Federico Longhi als Titelheld Falstaff im Musiktheater Linz.

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Linz – Giuseppe Verdi müssen Alter und Ruhm doch recht entspannt gemacht haben. Nach fünf Jahrzehnten schrieb der "Drama King" der italienischen Oper eine federleichte Komödie, als deren Hauptfigur er sich aus Shakespeares Figurenfundus ausgerechnet einen alten Schmarotzer erwählte, fett, hässlich, berechnend und dauerberauscht vom Alkohol und von sich selbst: Falstaff.

Zum Start seiner Intendanz am Linzer Landestheater wählte Hermann Schneider ausgerechnet Verdis zartmelancholischen Abgesang, Guy Montavon inszenierte die hintersinnige Lachnummer und verlegte das muntere Treiben aus der Zeit Heinrichs IV. in die des italienischen Opernregenten.

Die industrielle Revolution nährt ihre Väter, Ford (die Opernfigur, nicht der Automagnat) besitzt eine schmucke Fabrik, in deren Hinterhof Falstaff haust, neben dem Häusl gleich rechts. Ein Bett ist sein Büro, hier schmiedet der verarmte Ritter Pläne für seine amourösen Kreuzzüge. Federico Longhi ist ein physisch und vokal beeindruckender Falstaff, der zu Beginn etwas zu sehr auf die Demonstration vokaler Potenz setzt, im Verlauf des Abends aber zu Nuancen findet. Matthäus Schmidlehner (als strahlend heller Bardolfo) und Dominik Nekel (als Pistola mit kraftvollem Bass) sind des Lügenbarons listiges Lumpenpack, nobel Martin Achrainers Ford, Pedro Velázquez Díaz singt den Dr. Cajus mit drallem Tenor und oft etwas zeitverzögert.

Die Damen setzen auf Dezenz: Christa Ratzenböck ist als Mrs. Quickly ein vokales Leichtgewicht, von der selbstbewussten Myung Joo Lee hätte man sich (als Alice Ford) einen runderen Stimmcharakter gewünscht, unauffällig Martha Hirschmann als Meg Page. Mit schlank-grazilem Sopran besingt Fenja Lukas (Nanetta) den Mond und ihren Liebsten, den Jacques le Roux (Fenton) dank der leichtgängigen Strahlkraft seines Tenors zum vokal hellsten Stern des Abends macht.

Bei den Treffen des jugendlichen Liebespaars evoziert Verdi immer wieder kurz die alte Welt der großen romantischen Oper, ansonsten schildert er das lustvolle Treiben seines adipösen Antihelden in einer abgespeckten, leichtfüßigen Orchestersprache. Dennis Russell Davies hat am Premierenabend noch alle Hände voll zu tun, das Bruckner-Orchester Linz und die Solisten zu koordinieren; die musikalischen Erzählungen könnten noch an Witz gewinnen.

Musicalhafte Oberflächlichkeit bestimmt die Inszenierung von Montavon, dem Hank Irwin Kittel stimmungsstarke Bühnenbilder baut: Die Maschinenhalle von Fords Fabrik erinnert an Chaplins Modern Times, der Park von Windsor wird zum Lunapark; Falstaff wird als Krusty der Clown zum Hau-den-Lukas und wird als dieser zum Schluss sogar zu Tode gebracht. Dezente Premierenbegeisterung dafür. (Stefan Ender, 17.9.2016)