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„Die Walküre“ - Teil 2: Grausame Männerwelt

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4987eaf9-24c2-4682-b730-c1b9ed38cf76.jpg © Karl & Monika Forster

Wagners „Ring der Nibelungen“ in einer einzigen Spielzeit im Staatstheater Wiesbaden auf die Bühne zu bringen, ist ehrgeizig. Jetzt war die „Walküre“ dran.

Das muss man Uwe Eric Laufenberg lassen: Er liest die Texte der Opern, die er inszeniert, sehr genau. Den der „Walküre“ zum Beispiel. Sie handelt von einer ersten Idee Wotans, den an die Alberich-Sippe verlorenen Ring und damit die Macht über die Welt zurückzugewinnen. Zu diesem Zweck hat er, unter dem Pseudonym „Wolfe“, Siegmund gezeugt. Fricka, die vielfach betrogene Gattin, redet ihrem Gemahl das Vorhaben jedoch aus. Anstatt dem Helden bei seinem Erlösungswerk zu helfen, bedrängt Wotans Tochter Brünnhilde Siegmund daher, gleich mit nach Walhall zu kommen, anstatt sich im Kampf mit Hunding zu messen.

Mit Jungfernkranz

Siegmund zögert: „Grüßt mich in Walhall froh eine Frau?“ – „Wunschmädchen walten hier“, verspricht die Walküre. Da strömen sie schon herein, nebenan ins Hauptquartier, die leichtbekleideten Frauen mit Jungfernkranz und räkeln sich auf dem Tisch, an dem zuvor die Führung der Wehrmacht Strategien für den Krieg ausgeheckt hatte. Eine bloße Illustration? Man denkt an die Verlockungen für islamische Attentäter der Gegenwart – ist das wirklich bei Wagner schon ein Thema? Oder Insignie einer machtgeilen Männerwelt, die sich zur Not nimmt, was sie nicht freiwillig bekommt?

Der Wiesbadener Intendant Laufenberg ist nicht erst seit seinem Bayreuther „Parsifal“ bekannt für seine Attacken auf Tabus im religiösen Diskurs. Auch beim Walküren-Ritt, einer der beliebten Schauseite im „Ring des Nibelungen“, zu Beginn des dritten Aktes, schaut Laufenberg genau hin. Wotans Töchter, die auf so merkwürdige Namen wie Gerhilde, Helmwige und Roßweiße hören, sammeln Helden, das heißt: Sie erschlagen wahllos junge Männer und bringen sie nach Walhall. Das ist nicht so protzend wie die Musik, sondern grausam; Tote und Verwundete werden hereingeschleppt, Wotans Töchter spielen mit Leichenteilen. Zum Staunen des Publikums trabt sogar – auch hiervon ist im Text die Rede – ein leibhaftiges Pferd über die Bühne, Walhall fungiert nun als eine Art Reithalle (Bühne: Gisbert Jäkel) und erinnert irgendwie an die Reichskanzlei. Diese Anspielungen von Wagners Welt an die deutsche Vergangenheit wirken jedoch eher schal, verbraucht, unnötig.

Sieglinde, die von Siegmund im Rausch des Lenzes geschwängerte Zwillingsschwester, erscheint bei Laufenberg in dreierlei Gestalt verschiedener Lebensalter, als Kind und junges Mädchen. Auch das hat seine Berechtigung, betont Wagner doch ständig in Erzählungen und Rückblicken die verschiedenen Zeitebenen dieser Handlung: Was gestern war und was heute geschehen muss, um morgen ein Ziel zu erreichen. Die werdende Mutter Siegfrieds (Thema in der nächsten Oper) muss sich einer gewalttätigen Soldateska hingeben. „Nicht freund und friedlich scheinen die Fremden“, träumt (und erlebt) sie und erinnert sich, wie schmerzhaft sie in ihrer Kindheit von ihrer Familie getrennt wurde.

Dass sich Hundings Haus als eine nicht ungemütliche Art Jägerstübchen darstellt, wirkt demgegenüber jovial, ironisch. Am Schluss wird Brünnhilde, statt auf einen Felsen, in ein mit Schwert und wogendem Busen drohendes Brünnhildendenkmal verbannt. Feuer und Bomben fallen vom Himmel, die Flugzeuge vielleicht gesteuert von den Walküren, die schon zuvor mit ihrer Kampfpiloten-Kostümierung (Antje Sternberg) aufgefallen waren.

Aus Leibeskräften

Handicap im Staatstheater ist ganz klar der offene Orchestergraben. Alexander Joel am Pult verzichtet darauf, die breit angelegte Dynamik nach oben zu limitieren, das Orchester spielt aus Leibeskräften, die Sänger müssen an den lauten Stellen alles geben, ohne immer durchzudringen. Zu bewundern ist daher nicht nur die Kondition von Gerd Grochowski, dem wütenden Wotan, der hinter aller Gefühlskälte seine Tochter und ihren Mut bewundert; von Sonja Gornik, einer strahlenden, kämpferischen Brünnhilde und Sabina Cvilak, die der Sieglinde neben dramatischen Höhen auch furchtvoll dunkle Tiefen verleihen kann. Resolut und herrisch Margarete Joswigs Fricka, Richard Furmans (Siegmund) kopfiger Tenor findet dagegen selten andere Ausdrucksmöglichkeiten als gleißende Kraft. Die Intensität der Aufführung konzentriert sich in den eher kammermusikalischen Dialogen: Frickas Streit mit Wotan, herrliche „Szenen einer Ehe“, Wotans Dispute mit der Lieblingstochter Brünnhilde, Brünnhildes vergebliches, auch emotional aufgeladenes Bemühen um Siegmund. Man darf auf den weiteren Verlauf dieser Erzählung, die dem Wiesbadener Publikum nicht einhellig gefällt, also gespannt sein.

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