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Giuseppe Verdis altersweises Lachen über die Narrheit der MenschenVon Stefan Schmöe / Fotos von Paul Leclaire
Das Orchester lacht. Und es lacht sogar ganz vorzüglich, in diesem Fall das Kölner Gürzenich-Orchester, obwohl die akustischen Bedingungen im Staatenhaus, dem Ausweichquartier der Oper, keineswegs optimal sind. Unter der Leitung von Will Humburg erklingt Verdis filigrane Wundermusik mit federnder Motorik, die schon auf Strawinsky hindeutet, mit frechen Akzenten, aber immer wieder lauernd zurück genommen. Die lyrischen Einwürfe dirigiert Humburg geradezu ehrfurchtsvoll staunend. Nebenbei muss man die vertrackten Ensembles ja auch erst einmal zusammen bekommen, was (fast) immer auf den Punkt gelingt - und die Regie von Dietrich W. Hilsdorf verteilt den Chor gerne im Zuschauerraum. Einmal mehr erweist sich Will Humburg als einer der versiertesten Verdi-Dirigenten landauf, landab. Ehre? Davon hat der Bauch nichts. Falstaff (rechts) mit seinen Dienern Pistola und Bardolfo (hinten)
Das ausgezeichnete Gürzenich-Orchester sitzt neben der dreieckigen Bühne, deren Spitze auf die Zuschauer zeigt. Bühnenbildner Dieter Richter greift die funktionelle Architektur des Saales ironisch auf, verpasst einigen der schmucklosen Säulen Kapitelle, baut in die schwarze Rückwand ein paar edle Türen ein, und schon hat man großbürgerliches Ambiente, das gleichzeitig ganz nah dran ist an der Wirklichkeit des Staatenhauses. Auch die Kostüme von Renate Schmitzer sind ganz gegenwärtig, Frack für die Herren, Cocktailkleider für die Damen des Chores, ein bisschen individueller und traditioneller für die vier weiblichen Solo-Partien. Der Paravent im Hause Ford ist bedruckt mit einem Ausschnitt aus Otto Dix' Großstadt-Triptychon von 1928. Trotzdem sieht das nicht "modern" aus, vielmehr bleibt das Spiel in der historischen Schwebe. Natürlich geht uns das an, das sagt ja schon der Text der Schlussfuge, und doch erzählt die Regie beinahe konventionell die Geschichte nach, jedenfalls auf den ersten Blick, und das mit der Hilsdorf-gewohnten Akribie in der Personenregie; keine Geste, kein Detail, das nicht penibel durchgearbeitet wäre. Und keine Figur, die nicht zum schillernden, vielschichtigen Charakter plastisch ausgeformt wäre. Das beginnt beim leichten Schock, den Alice und Meg Page erfahren, wenn sie gegenwärtigen, denselben Liebesbrief von Falstaff erhalten zu haben. Denn liebessüchtig, das sind sie alle. Falstaff und Alice
Hilsdorf durchbricht das Spiel: Die Souffleuse - Beate Lenzen verdient es, beim Namen genannt zu werden, denn sie wird stark einbezogen - sitzt deutlich sichtbar an der Bühne. Falstaff hat im dritten Akt seinen Stoff-Bauch ausgezogen und trägt ihn in der Hand (dabei täte mehr Bauch, also mehr Falstaff-Lebensgefühl, vermutlich den meisten auf der Bühne gut). Der Tisch, an dem Falstaff zunächst alleine sitzt, setzt sich hinter einem Vorhang fort in den Salon der Fords. Es ist kein naturalistisches Theater, das Hilsdorf hier vorführt, aber es ist immer naturalistisch genug, um jederzeit die Geschichte in Gang zu halten. Im heiklen Schlussbild mit dem Feenspuk, das eigentlich immer danebengeht (da hat Verdi den Regisseuren eine üble Szene hinterlassen), belässt Hilsdorf es bei ein paar deftigen Andeutungen (statt im nächtlichen Park spielt auch diese Szene im Salon) und setzt den Akzent auf die Choristinnen im Brautkleid wie Nanetta, die schließlich ihren Fenton heiraten wird - und überlässt der unwirklich schönen Musik den Vortritt. Ford (rechts) und Dr. Cajus
Das ist nicht nur exzellent gespielt, sondern auch auf hohem Niveau (und sehr genau der Personenregie angepasst) gesungen. Lucio Gallo ist ein vom Timbre her eher schlanker, stiimmgewaltiger und sehr differenziert singender Falstaff, dem vielleicht noch ein paar Kraftreserven zum ganz großen Opernglück fehlen. Nicholas Pallesen singt einen bravourösen, strahlenden Ford (mit hinreißend gefährlichem Wutanfall). Liparit Avetisyan hat als Fenton einen schön baritonal timbrierten Tenor, der leider in der Höhe nicht recht frei wird. Martin Koch mit hellem, präsentem Tenor ist ein vorzüglicher Dr. Cajus, und Ralf Rachbauer als Bardolfo und Lucas Singer als Pistola sind pointiert singende Diener. Finale: Hier spukt's
Die Damenriege wird angeführt von Natalie Karl als souveräner Alice Ford von hoher Bühnenpräsenz. Adriana Bastidas Gamboa ist eine attraktive, stimmlich eher unauffällige Meg Page, Dalia Schaechter liefert als Mrs. Quickley komödiantische Kabinettstückchen, wobei es ihrer Stimme in der tiefen Lage an Substanz fehlt. Emily Hindrichs ist eine nicht zu kleinformatige Nanetta mit sehr schönem Piano in der hohen Lage (das Forte klingt eine Spur angestrengt). Zupackend und präzise, aber auch mit betörend schönem Klang in den lyrischen Stellen singt der von Andrew Ollivant bestens einstudierte Opernchor.
Eine unaufgeregte, klug durchdachte und ungeheuer genau gezeichnete Inszenierung auf musikalisch hohem Niveau. Ihre Meinung Schreiben Sie uns einen Leserbrief (Veröffentlichung vorbehalten) |
Produktionsteam
Musikalische Leitung
Inszenierung
Bühnenbild
Kostüme
Licht
Choreinstudierung
Dramaturgie
SolistenSir John FalstaffLucio Gallo
Bardolfo
Pistola
Ford
Alice Ford
Nannetta
Miss Quickly
Meg Page
Fenton
Dr. Cajus
Wirt
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