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Anna Superstar

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Salzburg - Puccinis „Manon Lescaut“ funktioniert konzertant kaum im Großen Festspielhaus – doch das wird hier zur Nebensache. Die Kritik:

130 Meter Stoff, über 30 000 Svarovski-Kristalle, ein Traum in Schwarzgraublau – das wirklich wichtige Ding an diesem Abend wiegt sechs Kilo und stammt von Jan Meier. Der ist Leiter der Kostüm- und Maskenabteilung der Salzburger Festspiele und sinniert im Rückblick: Eigentlich hätte Anna Netrebko ja vier Kleider gebraucht, für jeden Akt eines. Doch wie sich aus den Mega-Roben so schnell aus- und wieder einpacken? Einen Handanleger hätte es gegeben. Yusif Eyvazov, in diesen fleißig fotografierten Salzburger Tagen Kutschenmitgast, Shopping-Lasttier und Party-Begleitung der Diva und noch viel mehr: Der Aserbaidschaner ist Annas Mann und folglich seit einiger Zeit etwas häufiger gebucht, als es die Stimme so hergibt.

Da das weltteuerste Festival heuer ins Mittelmaß strauchelt, ist die Netrebko die letzte Bürgin für Exklusivität und Ausnahmezustand. Dass Giacomo Puccinis „Manon Lescaut“ konzertant kaum funktioniert und nach psychologisch durchgeformter Regie schreit, wird im Großen Festspielhaus zur Nebensache. Für das einfache Mädchen, das ins Kloster soll, wurde sogar ein Band aus schwarzem Lack an der Rampe aufgetragen: Dank Svarovski drohte die Diva, zur Discokugel zu werden.

Die vielen Vorstöße ins jugendlich-dramatische Fach haben bei der Netrebko erfreuliche Vokalspuren hinterlassen. Endlich hat sie ihren Sopran aus dem (immer etwas zu wohlgefälligen) Klangsamtbett geholt. Manon, Elsa, „Troubadour“-Leonora, Tatjana und demnächst Aida – das ist das viel bessere Stimmfutter als die nur achtbar bewältigten Zwitscherrollen des Belcanto. Die Wahl-Wienerin denkt ihre Partien nun deutlich mehr vom Text her, achtet auf Artikulation und Farben. Die Diktion ist offener. Und da die Stimme an Größe und Dimensionen gewonnen hat, sich aber immer noch klein machen kann für eine dunkles, ätherisches Schweben, müssen alle Mäkler kapitulieren: So gut wie jetzt war die Netrebko nie.

Auch deshalb muss Yusiv Eyvazov dagegen abfallen. Der Mann barmt, schmachtet, fällt schon mal auf die Knie, holt sich zwei (echte?) Küsse ab. Doch irgendwann wäre eine Fernbedienung recht, die seinen wetterfesten Tenor nach unten pegelt. Eyvazov singt den Des Grieux im zwar imposanten, aber doch holzigen und bald auch ihn ermüdenden Einheitsforte. Statt feine Lasur gibt es grobe Maserung – Puccini wird zum Verismo aufgedonnert. Armondo Piña passt als grobkörniger Lescaut irgendwie dazu, Carlos Chausson spielt als Geronte seine natürliche Präsenz aus. Und Benjamin Bernheim (Edmondo) vergisst gelegentlich, dass er sich nicht ständig für die männliche Hauptrolle zu bewerben braucht.

Dirigent Marco Armiliato muss Puccinis Schmachtdrama irgendwann eingeatmet haben. Erst im Schlussakt linst er in die Partitur, bleibt immer in engem Kontakt mit Sängern und Instrumentalisten, tut dabei das einzig Richtige: Statt Klangschaumbäder zu nehmen, gibt es Sportives. Die Tempi sind knackig, die Details werden nicht überfahren. Und wie das Münchner Rundfunkorchester mitmacht, wie Klangschönheit mit hohen Energiewerten verbunden wird, lässt glatt lokalpatriotische Gefühle hochkommen. Standing Ovations, was sonst. Nur noch 365 Mal schlafen bis zur Salzburger „Aida“.

Weitere Aufführungen

am 4. und 7. August; Telefon 0043/ 662/ 8045-500.

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