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"Salome": Dekadente Endzeitstimmung im Linzer Musiktheater

Drei Epochenbrüche überlagern sich bei Richard Strauss' frühem Erfolgsstück "Salome": Die der Zeit um Christi Geburt mit dem Aufkommen einer neuen Religion, die Entstehungszeit des Werks um die Wende zum 20. Jahrhundert in ihrer fatalistischen Dekadenz und die unserer Ist-Zeit. Regisseur Marc Adam fokussiert dabei am Samstag im Linzer Musiktheater auf den dritten Aspekt.

Die biblische Geschichte von König Herodes, der auf Wunsch seiner Frau und ihrer Tochter Johannes den Täufer köpfen lässt, war von Oscar Wilde in ein vor Überspanntheit und Begierde knisterndes Theaterstück verwandelt worden. Dies wiederum setzte Richard Strauss in orientale Klangopulenz um und etablierte sich nicht zuletzt dank des programmierten Skandals als Opernkomponist. Der französische Regisseur Adam verlegt für Linz das Spiel einer dekadenten Herrscherelite um Nekrophilie, Inzest und Pädophilie in die Endzeitstimmung einer heutigen Autokratie. Das Bühnenbild von Annemarie Woods evoziert zerstörte arabische Diktaturenburgen ebenso wie den legendären Ceausescu-Palast in Bukarest.

Am trittsichersten bewegte sich durch dieses postapokalyptische Szenario Ensemblemitglied Seho Chang, der den als Saddam Hussein bei seiner Festnahme gestylten Propheten Jochanaan mit mächtigem Bariton in hoher Textverständlichkeit interpretierte und dafür am Ende zu Recht den meisten Applaus erhielt. Der religiöse Fanatiker ist in seiner Ideologie gefangen und fühlt sich dennoch auch zu der ihn bezirzenden Salome hingezogen, was der Figur ihre Eindimensionalität nimmt.

Dabei hatte Chang im Gegensatz zu den Kollegen keine Probleme, über die Klangwand des Bruckner Orchesters zu kommen. Dieses absolvierte die Monumentalaufgabe der Strauss-Partitur unter Musikdirektor Dennis Russell Davis abseits kleinerer Intonationswackler bravourös und schien die Möglichkeit zu genießen, aus dem klanglich Vollen schöpfen zu können. Dies stellte die Sänger allerdings streckenweise vor das Problem, über den Orchestergraben hinauszukommen.

So ist die deutsche Sopranistin Astrid Weber - in Linz wohlbekannt als Marschallin im "Rosenkavalier" - eine verzogene, gelangweilte Salome in Partygirl-Outfit, die sich mit sicherer Mittellage streckenweise allerdings mit den Tiefen der Partie mühte und einen in seiner ausgestellten Banalität und scheinbaren Improvisation amüsanten Schleiertanz bot. Einen grundsoliden, die Angst um seine bröckelnde Herrschaft durch Geilheit und Perversion verdrängenden Herodes gab der Ire Paul McNamara, dem sich Ensemblemitglied Karen Robertson als wuchtige Matrone Herodias beigesellte. Als Soldat Narroboth rundete mit schneidend-klarem, raumfüllendem Tenor Tuomas Pursio das Tableau ab.

Am Ende wurde der Applaus einzig beim Regieteam um Marc Adam etwas verhaltener. Die neue Linzer "Salome" ist dabei eine stimmige Freilegung des Werkkerns auf seine aktuelle Bedeutung mit solider Sängerleistung. Nicht mehr, aber eben auch nicht weniger.

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