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Catone in Utica

Dramma per musica
Libretto von Pietro Metastasio
Musik von Antonio Vivaldi


in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 10' (eine Pause)

Premiere der konzertanten Aufführung im Staatenhaus Saal 1 in Köln am 9. September 2016


 



Oper Köln
(Homepage)

Barockrarität zum Saisonstart

Von Thomas Molke / Fotos von Paul Leclaire

Noch bevor am 25. September 2016 mit dem Doppelabend L'Heure espagnol und L'Enfant et les sortilèges von Maurice Ravel die zweite Spielzeit im Staatenhaus für das Premieren-Publikum offiziell eröffnet wird, gibt es zum Auftakt zwei Wochen zuvor ein konzertantes Barock-Juwel, mit dem das Ensemble Concerto Köln gewissermaßen an Vincis Artaserse 2012 und Hasses Leucippo 2014 anknüpft. Dieses Mal ist die Wahl auf Antonio Vivaldis Dramma per musica Catone in Utica gefallen, das auf dem gleichen Libretto Metastasios basiert wie die Vertonung von Leonardo Vinci, die im Mai 2015 bei den Internationalen Maifestspielen am Hessischen Staatstheater Wiesbaden zu erleben war (siehe auch unsere Rezension). Während die Aufführung in Wiesbaden allerdings vier Stunden mit zwei Pausen umfasste, waren in Köln nur gut zwei Stunden angesetzt, was daran liegt, dass der 1. Akt von Vivaldis Fassung (noch) verschollen ist. Statt den Versuch einer Rekonstruktion zu unternehmen, hatte man sich dazu entschieden, nur den erhaltenen Teil von Vivaldis Musik aufzuführen. Dass bei der ersten Aufführung zahlreiche Plätze frei blieben, ist bedauerlich. Vielleicht lag es an den spätsommerlichen Temperaturen, die eher in Cafés als in einen leicht überhitzten Theatersaal lockten, oder an der mangelnden Bekanntheit des Stückes, das "nur" konzertant geboten wurde. Vivaldis wunderbar frische Musik und das hochkarätige Ensemble hätten jedenfalls mehr Publikum verdient.

Die Geschichte spielt um 46 v. Chr. am Ende des römischen Bürgerkriegs, als sich Caesars (Cesare) Widersacher Cato (Catone) nach Utica in Afrika zurückgezogen hat, um von dort weiterhin sein Ideal einer römischen Republik zu verteidigen, als deren ärgsten Feind er Cesare betrachtet. Einen Verbündeten hat er in dem numidischen König Arbace gefunden, dem er dazu auch die Hand seiner Tochter Marzia versprochen hat. Doch Marzia ist heimlich in Cesare verliebt. Da Cesare einerseits ihre Gefühle erwidert und andererseits seinen Gegner Catone für dessen Prinzipien bewundert, setzt er alles daran, mit Catone zu einer friedlichen Übereinkunft zu gelangen. Doch Catone schlägt jegliche Friedensangebote aus und verstößt sogar seine Tochter, als er ihre Gefühle für Cesare erkennt. Hinzu kommt auch noch Pompeius' Witwe Emilia (in der historischen Überlieferung Cornelia), die Cesares General Fulvio manipuliert, um sich an Cesare für den Mord an ihrem Gatten zu rächen. So lockt sie Cesare in einen Hinterhalt, um ihn ermorden zu lassen. Doch Catone verhindert diesen feigen Mord und bietet Cesare stattdessen einen offenen Zweikampf an. Inzwischen haben aber die römischen Truppen Utica angegriffen und Cesare und Catone begeben sich an die Spitze ihres jeweiligen Heeres. Als Cesares Truppen Utica einnehmen, will Catone Selbstmord begehen, was in der historischen Überlieferung und auch in der Fassung von Leonardo Vinci gelingt. Vivaldi hingegen ändert das Finale ab. Cesare verhindert Catones Freitod und gebietet dem Volk die Tugend seines Gegners zu ehren.

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Kangmin Justin Kim als Cesare (im Hintergrund links: Gianluca Capuano)

Die beiden erhaltenen Akte bestehen aus zehn Arien, einem Duett und umfangreichen Rezitativen, die für die Aufführung in Köln leicht gekürzt worden sind. Eingerahmt werden sie von einer Introduktion, bei der das Ensemble Concerto Köln unter der musikalischen Leitung von Gianluca Capuano filigran den Zauber von Vivaldis instrumentaler Gestaltung herausarbeitet, und einem jubelnden Schlusschor, in dem die Solisten ein Hohelied auf die Liebe und den neuen Frieden für Rom anstimmen. Die meisten Arien, drei, entfallen nicht auf die Titelfigur Catone, sondern auf seinen Widersacher Cesare, für den der koreanisch-amerikanische Countertenor Kangmin Justin Kim engagiert worden ist, der bis zur letzten Spielzeit zum Ensemble in Heidelberg gehörte und hier unter anderem im Rahmen des Festivals Winter in Schwetzingen als Enea in Didone abbandonata von Leonardo Vinci in einer Bearbeitung von Georg Friedrich Händel begeisterte (siehe auch unsere Rezension). Schon in seiner Auftrittsarie, in der er sich zart seinen Gefühlen für Marzia ergeht, punktet Kim durch sauber angesetzte Höhen und vollzieht bruchlose Wechsel zwischen Kopf- und Bruststimme. Auch in den Läufen erweist sich seine Stimme als absolut beweglich. Als römischer Held zeigt er sich in der zweiten Arie, in der er seine Feinde in Utica kämpferisch herausfordert und dabei ein regelrechtes Feuerwerk an Koloraturen abfeuert. In seiner Arie im letzten Akt erscheint er dann wieder als schmachtender Liebhaber mit weichen Höhen.

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Vivica Genaux als Emilia

Zur eigentlichen Gegenspielerin Cesares avanciert zumindest musikalisch Emilia, die mit der renommierten Mezzosopranistin Vivica Genaux hochkarätig besetzt ist. Genaux gibt der Aufführung mit ihrer Gestik und Mimik auch einen ansatzweise halbszenischen Charakter, weil man ihr darstellerisch ihre Rachegelüste durchaus abnimmt. Ihre Auftritte werden in der Regel vom Cello untermalt, das der Szene eine leicht unheimliche, Gefahr ankündende Atmosphäre verleiht. Mit ihrer ersten Gleichnisarie kurz vor der Pause reißt Genaux das Publikum mit exorbitanten Koloraturen zu regelrechten Begeisterungsstürmen hin. Ihre Gefühle werden hierbei mit dem vom Sturm tosenden Meer verglichen, und Genaux macht den Sturm mit großartigen Spitzentönen und schnellen sauber ausgesungenen Läufen spürbar. Auch die zweite Arie im letzten Akt kurz vor ihrer Niederlage, in der sie sich mit einem verletzten Löwen im Wald vergleicht, lässt musikalisch aufhorchen. Hier tritt Genaux in einen wunderbaren Dialog mit den Hörnern. Gegen diese interessante Figur wirkt Catones Tochter Marzia mit ihren zarten Gefühlen für Cesare schon beinahe langweilig. Ensemble-Mitglied Adriana Bastidas Gamboa stattet die Partie mit sattem Mezzo aus und lässt die innere Zerrissenheit von Catones Tochter vor allem in ihrer ersten Arie nach der Pause spürbar werden, wenn sie nicht weiß, ob sie sich für den Vater oder den Geliebten entscheiden soll.

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Adriana Bastidas Gamboa als Marzia

Catone erhält nur eine einzige Arie und ein Duett mit seiner Tochter. Richard Croft setzt die Sturheit und Prinzipientreue von Cesares Widersacher mit sauberem Tenor um. Margarita Gritskova und Claudia Rohrbach runden in den beiden Hosenrollen als römischer Gesandter Fulvio und als numidischer König Arbace die Solistenriege überzeugend ab. Während Rohrbach, die in ihrer Gleichnisarie mit hellem Sopran direkt zu Beginn der Oper, in der sie die Gefahren eines Lammes beschreibt, das den Hirten verloren hat, allerdings zumindest mit einer Hose andeutet, dass sie eine Männerrolle verkörpert, tritt Gritskova in einem bezaubernden blauen Kleid mit silbernen Glitzerstreifen auf, was die Vorstellung, dass es sich hierbei um einen römischen Gesandten handelt, der sich obendrein in die Witwe des Pompeius verliebt hat, nicht gerade erleichtert. Stimmlich begeistert sie mit warmem Mezzo und satter Mittellage, wenn sie Cesare vor den Gefahren in Utica warnt. Das Ensemble Concerto Köln unter der Leitung von Gianluca Capuano erweist sich als Experte für Vivaldis frische Musik, die zwischen den teils langen Rezitativen nahezu jede Arie zu einem musikalischen Glanzpunkt avancieren lässt, und rundet den Abend wunderbar ab, so dass es am Ende für alle Beteiligten großen Applaus gibt.

FAZIT

Für diese musikalisch großartige Produktion hätte man sich mehr Publikum gewünscht. Es bleibt zu hoffen, dass der erste Akt noch irgendwann auftaucht und man das Werk dann in vollem Glanz erleben kann.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung und Cembalo
Gianluca Capuano

 

Concerto Köln

 

Solisten

Catone
Richard Croft

Cesare
Kangmin Justin Kim

Marzia
Adriana Bastidas Gamboa

Arbace
Claudia Rohrbach

Emilia
Vivica Genaux

Fulvio
Margarita Gritskova


Weitere
Informationen

erhalten Sie von der
Oper Köln
(Homepage)



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