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Bühne und Konzert „Lulu“ in Hamburg

Wie man eine unvollendete Oper vollenden kann

Lulu (Barbara Hannigan) balanciert vor der Nase von Dr. Schön (Jochen Schmeckenbecher) Lulu (Barbara Hannigan) balanciert vor der Nase von Dr. Schön (Jochen Schmeckenbecher)
Verliert auch beim Turnen nie die Kontrolle über ihre Stimme: Die Sängerin Barbara Hannigan als Lulu an der Hamburger Staatsoper
Quelle: dpa
Alban Berg unterbrach seine Oper „Lulu“, um ein Violinkonzert zu schreiben – und starb, bevor er seine Oper abschloss. Nun hat Hamburgs Staatsoper das Werk einfach vollendet: mit dem Violinkonzert.

Das Beste kam zum Schluss. Da hatten bereits etliche Zuschauer die Staatsoper verlassen. Veronika Eberle, ein leuchtender Stern am Himmel international gefeierter, junger Geigensolistinnen, spielte als Epilog zu Alban Bergs Oper „Lulu“ dessen Violinkonzert.

Es war gewissermaßen die bewegende, inhaltlich und musikalisch auf den Punkt bringende Konklusion einer doch sehr langen, vierstündigen Inszenierung von Christoph Marthaler, die sich in turnerischer Spielastik und marthalscher Langsamkeit von der Stelle bewegte. Am Ende jedoch gab es begeisterten Beifall für Eberle, Dirigent Kent Nagano und die insgesamt überragenden Philharmoniker, den Regisseur Christoph Marthaler und seine Bühnen- und Kostümbildnerin Anna Viebrock, sowie das auf sehr hohem Niveau angesiedelte Sängerensemble.

Schon lange vor der Premiere wurde gerätselt, was eine Solistin wie Eberle in dem Operntorso „Lulu“ zu suchen hat. Selbst im Programmheft noch wurde recht kryptisch vermerkt, der Dirigent und der Regisseur hätten sich für einen Epilog entschieden „der die Erzählung von Lulus Wirken und Verschwinden in einen vollkommen sprachlosen Raum hineinführt.“

Dem Andenken eines Engels

Dieser musikalische Epilog ist die direkte Anknüpfung an den von Berg unvollendeten dritten Akt seiner Oper. In diesem spricht die Lulu anbetende Gräfin Geschwitz, bevor auch sie stirbt, die Worte: „Lulu, mein Engel, lass dich noch einmal sehn!“ Dem „Andenken eines Engels“ heißt das Violinkonzert, das Berg in Erinnerung an die mit 18 Jahren gestorbene Tochter Alma Mahlers, Manon Gropius, komponierte, wofür er seine Arbeit an der „Lulu“ unterbrach.

Berg starb vor Fertigstellung der Oper und hinterließ ein Particell, Skizzen also für die endgültig orchestrierte Partitur, in dem lediglich eine Geigen- und eine Klavierstimme verzeichnet sind. Diese Aufzeichnungen dienten Nagano und dem Komponisten Jochen Neurath für eine kammermusikalische Übersetzung, die in ihrer kargen, skelettartigen Einfachheit zunächst wie ein Schock wirkte, dann aber überzeugte, weil sie das Unvollständige, Unvollendete nicht nur der Partitur, sondern auch der Charaktere trifft. Hier bereits spielt Veronika Eberle den Violinpart, gewissermaßen als Alter Ego von Lulu. Der werden im übrigen noch vier weitere andere Ichs zugesellt.

Mit dem Violinkonzert, dem Charakterbild Manons, wird Lulu nun ganz ausdrücklich gleichgesetzt. Musikalisch ist das schlüssig, doch geschieht hier eine Überhöhung, die die Lulu in der Lesart von Marthaler kaum verdient hat. Die ist in der Person der phänomenalen Gesangsdarstellerin Barbara Hannigan eine unaufhörlich tanzende, hüpfende, kunstturnende Gymnastin mit Höchstnoten, die selbst beim Geschlechtsakt die Beine exakt in die Luft grätscht, und bei wiederholten Rollen rückwärts von einem katafalkähnlichen Podest nie die Kontrolle über ihre Stimme verliert.

Eine Figur, die nicht fassbar ist

Ihre Körpersprache ist perfekt beherrschte Künstlichkeit, deren Zeichensetzung allerdings vollkommen der Musik entspricht. Lulu ist sozusagen das personifizierte Notenmaterial, sie dirigiert ihren Körper nach dem Rhythmus der Musik, nicht nach dem Begehren der Männer. Das ist faszinierend anzusehen, ermüdet aber auch bis zur Langeweile.

Warum Lulu so ist, wie sie ist, erklärt Dramaturg Malte Ubenauf mit einer Anmerkung Frank Wedekinds zu seiner Tragödie „Lulu - Erdgeist“, die ja dem Musikwerk zugrunde liegt: „Es kam mir bei der Darstellung um Ausschaltung all der Begriffe an, die logisch unhaltbar sind wie: Liebe, Treue, Dankbarkeit.“

So betrachtet ist Lulu tatsächlich eine Figur, die nach menschlichem Ermessen nicht fassbar ist. Sie ist eine Phantasmagorie, ein Traumbild in Männer- und Frauenhirnen. Hier allerdings verkleinert zu einem emotionsfreien Kunstobjekt, das mitunter neben seinen Partnern sitzt und singspricht, als ginge es das alles nichts an. Mathias Klink als Alwa und Liebhaber von Lulu zeigt allerdings Leben und viel schöne, ausdrucksstarke Stimme.

Elfjähriges musikalisches Wunderkind komponiert eigene Oper

Alma Deutscher ist elf Jahre alt und ein musikalisches Wunderkind. Manche nennen sie "Little Miss Mozart". Denn sie spielt nicht nur hervorragend Klavier, sondern hat jetzt ihre erste eigene Oper komponiert.

Quelle: Die Welt

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Alle anderen, unter ihnen die großartige Anne Sofie von Otter als Gräfin Geschwitz, Jochen Schmeckenbecher in der Rolle des Lulu verfallenen Dr. Schön, Sergei Leiferkus (Schigolch) und Ivan Ludlov als Tierbändiger und Athlet, um nur sie zu nennen, haben die Anmutung wie aus Kinderbüchern entstiegene Figuren.

Von einer Tragödie, von echten Emotionen, ist nichts zu spüren. Diese wie auf Knopfdruck reagierenden Personen sind sogar lustig in ihrer expressiven, stummfilmhaften Bündigkeit. Für sie hat Anna Viebrock Räume geschaffen, die etwas Unfertiges, Unbehaustes haben, eine Mischung aus Probenraum, Studio, Atelier, Varietébühne, Salon und Absteige. Aufstieg und Fall der Lulu – inszenatorisch gewagt, musikalisch überzeugend.

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