Theater Bonn Frühe Verdi-Oper "Attila" feiert Premiere

Bonn · Das Bonner Theater setzt die Serie mit unbekannteren Werken des italienischen Komponisten mit dem Attila“ in der Regie von Dietrich W. Hilsdorf fort. Das Beethoven Orchester brilliert unter Leitung von Will Humburg.

 Blutige Rache: Odabella (Yannick-Muriel Noah) hat den Tod ihres Vaters grausam gesühnt.

Blutige Rache: Odabella (Yannick-Muriel Noah) hat den Tod ihres Vaters grausam gesühnt.

Foto: Beu

Die Römerin Artemisia Gentileschi steht in dem Ruf, die bedeutendste Malerin des Barockzeitalters gewesen zu sein. Von ihrer bildnerischen Interpretation der biblischen Szene „Judith und Holofernes“ geht bis heute eine verstörende Faszination aus: Die schöne Judith beugt sich ruhig und konzentriert über das Bett des assyrischen Feldherrn, in der Hand dessen eigenes Schwert, das sie ihm kalten Blutes an den Hals setzt.

Dietrich W. Hilsdorf lässt in seiner Bonner Inszenierung von Giuseppe Verdis selten aufgeführter früher Oper „Attila“ just diese Szene schon während der Ouvertüre als Tableau vivant nachspielen. Denn auch in „Attila“ geht es um Tyrannenmord. Die junge Königstochter Odabella schwört, Rache für ihren von dem Hunnenkönig erschlagenen Vater zu üben und sie nach dem Vorbild der biblischen Judith auszuführen.

Tatsächlich wird nach knapp zwei Stunden pausenloser Spielzeit der Hunnenkönig Attila in seinem Schlafgemach dasselbe Schicksal erleiden wie Holofernes. Diese szenische Aktion ist Hilsdorfs Handlungsklammer für ein Stück, das inhaltlich nicht zu den stärksten Giuseppe Verdis zählt, aber doch einige Sprengkraft besitzt.

Eine klare politische Botschaft

Das auf ein Drama des deutschen Dichters Zacharias Werner zurückgehende Libretto von Temistocle Solera und Francesco Maria Piave sowie die Musik Verdis wurden in der Zeit des Risorgimento von Verdis Zeitgenossen als klare politische Botschaft verstanden. Wenn der römische Feldherr Ezio dem eroberungswütigen Hunnenkönig auf seinem Marsch auf Rom trotzig entgegenschleuderte: „Du magst das Universum haben, doch überlass' Italien mir“, dann kochte die patriotische Stimmung der Verdi-Fans des Uraufführungsjahres 1846 hoch.

Auch Hilsdorfs Inszenierung wirkt politisch, wenn er sie in eine Neuzeit überträgt, die allerdings weder räumlich noch zeitlich sehr konkret zu verorten ist. Gleichwohl sind Parallelen zu aktuellen Kriegsschauplätzen nicht zu übersehen. Die Szene ist bevölkert von einer blutrünstigen, marodierenden Soldateska in abgewetzten Uniformen (Kostüme: Renate Schmitzer), auf einer kleinen, fahrbaren Bühne werden gefolterte und getötete Menschen zur Schau gestellt, die von Dieter Richter aufwendig gebaute Häuserfront ist schwarz von Ruß und voller Einschusslöcher.

Es gibt einen ziemlich heruntergekommenen Imbisswagen und ein bisschen Truppenbetreuungsrevue. Und wenn die Flüchtlinge aus der von Attila überrannten Adriastadt Aquileia übers Meer kommen, wird eine Brecht-Gardine mit Meer-Panorama quer über den Platz gezogen. In solchen Szenen konnten sich Chor und Extrachor der Oper (Einstudierung: Marco Medved) bestens in Szene setzen, mit genau dem kraftstrotzenden Klang, den Verdi in dieser Oper verlangt.

Kurios und grotesk

Ein bisschen ironische Distanz zum Drama gönnt sich Hilsdorf auch. Wenn der alte römische Bischof Leo I. auf einem kleinen Elektromobil um die Ecke flitzt, wirkt das ziemlich grotesk. Dass er es ist, der Attila nachts als drohendes Traumbild in Angstzustände versetzt, wirkt in diesem Moment schon kurios – zumindest bis Leonard Bernad als Leo seinen machtvollen Bass dröhnen lässt.

Der Bassbariton Franz Hawlata spielt den Attila als ketterauchenden Heerführer wie eine Naturgewalt, wobei die szenische Präsenz stärker ist als die gesangliche in dieser ungemein schweren Partie. Höchst anspruchsvoll ist auch der Part Odabellas, den die Sopranistin Yannick-Muriel Noah bravourös meistert. Ebenso George Oniani, der als ihr Verlobter Foresto die Höhen kraftvoll und sicher leuchten lässt. Dass auch die kleineren Rollen erstklassig besetzt sind, spricht für die Bonner Oper. Der Bariton Ivan Krutikov brilliert als Ezio, den Sklaven Attilas Uldino singt Jonghoon You mit angenehmer und runder Tenorstimme.

Als Initiator der Bonner Serie mit frühen, selten gespielten Verdi-Opern, deren dritte nach „Giovanna d'Arco“ und „Jérusalem“ der „Attila“ ist, leistet der Dirigent Will Humburg im Orchestergraben Großartiges. Die Musik klingt unter seiner Leitung kraftvoll, aber nie grob, weil er nichts zur Nebensache degradiert. Jede Note hat Gewicht, jede Temposchwankung Bedeutung. Und das Beethoven Orchester macht hier wie Chor und Solisten willig mit und beeindruckt mit sauberem, kraft- und temperamentvollem Spiel. Dafür gab es nach der Premiere begeisterten Beifall. Das Regieteam um Hilsdorf musste sich neben lautstarker Zustimmung auch ein paar Buhs gefallen lassen.

Die nächsten Termine: 5., 11., 19. Februar, 19., 30. März, 12. Mai, 3., 17. und 28. Juni. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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