Die Bühne ist zur abgehalfterten Lagerhalle umfunktioniert. In der Mitte blickt der Zuschauer in einen einfachen Brettervorschlag und im Hintergrund sorgt eine riesige Videoprojektion für authentische Tiefenwirkung. Schon nach den ersten, ausdrucksstarken Takten wird klar: Die bayerische Staatoper inszeniert Schostakowitschs Lady Macbeth von Mzensk als dystopischen Film noir mit starken szenischen und musikalischen Akzenten.

Im Zentrum der Handlung steht die kinderlose Kaufmannsfrau Katerina Ismailowa, die sich verzweifelt nach Lust und Liebe sehnt. In ihrem Elend fängt sie eine Affäre mit einem einfachen Arbeiter an. Als sie ertappt wird, vergiftet sie erst ihren Schwiegervater, bringt dann ihren Ehemann und schließlich sich selbst und ihren Liebhaber um.

Es ist eine Kritik an männlicher Gewalt, eine Karikatur der bolschewikischen Gesellschaft, die unter der meisterlichen Regie von Harry Kupfer vor allem eines auslöst: unser Mitleid am tragischen Schicksaal von Katerina. Diese wird an diesem Abend von Anja Kampe gespielt und die Sopranistin brilliert vom ersten bis zum letzten Ton mit ihrem Rollendebüt. Mit unglaublicher Leichtigkeit changiert sie zwischen Hysterie und Melancholie, zwischen schrillen Tönen und lyrischer Tiefe und überstrahlt damit absolut überzeugend den Rest des Ensembles.

Die beiden Tenöre Sergei Skorokhodov und Misha Didyk können sich ihr gegenüber nicht durchsetzen. Skorokhodov fehlt eindeutig der Tiefgang, auch wenn er den düpierten Ehemann überzeugend und mit unglaublicher Strahlkraft singt. Didyk spielt den Liebhaber Sergej sehr überspitzt, liefert gesanglich aber eher solides Handwerk, als Glanzleistung ab. Auch Anatoli Kotscherga ist der Rolle als Schwiegervater schlussendlich nicht vollkommen gewachsen. In der Tiefe bröckelt seine Stimme etwas ab, auch fehlt das diabolische Element. So wird sein Boris Ismailow leider zum schnöden Tattergreis, ganz ohne Autorität.

Deutlich ausdruckstärkere Töne schallen an diesem Abend hingegen aus dem Orchestergraben. Kirill Petrenko hat das Orchester, wie immer, voll im Griff. Voller Energie, oftmals erstaunlich lyrisch, gerne auch grotesk und nicht selten leise, poetisch und kammermusikalisch schillert das Bayerische Staatsorchester in all seinen Facetten. An jeder Stelle bietet Petrenkos feinfühliges Dirigat den Solisten den nötigen Raum, um ihre Rolle frei auszugestalten, aber wirft in den vielen Zwischenspielen der Oper farbenreiche Schlaglichter in den Orchestergraben. Der Generalmusikdirekter setzt dabei aber – sogar dann, wenn die Blechblässer aus den Logen erklingen – auf minutiöse Ausdifferenzierung von Schostakowitschs sehr lautmalerischen Klangraum.

Der Chor und die gesamte Bühne geraten dabei schnell in den Hintergrund. Altmeister Harry Kupfer hat sich nicht für eine politisierende Interpretation der Lady entschieden. Insbesondere die Kostüme (Yan Tax), bei denen die rote Robe der Katerina der einzige Farbtupfer bleibt, könnten fast schon als historisch authentisch beschrieben werden. Alles ist grau, alles ist schmuddelig. Gezeigt wird die graue, verzweifelte Masse in kruden Umhängen und Hemden, die von Stalin millionenfach in den Tod geschickt werden wird.

Es kann sicherlich kritisiert werden, dass der Großteil der Solisten auf reine Staffage ohne kritischen Tiefgang reduziert wird. Eine bisher ungehörte Botschaft oder bahnbrechende Neuinterpretation von Schostakowitschs Skandalwerk konnte an diesem Abend im Nationaltheater ebenfalls nicht herausgearbeitet werden. Stattdessen wurde vielmehr ein unglaublich schlüssiges Gesamtbild geschaffen, in dem das gesamte Ensemble eine beindruckend kontinuierliche Höchstleistung abliefern konnte. Die Inszenierung zeigt so vor allem meisterliches Regiehandwerk, musikalischen Feinsinn auf höchsten Niveau und eine brillante Anja Kampe. Absolut sehenswert.

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