Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Foto © Bernd Uhlig

Aktuelle Aufführungen

So rätselhaft machen es nicht alle

COSÌ FAN TUTTE
(Wolfgang Amadeus Mozart)

Besuch am
25. September 2016
(Premiere)

 

 

Deutsche Oper Berlin

Dem jungen Schauspielregisseur Robert Borgmann, der selbst auch die Bühne verantwortet, gelingt zusammen mit Carsten Rüger, der die feinabgestuften Lichteffekte kreierte, Lianne van de Laar, die die Videoelemente verantwortet und den Kostümen von Michael Sonntag, eine in Teilen traumschöne visuelle Umsetzung dieser neuen Berliner Così. Der Abend wird mithin getragen von feinsinnigsten Licht-, Video-, Kostüm- und Bühnenbildelementen.

Das schöne und berückende Erscheinungsbild der Szenerie geht allerdings nicht einher mit einer traditionellen inhaltlichen Bebilderung Neapels oder eines andersartigen naturalistischen Umfelds. Vielmehr wird die ohnehin ohne Abstraktion kaum zu goutierende Handlung durch ein hohes Abstraktionsniveau bei der bildlichen Umsetzung begleitet.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

Während im ersten Akt nachgerade Elemente eines Stilllebens von edlen Stoffen und welkender Natur über die sich in unterschiedlicher Geschwindigkeit bewegende Drehbühne verstreut sind, vollzieht sich mit dem zweiten Akt ein erheblicher Bruch: Hier kreisen zunächst Versatzstücke der alten Rokokowelt wie Cembalo oder Leuchter zusammen mit Emblemen einer Industriekultur, beispielsweise in Gestalt einer Ölförderpumpe auf der Drehbühne. Die Welt eines verspielten Barocks ist einer Kultur des berechnenden, auf Gewinn bedachten Handelns gewichen.

Foto © Bernd Uhlig

Zum Schluss, bei der Aufdeckung der an die eingeschlichenen Liebhaber verheirateten Frauen, ist die Bühne leergeräumt und das Personal der Oper, einschließlich des Chores sowie der zeitweise sichtbaren Bühnenarbeiter, treten in Alltagskleidung der Jetztzeit auf. Alle singen brav die besänftigenden Worte des Schlusstextes, stehen dabei steif und regungslos da, scheinbar ohne rechtes Bewusstsein der Geschehnisse, ja, anscheinend nicht einmal in Unruhe oder Zweifel über die richtige Partnerwahl. Die Darsteller wirken nach allem Geschehen wie ein beziehungsunfähiger, trauriger Rest der zuvor so spielfreudigen Truppe.

Mithin ein melancholischer Blick auf den über die Zeit vermuteten Verlust menschlichen Zutrauens und zunehmende Beziehungsunfähigkeit und Vereinsamung als Preis für den berechnend-trügerischen Umgang miteinander?

So könnte es sein. Ob der Regisseur und sein Team das allerdings wirklich konzeptionell so zum Ausdruck bringen oder ganz andere Gedanken umsetzen wollten, wird letztendlich nicht klar. Zu assoziativ-freischwebend und daher beliebig, nicht geerdet, sind insbesondere im zweiten Aufzug die Bildwelten. Zu wenig ausdrucksstark und traditionell-opernhaft agiert die sympathische, junge Sängertruppe.

Zusätzlich wirkt die Personenführung über weite Strecken überraschend traditionell und opern-klischeehaft trotz eines durchweg agilen jungen Sängerensembles.

Dabei bewegt sich das musikalische Niveau der Produktion auf allerhöchstem Niveau. Glänzend Nicole Car als Fiordiligi mit einem außerordentlichen Sinn für die feine Struktur der beiden großen Arien. Ebenbürtig Stephanie Lauricella als Dorabella und die quicklebendige, und zeitweise in schwarzer Lackmontur agierende Despina von Alexandra Hutton.

Paolo Fanale begeistert mit wunderbar müheloser Mittellage und Höhe, John Chest als Gugliemo singt und spielt einen im zweiten Akt die Handlung kritisch begleitenden, verletzten Liebhaber mit Bravour und wunderschönem Ausdruck. Don Alfonso wird in dieser Produktion als wesentlich jüngerer, nicht so distanzierter Zyniker, wie so oft in anderen Produktionen des Werkes, in die Gruppe der Protagonisten integriert. Noel Bouley bleibt der Partie in stimmtechnischer und darstellerischer Hinsicht nichts schuldig.

Jedem einzelnen Mitglied des glanzvollen Ensembles gelingt es zudem, in den Arien und Ensembles eine einwandfreie und nuancierte Balance zum großen Raum der Deutschen Oper zu finden, der in dieser Inszenierung durch die teilweise offene Hinterbühne zu starkem Hall und anderen akustischen Überraschungen taugt.

Der Chor der Deutschen Oper Berlin unter der Leitung von Raymond Hughes rundet die hohe gesangliche Leistung ab.

Meisterhaft die Leistung des Orchesters der Deutschen Oper Berlin. Donald Runnicles und seine Mannschaft haben es über die Jahre zu einer Meisterschaft außerordentlichen Ranges gebracht. Ihr Mozart klingt präsent, beweglich, feinsinnig und humorvoll und sorgt mit seinem federnden Rhythmus den gesamten Abend für ein spannendes und klangschönes Mozart-Fest. Die Sänger fühlen sich wohl und wie auf Händen getragen. Besondere Erwähnung verdienen zudem Maria Pstrokonska-Mödig am Violoncello und Elda Laro am Fortepiano.

Das Publikum ist von der Inszenierung und den rätselhaften Bildwelten überrascht – es kommt zu nur sehr vereinzelten Buhrufen für das Leitungsteam. Starker, langer Applaus und Bravorufe für alle Sänger, Donald Runnicles und das Orchester der Deutschen Oper Berlin.

Achim Dombrowski