An einem einzigen Abend gab es bei den Salzburger Festspielen letzten Dienstag eine wahre Rarität zu hören: Jules Massenets Thaïs sorgte für ein konzertantes Highlight dieses Sommers voller exotischer Klänge und betörenden Melodien. Trotz der berückend schönen Musik konnte sich dieses Werk im Gegensatz zu anderen Massenet-Werken nicht im Repertoire durchsetzen und gelangte besonders durch die Met-Aufführungen mit Renée Fleming zu größerer Bekanntheit. Die Handlung mag etwas anbiedernde und übermäßig moralisierend sein, aber die herrliche Umsetzung des exotischen Metiers mit seinen anmutigen Phrasen und aufregenden Rhythmen macht das Werk zu einem grandiosen Erlebnis. Blieb einzig zu bedauern, dass man dieses Werk nicht szenisch aufführte, da es sich mit seiner opulenten Musik für eine prächtige Inszenierung à la Danae eignen würde.

Für die musikalische Leitung zeichnete Patrick Fournillier verantwortlich, der die große Bandbreite an Klangfarben ausgezeichnet herauszuarbeiten verstand. Zwar wirkten einige Teile etwas gehetzt, insgesamt aber war es eine sehr musikalische und differenzierte Interpretation. Das Münchner Rundfunkorchester spielte mit explosiver Kraft und spielte die Kontraste zwischen dramatischen Ausbrüchen und erotisch-verführerischen Passagen hervorragend aus, ohne je übertrieben zu wirken oder gar dem Kitsch zu verfallen. Gleiches gilt für den Philharmonia Chor Wien, der ebenso mit einer geschmackvoll schlichten, aber trotzdem packenden Darbietung aufwartete. Erwähnen muss man bei dieser Gelegenheit auch den Konzertmeister des Orchesters, Felix Froschhammer, der die berühmte Meditation im zweiten Akt so innig spielte, dass er mit begeisterten Applausstürmen belohnt wurde, auch wenn Fournillier das Tempo besonders hier etwas zu sehr anzog.

Diese einmalige Opernvorstellung wurde wie keine andere Produktion von den Nachwuchssängern des Young Singers Project getragen, die für so manchen Ohrenschmaus sorgten. So etwa Simon Shibambu als Palémon, dessen düster und ehrwürdig klingender Bassbariton von außergewöhnlicher Qualität ist und der in Zukunft im Wagnerfach erfolgreich sein könnte. Berückend schön waren Elbenita Kajtazi und Valentina Stadler als Crobyle und Myrtale, sowohl stimmlich, als auch optisch. Ihre verspielte Szene im ersten Akt entführte das Publikum durch die verschraubten Gesangslinien wahrhaftig in das exotische Alexandria und auch Marielle Murphy, deren fokussierter Koloratursopran trotz kurzem Auftritt überzeugen konnte, zeigte als La Charmeuse am Ende des zweiten Aktes, dass die junge Sängergeneration mit vielversprechenden Talenten auf sich aufmerksam macht. Auch Szilvia Vörös als Albine und Andrzej Filończyk als Diener konnte mit ihren Auftritten punkten und die Bedeutung des YSP unterstreichen.

Inzwischen schon kein Geheimtipp mehr ist Benjamin Bernheim, der die Rolle des Nicias sang und mit seinem kräftigen jugendlichen Tenor überzeugte. Seine Darbietung bestach durch Klarheit, Finesse und einem überaus verlässlichen Gefühl für Phrasierung. Besonders seine klare Diktion war neben dem schönen Schmelz seiner Stimme ein Genuss, der einem zeigt, warum er zu einem der führenden Tenöre der jüngeren Generation gehört.

Größte Anziehungskraft für viele hatte allerdings Plácido Domingo in der Rolle des Athanaël. Die vergleichsweise hohe Baritonrolle war für den inzwischen im Baritonfach angesiedelten Startenor natürlich eine durchaus naheliegende Rollenwahl, jedoch muss gesagt werden, dass ein alternder Tenor noch lange keinen anständigen Bariton macht. Zwar besticht seine Stimme immer noch mit großer Kraft und für sein Alter eindrucksvolle Balance, aber warum ein so erfolgreicher Sänger wie Domingo nicht Platz für die ebenso talentierten jüngeren Generationen macht, bleibt wohl ein ewiges Geheimnis. Trotz vollem Einsatz, schauspielerisch wie stimmlich, bleibt Domingo an diesem Abend leider der blasseste Stern des Ensembles.

Einen wahren Triumph dagegen feierte die lettische Sopranistin Marina Rebeka in der Titelrolle. Mit starker und trotzdem klangschöner Stimme sowie einwandfreier Technik gab sie ein packendes und überaus berührendes Rollenporträt. Samtig warm in der Tiefe und strahlend klar bei ihren Spitzentönen überzeugte sie nicht nur mit ausbalanciertem Ton, sondern auch mit vorbildlicher Diktion. Schier mühelos sang sie das hohe d in der Spiegelarie und betörte im finalen Duett. Man kann nur hoffen, dass sie in den nächsten Jahren wieder zu Gast in Salzburg sein wird.

Das absolute Highlight war das letzte Duett, das aufgrund des andauernd applaudierenden Publikums sogar wiederholt wurde und dem Publikum somit eine kleine Mitternachtsüberraschung bereitete. Domingo und Rebeka scheuten keine Mühen und ließen sich auch bei der Wiederholung nicht anmerken, dass bereits eine kräftezehrende Vorstellung hinter ihnen lag.

Derartige Momente machen den Reiz der Festspiele aus und sprühen ihren Zauber auch noch Jahre danach – eine weitere Sternstunde in den Annalen der Salzburger Festspiele, an die man noch lange denken wird.

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