Sie ist wieder da – Josef Ernst Köpplingers überschäumend-witzige Inszenierung von Rossinis größtem Hit im Bühnenbild von Heidrun Schmelzer: Im heruntergekommen-morbiden Sevilla der Franco-Zeit ist zumindest ein Häuserblock bunt bemalt. Darin trifft Flamingorosa auf Kobaltblau, Limettengrün auf Zitronengelb, garniert mit einer korallenroten Wendeltreppe. In Kombination mit attraktiver Besetzung und ausgezeichnetem Orchesterspiel macht so ein Wiedersehen nicht nur optisch Freude.

Dabei ist gelungener Repertoire-Rossini mitnichten eine Selbstverständlichkeit; zu groß der technische Anspruch dieser Musik, die so leicht und pfiffig daherkommt und an der man doch grausam scheitern kann. Denn auch wenn Rossini seinem Publikum die eine oder andere Sorbetto-Arie gönnte (zwecks Konsum von Sorbets und anderen Erfrischungen während einer Aufführung, ohne Wesentliches zu verpassen), seine Opern sind für die Ausführenden kein Honiglecken: Ohne Präzision und die dafür notwendigen Proben geht es nicht; zu oft hörte man selbst an großen Häusern, wie die Geigen dem geforderten Tempo ungelenk hinterherfiedelten, Star-Mezzos jede vierte Note ihrer Koloraturen verschluckten und die komplizierten Puzzles, welche Rossini-Finali nun einmal sind, sich nicht zusammenfügten.

Glücklicherweise traf nichts davon auf den aktuellen Volksopern-Barbier zu: Großen Anteil daran trägt Wolfram-Maria Märtig, der am Hammerklavier begleitete und mit seinem Dirigat dafür sorgte, dass das Geschehen auf der Bühne und im Graben nahtlos ineinander griff. Es dürfte auch fleißig geprobt worden sein, denn bei dieser Orchesterleistung offenbarte sich an eine alte Weisheit: Was man gut kann, macht auch Spaß – und der übertrug sich auch auf das Publikum.

Ebenfalls gefiel, was sich auf der (Dreh-)Bühne abspielte, wo bis hin zu den Auftritten der Kinderkomparserie alles perfekt durchchoreographiert war. Bei Bartolos tollpatschigem, alkohol- und fernsehaffinem Hausdiener Ambrosio bekam man zeitweilig sogar Sorge, dass die blutige Nase, die er sich an vielen zugeschlagenen Türen holte, echt sein könnte. Ebenso spielfreudig wie Martin Bermoser in dieser kleinen, von Köpplinger mit Slapstick aufgewerteten Rolle präsentierte sich Rollendebütant Ben Connor in der Titelpartie. Das ist in dieser Inszenierung auch wichtig, denn dieser Barbier singt nicht nur von viel Arbeit, er hat buchstäblich alle Hände voll zu tun. Connors schön-timbrierter und flexibler Bariton geht in Rossinis Notenregen nie unter, und auch seine Musikalität beeindruckt. Für den großmäuligen und vorlauten Figaro hätte es zwar ein wenig mehr Stimmvolumen sein dürfen; es kann aber auch gut sein, dass sich der gebürtige Australier Connor – obwohl sein Deutsch in dieser Partie exzellent ist – im gewohnten Italienisch einfach wohler fühlt, denn bis zu diesem Figaro hatte ich seine Stimme als sehr sonor in wahrgenommen.

Schmetternd, wenn auch nicht besonders stimmschön, stellte sich der zweite Rollendebütant JunHo You als Almaviva vor, der seine zwei Ständchen „Ecco ridente in cielo“ und „Se il mio nome“ auf Italienisch singen durfte. Angenehm orgelten die Bässe Yasushi Hirano als Basilio und Martin Winkler als Doktor Bartolo, wobei letzterer auch mit der Fähigkeit beeindruckte, Rosinas Sopran in perfektem Falsett nachzuäffen. Als zudringlicher Alter hatte er die Lacher auf seiner Seite und holte nicht zuletzt durch intelligenten stimmlichen Einsatz mehr aus dieser Partie, als man gemeinhin zu hören bekommt.

Beate Ritter als Publikumsliebling erfüllte die in sie gesteckten hohen Erwartungen, die sie zuletzt mit ihrer perfekten Olympia beim Volksopernpublikum geweckt hatte. Jugend, Schönheit und Können sind, man muss es neidlos anerkennen, schon per se eine unwiderstehliche Kombination; sie verfügt zusätzlich über einen großen und klaren, silberglänzenden Koloratursopran, der einen reizvollen Kontrast zu ihrer sehr natürlich und bodenständig gespielten Rosina bildet. Brava!

Die Vorstellung schloss mit viel Applaus, erwartungsgemäß am heftigsten für Beate Ritter, Martin Winkler, den Dirigenten und das Volksopernorchester. Ein Besucher fasste den Abend an der Garderobe treffend zusammen: „Man hat ja immer was zu meckern, aber das war heute richtig gut“.

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