nur in manchem Arienschluss hapert es an der Präzision zwischen Sängern und Orchester. Nichtsdestotrotz: ein sympathisches Sängerfest. Vielleicht ja etwas für die nächste Familienfeier?

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