Opernnetz

Kulturmagazin mit Charakter

Anna Netrebko als Lady Macbeth - Foto © Wilfried Hösl

Aktuelle Aufführungen

Golgatha modern

MACBETH
(Giuseppe Verdi)

Besuch am
22. Dezember 2016
(Premiere am 2. Oktober 2016)

 

 

Bayerische Staatsoper München

Seit neun Jahren steht die Inszenierung dieser grauenvollen Geschichte um den unglücklichen, am Ende geisteskranken schottischen Herrscher auf dem Münchner Spielplan. Martin Kusej schuf eine beklemmende, nüchterne Interpretation, die noch heute die Gemüter im Publikum mit der expressiven, realen Darstellung erhitzt. Urinierende Hexen prophezeien des Herrschers Schicksal, oder das von Kriegen und Plünderungen gepeinigte Volk beklagt vor aufgehängten, nackten Leichen sein Schicksal. Diese Oper steckt voller Gewalt, skrupelloser Machtgier und blutigen Kämpfen.

Macbeth, auch angestachelt durch sein Weib, erlangt durch das Ausschalten seiner Widersacher die Königswürde, aber auch den Wahnsinn, der zu Schlüsselszenen der Oper führt. Vom Komponisten musikalisch meisterhaft verarbeitet, regt die Geschichte die Fantasie der Regisseure an, die sich gerne an dem Werk austoben.

POINTS OF HONOR
Musik
Gesang
Regie
Bühne
Publikum
Chat-Faktor

In München ist die Bühne in der Gestaltung von Martin Zehetgruber den ganzen Abend mit weißen Totenköpfen übersät, über die der Chor, die Statisten und Sänger mehr oder weniger elegant balancieren. Ein Zelt am rechten Bühnenrand symbolisiert das Unheil und deckt die Gräueltaten zu, die zumeist im Inneren stattfinden. Grelle Lichteffekte verschärfen ab und an das martialische Grauen.

Foto © Wilfried Hösl

Auch für die Sänger bietet dieses Opus Terrain, sich mit ihrem Können darzustellen. Für jeden hat Giuseppe Verdi prächtige Melodien in diesem kantigen Kontext komponiert. Franco Vassallo in der Titelrolle blüht förmlich auf und legt seinen prächtigen Bariton formvollendet auf den schwungvollen Orchesterklang. Er behält immer ausreichend Reserve, um ohne Druck, aber mit Wucht noch eine Steigerung bieten zu können. Die intimen Momente der Angst, der Zweifel und des Wahnsinns sprühen vor Lyrik und menschlich weichen Zügen. Im Vorfeld gab es den üblichen Medienrummel um die Diva des Abends – Anna Netrebko als seine Ehefrau Lady Macbeth. Sicher hält sie den Erwartungen stand und brilliert als ehrgeizige, wahrlich über Leichen gehende Karrierefrau. Schon in ihrer Eingangsszene zieht sie alle Spannung auf sich, wenn sie den Brief ihres Gatten leidenschaftlich vor Publikum vorliest, gefühlvoll steigt sie weiter in die Rolle ein und verinnerlicht den Charakter der mordenden Gattin in der anspruchsvollen Inszenierung. Da muss man Anerkennung und Respekt aussprechen, wenn der Superstar im Nachthemd ins Zelt kriecht, um dem bereits röchelnden König Duncan noch ein paar Messerstiche zu versetzen, oder auf dem Lüster stehend durch den großen Bühnenraum schaukelt. Aber es gefällt ihr spürbar, diesen anderen Charakter darstellen zu können, als immer nur leidende Verliebte. Ihre Stimme hat an dunkler Färbung hörbar gewonnen, aber die klingende, leichte Höhe erklimmt sie unverändert mit sanfter Technik und Souveränität. Weniger überzeugend ist ihr Gatte als Macduff. Mit Krücke agiert Yusif Eyvazov in der Bewegung eingeschränkt, und auch seine Stimme zeigt wenig Beweglichkeit. Zu laut, mit viel Kraft singt er seine Arie mit wenig Gefühl und Modulation. Dabei verfügt seine Stimme durchaus über eine sichere Höhe und Wärme in der Tiefe. Ildebrando D`Arcangelo legt seinen Banco mit viel Loyalität und Ehrlichkeit an. Makellos im Gesang bleibt sein Auftritt in der Spannung zurück.

Am Pult leitet Paolo Carignani umsichtig das Bayerische Staatsorchester. Flott in den Tempi und wuchtig in den Forti, lässt er aber ausreichend Platz für die Sänger. Sein Verdi zeigt Dramatik und Lyrik, gehaltvolle Bläser, lautstark wirbelnde Pauken, sowie tänzerische und kammermusikalische Seiten mit dem richtigen Schuss italienischer Finesse.

Das Publikum feiert seine Lieblinge und spendet viel und lange Applaus.

Helmut Pitsch