Innsbrucker Festwochen: Klamauk und Kantilenen für die Traumhochzeit

Buntes Treiben in „Le nozze in sogno“: Arianna Vendittelli als Lucinda, Bradley Smith (links) als ihr liebeskranker Bruder, Rodrigo Sosa Dal Pozzo als ihr (als Frau verkleideter) Liebhaber.
Buntes Treiben in „Le nozze in sogno“: Arianna Vendittelli als Lucinda, Bradley Smith (links) als ihr liebeskranker Bruder, Rodrigo Sosa Dal Pozzo als ihr (als Frau verkleideter) Liebhaber.(c) Innsbrucker Festwochen
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„Le nozze in sogno“: Musikalisch erfreulich, szenisch mit zu vielen, zu gewollten Gags.

Keine feine Gegend, der Hafen von Livorno: Am Umschlagplatz von Import und Export müssen nicht nur Schiffsladungen gelöscht werden, sondern auch flammende Leidenschaften. Zu harten Technobeats ist da eine Kostümparty in einem Club im Gange, gekrönt von einer Travestieshow. Deren Star heißt Flammiro und teilt in seiner weiblichen Ausgabe als Celia Dame Ednas Faible für schrille Outfits und extravagante Brillen. Gecoacht wird er dabei von seinem flamboyanten Diener Scorbio.

So biegen sich der Regisseur Alessio Pizzech und sein fantasievoller Ausstatter Davide Amadei die Vorgeschichte des Librettos von „Le nozze in sogno“ zurecht, einem musikalischen „Dramma civile“ (soll heißen: mit städtischem Schauplatz), das 1665 in Florenz erstmals in Szene ging. Ein bisschen Techno, ja – aber schon nach wenigen Minuten übernimmt Barockmusik das Ruder, um es nicht mehr aus der Hand zu geben, angestimmt vom tänzerisch schwungvoll spielenden Ensemble Innsbruck Barock unter der Leitung von Enrico Onofri. Die Musiker sitzen alle in einem Boot, das zur rechten Seite der Bühne im Innenhof der Theologischen Fakultät Innsbruck angelegt hat und den Namen Alan trägt – eine Reverenz an den im Vorjahr verstorbenen Dirigenten Alan Curtis.

Hofkapellmeister Pietro Antonio Cesti

Dieser verdienstvolle Spezialist hätte nun zum 40-Jahr-Jubiläum der Innsbrucker Festwochen diese szenische „Barockoper jung“-Produktion dirigieren sollen, zumal es italienischen Musikwissenschaftlern gelungen war, das anonym überlieferte Werk Pietro Antonio Cesti zuzuordnen. Dieser war in den 1650er-Jahren Hofkapellmeister in Innsbruck, nach ihm heißt auch der Gesangswettbewerb der Festwochen, der dieser Tage zum siebten Mal stattfindet.

Wie gewohnt verstärken Finalisten und Preisträger des Vorjahres das durchwegs erfreulich singende Ensemble. Etwa Rodrigo Sosa Dal Pozzo, der mit geschmeidigem Countertenor in jeder Gender-Variante gute Figur macht: Um zu seiner Geliebten Lucinda vordringen zu können, mimt er als Flammiro nämlich nicht nur weiter die Celia, sondern muss auch deren etwas machohaften Zwillingsbruder dazuerfinden und spielen, als er einmal bei der Liebeständelei ohne Kleid und Perücke ertappt wird. Arianna Vendittelli schwärmt, liebt und leidet an seiner Seite in edler Manier und lässt einen aparten Schuss Herbheit im Timbre hören: Cestis Musik entfaltet in teils kurzen, teils längeren Arien, noch mehr aber in reizenden Duetten und madrigalesken Ensembles bezauberndes Flair.

Überdrehte Story

Weder für das Publikum noch für die Figuren selbst wird die überdrehte Story des Librettisten Petro Susini dadurch einfacher, dass sich Lucindas liebeskranker Bruder Lelio (Bradley Smith mit sauberem Tenor) vorübergehend, aber heftig in „Celia“ verguckt, weshalb Flammiro auch noch dessen Avancen abwehren muss – obwohl doch Lelios frühere Flamme Emilia, die Yulia Sokolik als aufblühendes Mauerblümchen darzustellen hat, ihn mit offenen Armen empfangen würde. Konstantin Derri (Scorbio) mit gar nicht dienend unterwürfigen Soprantönen und Francisco Fernández-Rueda als Emilias resche Amme Filandra (einer barocken Tradition gemäß für Tenor geschrieben) haben viel zu tun, um die Leidenschaften ins rechte Fahrwasser und die sichere Ankerung der jungen Paare im Ehehafen zu garantieren. Dazu wird der Widerstand der älteren Generation, also des Onkels (Jeffrey Francis), des selbst auf Freiersfüßen wandelnden Vormunds (Rocco Cavalluzzi) und nebstbei auch des Popeye-ähnlich ausstaffierten Faktotums Fronzo (Ludwig Obst) in einer alkoholisch induzierten Traumszene gebrochen, die der „geisterhaften“ Läuterung des Falstaff nicht unähnlich ist.
Respekt, wie aus Kisten und Containern durch Flügeltüren und ähnliche einfache Mittel die Schauplätze wachsen. Dass die drei Stunden trotzdem nicht wie im Fluge vergehen, liegt an Pizzechs überambitioniert-revuehafter, nicht durchwegs geschmackssicherer Regie. Dennoch Begeisterung.

Wiederholung in Salzburg: 25. 8. und 26. 8. im Großen Studio der Universität Mozarteum.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2016)

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