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Kritik - Glucks "Alceste" bei der Ruhrtriennale Trauerspiel unterm Stahlgestänge

Eröffnet wurde die Ruhrtriennale am 12. August 2016 in der Bochumer Jahrhunderthalle mit Christoph Willibald Glucks Oper "Alceste". Der Komponist schlägt dabei durchgehend einen ungemein weihevollen, pathethischen, feierlichen Ton an. Das kann für heutige Zuschauer schnell langweilig werden. Die irritierende Ernsthaftigkeit hatte bei der Uraufführung in Wien im Jahr 1767 allerdings ihren guten Grund.

Szenenbild aus dem Musiktheater "Alceste" von Christoph Willibald Gluck, René Jacobs, Johan Simons | Bildquelle: © JU/Ruhrtriennale 2016

Bildquelle: © JU/Ruhrtriennale 2016

Barockoper - oberflächliche Effekthascherei?

Zu Glucks Zeiten war die Barockoper zur oberflächlichen Effekthascherei verkommen, zum Schaulaufen von Starsängern. Gluck wollte zurück zum ehrlich empfundenen Gefühl, zur Aufrichtigkeit, und tatsächlich geht es in seiner "Alceste" um Opferbereitschaft, Trauer und die wahre, selbstlose Liebe. Nur wenn sie sich selbst opfert, kann Königin Alceste ihren Mann vor dem Tod retten, so will es der zynische Gott Apollo in seinem Orakelspruch.

Neuinszenierung von Johan Simons

Bei Regisseur Johan Simons war nicht zu erwarten, dass er diese düstere, antike Geschichte glücklich enden lässt: Bei ihm werden König und Königin zwar auch wieder vereint, aber nicht in dieser Welt, sondern im Jenseits. Und deren Kinder müssen sich allein durchs Leben weiterhelfen. Das Wunder fällt also aus, der eitle, selbstverliebte Apollo bewahrt die opferwillige Alceste nicht vor dem Untergang, sondern nimmt ihren Mann gleich auch noch mit in den Hades.

Johan Simons verlegt das Trauerspiel auf eine schwarzschimmernde Prozessions-Straße, die Bühnenbildner Leo de Nijs für die Jahrhunderthalle entworfen hatte. Schätzungsweise fünfzig Meter weit erstreckt sich unter dem Stahlgestänge des Industriedenkmals der Parcours. Schäbige weiße Gartenstühle stehen zuhauf herum, als Sinnbilder des allzu flüchtigen, schnell abgenutzten Lebens. Ein Teil des Publikums sitzt entlang dieser imposanten Trauermeile wie eine riesige Jury, die über Wohl und Wehe der handelnden Personen entscheiden soll. Das Orchester thront in der Mitte auf einem kleinen Amphitheater. Auch die leider wenig kleidsamen Kostüme von Greta Goiris zitieren die griechische Antike: faltenreiche, wallende Gewänder in Pastelltönen.

Authentischer Gluck

Dem ernsten Thema wurde die sehr zeremonielle, zurückgenommene Ausstattung zweifellos gerecht. Trotzdem wollte nicht die rechte Ergriffenheit aufkommen: Der profilierte und verdienstvolle Dirigent René Jacobs klebte diesmal allzu sehr am Notenmaterial, nahm Gluck wortwörtlich und damit viel zu akademisch. Georg Nigl als Apollo sang herausragend, spielte den herablassenden Gott aber etwas zu bösartig-slapstickhaft. Birgitte Christensen als Alceste überzeugte stimmlich, aber nicht emotional. Thomas Walker als ihr Mann Admeto wirkte mit seiner Nickelbrille wie ein Beamter im gehobenen Dienst. Wenig mitreißend auch der Chor aus dem sibirischen Perm. Insgesamt ein authentischer Gluck und eine hochseriöse Anstrengung - mit der Betonung auf Anstrengung.

Zum Festivalprogramm der Ruhrtriennale 2016

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