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Hoffmanns Erzählungen

Fantastische Oper in fünf Akten
r> Libretto von Jules Barbier nach dem Drama von Jules Barbier und Michel Carré
Musik von Jacques Offenbach
Fassung von Michael Kaye und Jean-Christophe Keck

in deutscher Sprache, keine Übertitel

Premiere am 20. Januar 2017 im Südthüringischen Staatstheater Meiningen

Aufführungsdauer: ca. 3h (eine Pause)


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Südthüringisches Staatstheater Meiningen
(Homepage)
Die Frau auf dem Sockel

Von Joachim Lange / Fotos von Sebastian Stolz/filmwild.de

Die Oper Hoffmanns Erzählungen des Operettenkönigs Jacques Offenbach hat ein paar hinreißende Nummern, im Ganzen aber auch so ihre Tücken. Wäre man böswillig, könnten man von Stückwerk sprechen. Eine Nummernrevue. Und als solche auf die Bühne zu bringen. Oder etwas überkandidelt Selbstreferenzielle daraus machen. Mehrfach spiegeln wie Kunst entsteht und der Künstler dabei vor die Hunde geht. Zumindest beziehungsunfähig und allein bleibt mit sich und der Flasche. Selbst seine Muse muss sich als Kumpel Nicklausse verkleiden, damit das verkorkste Genie mit ihm loszieht. Es gibt Inszenierungen, wo man dabei den Faden verliert und sich der Abend in die Länge zieht.

In der jüngsten, in Meiningen einhellig bejubelten Neuinszenierung ist das nicht so. Der Regisseur Christian Poewe mag das Stück offensichtlich, vertraut dem Künstlerdrama - womöglich mehr als sein Schöpfer - auch als Oper, hat eine nachvollziehbare Inszenierungsidee. Er dekliniert die aber nicht nur einfach durch, sondern lässt dabei im szenischen Detail und bei der durchgängig intensiven Personenführung seine Fantasie so von der Leine, dass das Resultat eine wahre Freude ist.

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Der Dichter Hofmann mit seinen Frauen(bildern) im Hintergrund

Die Grundidee geht ungefähr so: Kunst kommt zwar von Können, wird aber durch Leiden am Leben befeuert. Das sieht dann so aus, dass man den Dichter in seinem Studenten-Parka schon bevor es losgeht auf der Logenbrüstung sitzen sieht, wie er mit dem leeren Papier ringt. Der Vorhang ist eine Art Stichworttafel. Mit Kreide notiert ist da nichts Richtiges, viel Gestrichenes. Auf dem Boden Manuskriptseiten und jede Menge Flaschen. Wenn der (Tafel-)Vorhang hochgeht, lässt er sich von den Saufkumpanen zur offenbar sehr beliebten Kleinzack-Geschichte provozieren. Die Choreographie des von Martin Wettges einstudierten (von ein paar Einsätzen mal abgesehen) fabelhaften Chors macht diesem und den Zuschauern offensichtlich Spaß. Der wird selbst immer wieder zum Protagonisten. Hoffmann verliert bei seinem Auftritt im engen Kreis den Faden und landet bei seinem Problem. Und das heißt Stella. Die gerade angesagte Donna Anna ist für ihn die Idealfrau. Er hat sie aber auf einen so hohen Sockel gestellt, dass sie für ihn gar nicht erreichbar sein kann. Dafür hat Christian Rinke einen Bühnenwürfel auf das Hubpodium der Drehbühne gesetzt. Der fährt für die nach den drei Teil-Traumfrauen Olympia, Antonia und Giulietta benannten Akten jeweils in die Höhe und gibt einen dazu passenden Unterbau zu erkennen. Allerlei technische Apparaturen daheim bei Olympia (mit wunderbar schlanken, punktgenauen Koloraturen: Monika Reinhard) und ihrem Vater bzw. Konstrukteur Spalanzani. Für seine Donald Trump-Perücke kriegt Xu Chang einen Sonderapplaus - schade, dass sich die sonst so phantasievolle Kostümfrau Tanja Hofmann dessen stets penetrant überlange Krawatte verkniffen hat. .

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Wie auf einem Sockel, oben auf der Bühne - die Traumfrau Stella

Im Antonia-Akt hängen unten die großen Rahmen für die sich geheimnisvoll bewegenden Fotos der verstorbenen Mutter. Elif Aytekin verleiht der todkranken Tochter ein Leidenspathos, das berührt. Als Rahmen für den Auftritt der Kurtisane Giulietta (auch stimmlich mit dramatischer Diven-Geste im hautengen Dessous-Dress: Camila Ribera-Souza) schließlich liefern goldüberzogene Spielautomaten, ein ebensolcher, halbnackter Muskelmann und gehörnte Männer im Gondoliere-Habitus die obligate Venedig-Atmosphäre zur Barkarole. Das ist genauso raffiniert wie zuvor die Perspektivenverschiebung, die durch das aufrecht stehende Krankenlager Antonias und die übergroße Fliege auf der gekachelten Wand entsteht. Und so wirkungssicher wie das urkomische Ambiente, in dem Olympia ihre Koloraturen trällert. Sie ist ein attraktiver Hausfrauenautomat. Wie aus der TV-Werbung der 1960er Jahre. Wunderbar, wie hier auch der gesamten Chor im Automatenhabitus ins Rennen geht. Während Hofmann alles durch die berühmte rosarote Brille sieht, können wir uns - wie selten in diesem Akt - darüber amüsieren.

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Olympia als Hausfrauenwunder

Der erfrischend unverbrauchte, hinreißend höhensichere Mirko Roschkowski (der diese Rolle auch an der Volksoper Wien singt) als Hoffmann und Caroline Krogius (mit spielerischer Gelassenheit und wachsender vokaler Souveränität) als sein Begleiter Nicklausse wandern gelassen durch die Geschichten. Immer wieder treffen sie auf Marian Krejcik als einem Widergänger des Teufels oder einfach dem advocatus diaboli des echten Lebens. Mehr mit entschlossener Eleganz als mit diabolischer Schwärze ist er der Lindorf, Coppelius, Dr. Miracle oder Dapertutto. Der ebenso wandelbar grotesk clowneske Helfer vom Dienst - vom stotternden Andrés über Cochenille und Frantz bis zu Pitichianaccio auf der Luftschaukel - ist eine Paraderolle für den Komödianten Sten Meus. In Meiningen singen sie die Fassung von Michael Kaye und Jean-Christophe Keck in deutsch - man versteht auch viel (bei Hoffmann sogar jedes Wort) - Übertiteln wäre trotzdem besser. (Aber das war's auch schon an Einwänden.)

Vergrößerung in neuem Fenster Giulietta und Hofmann

Hoffmann und sein Begleiter scheitern durchweg. Ziehen aber aus jeder Niederlage (vielleicht) den Nektar, der zu Kunst werden könnte. Am Ende freilich sieht mal Stella an der Seite eines Anderen davon ziehen. Hoffmann reist alle Vorhänge vom Bühnenwürfel. Als ein Mann zwar mit Erfahrung, aber ohne Illusionen landet er wieder zwischen seinen Notizen und bei seinen Flaschen. Alles auf Anfang. Das Ganze funktioniert auch deshalb szenisch durchweg packend ohne jeden Hänger, weil der erste Kapellmeister Chin-Chao Lin mit der Hofkapelle im tief abgesenkten Graben genau weiß, wann er sich zurückhalten und wann er richtig aufdrehen muss.


FAZIT

Im Meininger Theater wird die Neuinszenierung von Hoffmanns Erzählungen als szenischer und musikalischer Volltreffer gefeiert


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Produktionsteam

Musikalische Leitung
Chin-Chao Lin

Inszenierung
Christian Poewe

Bühnenbild
Christian Rinke

Kostüme
Tanja Hofmann

Choreinstudierung
Martin Wettges

Dramaturgie
Anna Katharina Setecki


Chor des
Meininger Theaters

Meininger Hofkapelle


Solisten

Hoffmann
Mirko Roschkowski

La Muse / Nicklausse
Carolina Krogius

Olympia
Monika Reinhard

Giulietta
Camila Ribero-Souza

Antonia
Elif Aytekin

Spalanzani
Xu Chang

Crespel
Mikko Järviluoto

Lindorf / Coppélius / Dapertutto / Dr. Miracle
Marián Krej?ík

Andrès / Cochenille / Pitichinaccio / Frantz
Stan Meus

Nathanael
Sangjun Lee

Luther
Dimitar Sterev

Hermann
Steffen Köllner

Stimme der Mutter aus dem Grab
Christiane Schröter

Schlemihl
Thomas Lüllig



Weitere
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