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Musiktheater
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The Turn of the Screw

Oper in einem Prolog und zwei Akten
Libretto nach Myfanwy Piper nach einer Erzählung von Henry James
Musik von Benjamin Britten



in englischer Sprache mit deutschen Übertiteln

Aufführungsdauer: ca. 2h 30' (eine Pause)

Premiere im Kleinen Haus des Musiktheater im Revier am 10. September 2016


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Musiktheater im Revier
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Zunehmender Kontrollverlust

Von Stefan Schmöe / Fotos: Pedro Malinowski

Was in dieser Oper ist real, was entspringt der Fantasie? Benjamin Britten hat seine Grusel-Oper The Turn oft he Screw 1954 im Auftrag der Biennale Venedig für das Teatro La Fenice geschrieben, besetzt für ein Mini-Orchester von gerade einmal 13 Musikern. Um dem intimen, kammermusikalischen Gestus gerecht zu werden, lässt Gelsenkirchens Intendant Michael Schulz die Oper im Kleinen Haus des Musiktheater im Revier spielen, ganz nah am Publikum. Die Inszenierung dazu, von Rahel Thiel (Regie) und Lisa Schoppmann und Frederike Malke (Ausstattung), übernimmt er von der Musikhochschule Weimar, wo sie der Hochschul-Öffentlichkeit bereits gezeigt wurde. Jetzt kommt die Arbeit des sehr jungen Regie-Teams also zu Stadttheater-Ehren.

Szenenfoto kommt später

Schlechte Nachrichten verursachen erste Risse im geordneten Weltbild der Gouvernante: Miles ist von der Schule verwiesen worden.

Eine junge Frau tritt ihre Arbeit als Gouvernante auf einem unheimlichen Landsitz an, wo sie sich um die elternlosen Kinder Flora und Miles kümmern soll. Der Vormund ist abwesend und verbittet sich irgendwelche Nachrichten. Doch in dem Haus spuken die Geister des verstorbenen Dieners Quint und der ehemaligen Gouvernante Miss Jessel herum, deren Bann sich die Kinder nicht entziehen können. Am Ende flüchtet die Köchin mit Flora, während Miles in den Armen der Gouvernante stirbt. Das Libretto geht auf eine Novelle von Henry James aus dem Jahr 1898 zurück. Britten interessierte weniger der viktorianische Gruselfaktor als mehr die unterschwellige (Homo-)Sexualität: Miles steht unter dem Bann von Quint, Flora unter dem von Miss Jessel. Was genau in The Turn of the Screw passiert, das bleibt allerdings unklar. Vielleicht ist das alles auch nur Einbildung der Gouvernante.

Szenenfoto kommt später

Erziehungsprobleme: Flora zwischen der Gouvernante und der Haushälterin Mrs. Grose

Diese Perspektive nimmt Rahel Thiels Regie von ein. Die Gouvernante ist eine junge und ehrgeizige Frau, aber auch recht naiv. Dass ihre erzieherischen Möglichkeiten begrenzt sind, andere (nicht kontrollierbare) Einflüsse auf die Kinder wirken, das führt zur Katastrophe. Recht brav mit ein bisschen Verfremdung wird die Geschichte nacherzählt, mit einem einfachen Bettgestell für die Gouvernante an der Rampe links und einem aufgeschnittenen Kubus mit einem Treppenhaus als durchaus funktionstüchtiges Modell für das Herrenhaus. Alfia Kamalova singt und spielt diese Gouvernante anrührend, mit etwas scharfem, dabei durchsetzungsfähigem Sopran und sorgfältiger Nuancierung. Durch die unmittelbare Nähe zum Publikum kommen die vielen kleinen Gesten zur Geltung, und da ist die Regie sehr genau durchgearbeitet. Unklar bleibt aber die sexuelle Dimension, die hier am stärksten in der Figur der Flora deutlich wird. Judith Caspari (mit kraftvoll aufleuchtendem Sopran) gibt sie als katzenhaftes Wesen mit gehöriger Laszivität, ein Gegenpol zur verklemmten Gouvernante. Der kleine Bruder Miles, wie Flora mit hellblonder Perücke ein wenig puppenhaft, scheint davon unberührt. Alternierend besetzt durch Solisten des Knabenchores der Chorakademie Dortmund, singt und spielt an diesem Premierenabend Julius Röttger bravourös mit sehr sicher geführtem Knabensopran und beeindruckender Souveränität.

Szenenfoto kommt später

Das Unerklärbare rückt näher: Die Gouvernante und der verstorbene Diener Quint

Ein zentrales Problem von The Turn oft he Screw bleiben die Darstellungen von Quint und Miss Jessel. Hier sind die beiden, da schwächelt die Regie doch gehörig, offenbar der nächsten Geisterbahn entsprungen. Mit ihrer Bühnenpräsenz können Cornel Frey (mit sicherem, auch kraftvollem Tenor, der in den Piano-Passagen noch entrückter sein dürfte) und Petra Schmidt (großformatig auftrumpfend) zwar manches ausgleichen, aber so recht ernst zu nehmen sind diese Gespenster nicht. Zudem lässt sich, sobald die beiden einmal auf der Bühne stehen, die Schraube nicht weiter andrehen: Da fehlen der Regie die Mittel für einen weiteren "turn oft he screw", ein Anziehen der Spannung und des Unheimlichen, weil sich das Nosferatu-Gehabe alsbald erschöpft hat. Auch bräuchten die beiden Figuren ein wenig mehr Regiewillen zur Interpretation, um der Märchen-Beliebigkeit zu entkommen.

Szenenfoto kommt später

Im Bann der Gespenster: Miles zwischen Miss Jessel und Quint

Trotzdem ist vieles anrührend in dieser Aufführung, nicht zuletzt weil sehr engagiert gespielt und musiziert wird - das betrifft auch Noriko Ogawa-Yatake, ein Urgestein des Musiktheater im Revier, als solide Haushälterin Mrs. Grose. Allein dem jungen Tenor Ibrahim Yesilay, der den kurzen Prolog singt, müsste man verbieten, dauerhaft zu forcieren. Ganz ausgezeichnet spielen die dreizehn Musiker der Neuen Philharmonie Westfalen unter der umsichtigen Leitung von Valtteri Rauhalammi, die hier unverdeckt auf der Bühne sitzen. Man muss, gerade in den solistisch besetzten Streichern, ohne das schützende Kollektiv erst einmal den Grundton dieser Musik treffen - das gelingt hier hervorragend. So wird die Musik auch sichtbar in die Inszenierung aufgenommen. Etwas genauer hätten da auch noch die vielen Szenenwechsel in Brittens beinahe filmischer Dramaturgie hervorgehoben werden können, die mitunter etwas holprig verlaufen. Als Gesamtpaket aber funktioniert The Turn oft he Screw in dieser Lesart sehr ordentlich.


FAZIT

Um die zentrale Frage des Stücks "Wie hältst Du's mit der Sexualität?" drückt sich die Regie etwas unbeholfen herum, erzählt die Geschichte aber passabel nach. Und weil dazu sehr schön gesungen und musiziert wird, setzt das Musiktheater im Revier damit seinen Britten-Zyklus auf hohem Niveau fort.


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Valtteri Rauhalammi

Inszenierung
Rahel Thiel

Bühnenbild und Kostüme
Lisa Schoppmann
Frederike Malke

Licht
Patrick Fuchs

Dramaturgie
Juliane Schunke
Gabriele Wiesmüller



Neue Philharmonie Westfalen


Solisten

* Besetzung der rezensierten Aufführung

Prolog
Ibrahim Yesilay

Gouvernante
Alfia Kamalova

Miles
Moritz Bouchard /
Jonas Hübner /
* Julius Röttger
Solisten des Knabenchors der
Chorakademie Dortmund

Flora
Judith Caspari

Mrs. Grose
Noriko Ogawa-Yatake

Quint
Cornel Frey

Mis Jessel
Petra Schmidt



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