Am Ende sind alle Figuren etwas erschöpft (v. li.): Anna Prohaska (als Susanna), Anett Fritsch (La Contessa Almaviva), Adam Plachetka (als Figaro) und Luca Pisaroni (Il Conte Almaviva).

Foto: Ruth Walz

Salzburg – Entspannt und unbeschwert wirkt Salzburg an diesem lauwarmen Dienstagabend. In der Pause von Figaros Hochzeit sehen die Besucher sogar den Dirigenten der Produktion, Dan Ettinger, draußen rauchend im lockeren Smalltalk erholenden Zeitvertreib suchen.

Alles strahlt Leichtigkeit aus an diesem Abend, heiter entfaltet sich auch die Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf, deren Wiederaufnahme einen Hattrick dieser Salzburger Festspielsaison markiert. Von Bechtolfs Mozart-Stil gaben ja bereits Così und Giovanni Zeugnis ab.

Alles bliebe so angenehm stressfrei, mühelos, wenn bloß dieser Mozart nicht so schwer zu singen wäre. Da packt die Damen zu Beginn eine gewisse Nervosität, blass und atemlos klingt Anna Prohaska als Susanna. Immerhin, viel später wird sie sich fangen: Ihr heiteres Spiel fügt sich in der Rosen-Arie zum kostbaren Musiktheatermoment.

Auch Cherubino wirkt etwas unstet. Die quirlige Margarita Gritskova braucht lange, um vokal ausgewogen zu wirken. Bei jenen, die einst dabei waren, blieb jedoch die Sehnsucht nach Christine Schäfer. Dieser Rolle hatte sie in Salzburg einst unnachahmlich lyrisches Gepräge verliehen.

Gräfliche Trauer

Es muss letztlich schon die gräfliche Melancholie ihre erste Klage anstimmen, um Tiefgang mit vokalem Zauber zu vereinen. Anett Fritsch gibt eine Gräfin, der Eskapaden ihres Gatten nie die Noblesse rauben. Auch musikalisch vermittelt sie diese Haltung. Zwar ist ihre Stimme etwas vibratobelastet, ein an sich legitimes Ausdrucksmittel. Dessen Dauereinsatz wohnt jedoch Irritierendes inne, die kostbare Vokalfarbe wird ein wenig ihrer Ausstrahlung beraubt.

Bechtolfs Inszenierung lebt allerdings kaum nur von den Seelenplagen einer hadernden Gattin. Im Bühnenbild (Alex Eales), das bis zu fünf Räume eines britischen Landhauses Marke "Downton Abbey" gleichzeitig präsentiert, nutzt er die Möglichkeit zu psychologisch interessanten Nebengeschichten. Er schafft so elegante szenische Fugen, die exaltiert in Komödiantik münden.

Da darf die Gräfin, ohne dass irgendwem bange wird, das Gewehr gegen den Grafen richten. Luca Pisaroni formt ihn als glänzender Darsteller und respektabler Sänger zum stressgeplagten netten Schnösel. Es darf der Graf auch ein echtes Hündchen füttern. Bechtolf, quasi virtuoser Zirkusdirektor und -dompteur von Bühnenkonventionen, lässt also boulevardkomödiantisch um Macht und Zuneigung intrigieren.

Und ob im Weinkeller, im Schlafgemach oder überall zugleich – auch der glänzende Figaro Adam Plachetka, Ann Murray (als Marcelina), Carlos Chausson (als Bartolo) und Christina Gansch (als Barbarina) sind kurzweilig zu Diensten. Wie auch Dan Ettinger am Pult der Wiener Philharmoniker, der für solide Assistenz sorgt. Hier ein forscher "Raketeneffekt", dort ein Pointchen. Es klingt so nett wie nobel, philharmonisch schön eben, an diesem so unbeschwerten lauwarmen Salzburger Abend, der allen Applaus brachte. (Ljubisa Tosic, 17.8.2016)