Eine phänomenale Olympia (Beate Ritter) neben Herrn Hoffmann (Mirko Roschkowski) in "Hoffmanns Erzählungen" an der Volksoper.

Foto: Barbara Pálffy

Wien – Das Orchester hat soeben seine Einleitung begonnen, da unterbricht es jemand: Der, der da wild herumschreit, stellt sich dem Publikum als niemand anderer als der Teufel vor, um dann anzukündigen, die Vorstellung finde nicht statt. Es riecht jedoch nicht nach Schwefel, sondern ein wenig nach dem Knalleffekt aus einer Schultheateraufführung, und diese Anmutung stellt sich im Laufe des Abends noch mehrfach ein. Klarerweise wird Hoffmanns Erzählungen von Jacques Offenbach an der Volksoper dann doch gespielt, und erwartungsgemäß schlüpft der Wutbürger aus der Unterwelt mit der mächtigen Stimme von Josef Wagner in die Rollen der Bösewichter aus den zentralen Akten der "Fantastischen Oper".

Das ist nun freilich kaum eine so große Interpretationsidee, als die sie Regisseur Renaud Doucet und sein Ausstatter André Barbe gerne verkaufen möchten, sondern es wird im Textbuch ohnehin offen ausgesprochen, wie diese Figuren erscheinen: Doktor Mirakel im Antonia-Akt etwa direkt als "Satan". Auch den Charaktertenor mit den kleinen komischen (Diener-)Rollen als Offenbach auszustaffieren, ist nicht sonderlich originell. Da mag sich Christian Drescher noch so erfolgreich um Groteskheit bemühen: Wenn er bei jedem der Ohrwürmer ausladend dirigierend mitschwelgt, wird das ab dem zweiten Mal platt.

Füllhorn von Melodien

Dabei vollbringt der richtige Dirigent im Orchestergraben, Gerrit Prießnitz, das genaue Gegenteil solcher Plattheiten: Spritzig und straff lässt er die Musik pulsieren. Die Farben, die er dem Volksopernorchester entlockt, sind reich und schillernd, von kostbarer Zartheit beseelt ist das Füllhorn von Melodien, in die sich ein wenig Kühle und Distanziertheit schleichen – der ideale Ansatzpunkt, um szenisch subtil daran anzuknüpfen, was freilich gerade nicht geschieht.

Gesungen wird statt auf Französisch auf Deutsch, was für sich ein Problem ist, doch ansonsten ordentlich bis exzellent: Als Hoffmann ist Mirko Roschkowski äußerlich ein Normalo von nebenan und singt entsprechend: nicht spektakulär, aber sehr gediegen und erstaunlich unangestrengt. Virtuos und wendig wechselt Juliette Mars als mit Goldpatina umhüllte Muse bzw. als Niklaus die Tonfälle. Hoffmanns drei Geliebte sind allesamt eindrückliche Erscheinungen: Anja-Nina Bahrmann gibt die Antonia mit üppiger, großer Opernstimme, Kristiane Kaiser die Giulietta mit kühler Noblesse.

Geradezu phänomenal gibt Beate Ritter die Olympia: mit gleichsam kalligrafischen, gestochen scharfen Koloraturen, Präzision und Witz. Gerade an ihrer Arie zeigt sich aber, wie die Inszenierung vordergründige Komik sucht, dann jedoch ins Leere läuft:

Dass die Puppe zwischen ihrem maschinenhaft abgespulten, körperlosen Gesang lüsternes, menschliches Stöhnen absondert, sorgt für manche Lacher, bleibt aber ein leerer Effekt – ebenso wie die vielen anderen sexuellen Eindeutigkeiten, die im szenischen Arrangement lose eingestreut sind, wenn auf der Bühne gerade ansonsten wenig passiert.

Somit geht der große Aufwand leider großteils ins Leere – es sei denn, man begnügt sich mit vordergründigem Effekt. Was diese Oper sonst noch sein könnte, bleibt ein Versprechen. (Daniel Ender, 16.10.2016)