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Bühne und Konzert Schwulen-Oper

„Mama, was heißt eigentlich geil?“

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„EDWARD II. - Unterwegs zu einer neuen Oper“

Andrea Lorenzo Scartazzini schreibt eine neue Oper über die schillernde Gestalt von Edward II. Die Biographie des mittelalterlichen englischen Königs ist geprägt von Affären, Intrigen und Morden.

Quelle: Deutsche Oper Berlin, Foto: Monika Rittershaus/Deutsche Oper/dpa

Autoplay
Über Andrea Lorenzo Scartazzinis ausgerechnet in Berlin seltsam konsensmilde Uraufführung der Schwulen-Oper „Edward II.“ Samt einer kleinen Kulturgeschichte der Homosexuellen auf dem Musiktheater.

Eine Bemerkung vorneweg: Ein zwar mit viel Gemeinde bis hin zum amtierenden Kultursenator durchsetztes Mainstreampublikum bejubelt in der bestens gefüllten Deutschen Oper Berlin nach pausenlosen 90 Minuten eine Opernuraufführung minutenlang und sehr begeistert. Obwohl es da sehr konkret und drastisch um eine schwule Beziehung und ihr äußerst brutales tödliches Ende geht.

Eben kein großes Ding mehr, könnte man meinen, schon gar nicht in Berlin, wo bereits der seinen Pagen hinterhersteigende Friedrich II. jeden „nach seiner Façon glücklich werden“ ließ und so manche kettenumrasselte „Parsifal“-Premiere aussah wie das Vorglühen zum Ledertreffen. Aber trotzdem erstaunlich in dieser Einmütigkeit.

„Edward II.“, eine zeitgenössische schwule Konsensoper, produziert von einem schwulen Leading Team, immerhin. Und sicher gleichzeitig wieder Wasser auf den Mühlen derer, die sowieso dauermisstrauisch und ziemlich hetzerisch die Oper an sich als Privatparty einer weltumspannend rosaroten Schwulenmafia sehen wollen.

Brittens „Tod in Venedig“ war die erste Schwulen-Oper

Aber auch nicht wirklich neu: Die erste dezidierte Oper dieser Art, wenngleich damals auch noch alle brav die Köpfe in den Sand des britischen Establishments steckten, schenkte der schon schwerkranke Benjamin Britten 1973 seinem Lebensgefährten Peter Pears: die Thomas-Mann-Adaption „Tod in Venedig“ – die Deutsche Oper bringt sie noch diese Spielzeit heraus, nachdem man hier schon als Zyklus auch die beiden mit ähnlichen Themen spielenden Britten-Werke „Peter Grimes“ und „Billy Budd“ inszeniert hat.

1995 hatte in Houston Steward Wallaces „Harvey Milk“ über den gleichnamigen Schwulenaktivisten Premiere. Ja, auch da gab es Männerküsse, gar schwulen Sex auf offener Bühne.

2013 zeigte man in Santa Fe erstmals Theodore Morrisons „Oscar“ für den (schwulen) Countertenor David Daniels als Oscar Wilde, dessen Beziehung zum geliebten Bosie hier vor allem thematisiert wurde. 2014 kam in Madrid Charles Wuorinens „Brokeback Mountain“ heraus.

Edward II. von Andrea Lorenzo Scartazzini Regie: Christof LoyAffären, Machtspiele, Intrigen – die Biografie des englischen Königs Edwards II. inspirierte seit Jahrhunderten die Künstler in Theater und Film. Nun hat der Schweizer Andrea L. Scartazzini eine neue Oper über den mittelalterlichen König komponiert, nach einem Libretto von Thomas Jonigk. Die archaische Wucht des Stoffes scheint wie geschaffen für das Musiktheater: Die Dreiecksbeziehung zwischen König Edward (Michael Nagy), seiner Frau Isabella (Agneta Eichenholz) und Piers de Gaveston (Ladislav Elgr), dem Liebhaber des Königs, wird zum spannungsgeladenen Drama im Politischen wie im Privaten.
Der böse Mob und der Bischof als Barocktunte: Burkhard Ulrich in Andrea Lorenzo Scartazzinis „Edward II.“ an der Deutschen Oper in Berlin

Und nun als „Edward II.“. Eine schwule Oper über eine Schwulenikone auf dem englischen Königsthron oder das, was sich die Bewegung aus den widersprüchlichen Wissen über finsteres britisches Mittelalter zusammengereimt hat: Der umstrittene Herrscher lebte von 1284 bis 1327, er war verheiratet mit einer französischen Prinzessin, hatte mindestens fünf Kinder und war einem ebenfalls französischen Favoriten (was damals alles und gar nichts bedeuten konnte) namens Gaveston eng verbunden, der ebenfalls eine Gattin hatte und Vater zweier unehelicher Töchter war.

Gaveston wurde bereits 1312 von rebellischen Adeligen geköpft, Edward wurde 14 Jahre – und einige anderen Günstlinge später – im Zuge höchst komplexer kriegerischer Wirren abgesetzt und starb in Gefangenschaft. Ob er umgebracht wurde, gar mit eine glühende Eisenstange, die ihm durch ein abgesägtes Kuhhorn in den After getrieben worden sein soll, ist genauso ungeklärt wie seine Homosexualität, die man damals natürlich nicht so nannte.

Christopher Marlowe und Bert Brecht haben sich an dem Stoff dramatisch abgearbeitet, Derek Jerman hat ihn 1990 in einen blaustichig sentimentalen, extrem stilisierten Film mit Edward als stiller Leidensprimadonna verwandelt. Zeit also, das Thema mal neu, anders, vielschichtiger zu beleuchten. Ein wenig in den politischen Umständen zu stochern, Märchen und Mythos als Projektion der Moderne zu hinterfragen, es wäre alles möglich gewesen, gerade mit den vielfältigen dramaturgischen Ansätzen zeitgenössischen Musiktheaters.

Eine ziemlich kleine Grand Opera

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Aber alles das ist es dann an der Deutschen Oper doch nicht geworden, schade: Von „einer Grand Opera des 21. Jahrhunderts“ träumte der Regisseur Christof Loy, der hier gemeinsam mit seinem Mann, dem Schriftseller und Dramaturgen Thomas Jonik, zum zweiten Mal mit dem Schweizer Komponisten Andrea Lorenzo Scartazzini zusammenarbeitete. Und es wurde doch nur eine mäßig collagierte, ziemlich einfältige Ballade von der sexuellen Hörigkeit und ihrer stereotypen Anfeindung durch die sogenannte normale Gesellschaft.

Jonik beginnt stark mit einem Albtraum Edwards von beider Ermordung als pervertierter Hochzeit, doch dann begibt er sich schnell auf eine bräsige Schulfunkebene. Keiner der Protagonisten erscheint hier wirklich sympathisch: weder der wenig Kontur gewinnende wertneutral singende Michael Nagy als Edward noch der zumindest seine echte Leidenschaft in sehrendem Tonfall glaubhaft machende Ladislav Elgr (Gaveston); auch nicht die frustriert irre Koloraturen girrende Königin Isabella der fabelhaften Agneta Eichenholz und ihr altkluger Thronerbe („Mama, was heißt geil?“), noch Andrew Harris als politischer und der geifernde Burkhard Ulrich als klerikaler Intrigant.

Mit dem Federpuschel polierte Klischees

Auf Annette Kurz’ schwarzer, mit ein paar sakralen Versatzstücken spielender Bühne inszeniert Christof Loy unbeirrt sein gewohnt makelloses Personenhandwerk. Doch sind ihm sonst nur schwule Klischees eingefallen: Jeder macht sich hier, kaum geoutet, gleich nackig. Es gibt die Ledertrine und das grunzende Bärchen (Sonderlob für Markus Brück, der mit Gideon Poppe in wechselnder Verkleidung für die Lacher sorgt) und den tuntigen „Engel“ (Jarett Ott) als jenseitige Verheißung im Pailettenfummel mit Federpuschel; zudem noch einen weiteren, stummen Lustknaben als Symbol für irgendwas. Anders als die andern, das heißt hier vor allem: dauergeil.

Der Chor (fein einstudiert von Raymund Hughes) ist mal Anti-Schwulen-Plakate tragender Mob, mal mitfühlende Masse; am Ende, da hebt sich der didaktische Zeigefinger, Reisegruppe, die an der dekorativ erstarrten Pfählungsgruppe vorbeiflaniert. So werden Menschen, Schicksale, Randgruppen konsumentenfreundlich als Diskursbeilage serviert.

Edward II. von Andrea Lorenzo Scartazzini Regie: Christof Loy Affären, Machtspiele, Intrigen – die Biografie des englischen Königs Edwards II. inspirierte seit Jahrhunderten die Künstler in Theater und Film. Nun hat der Schweizer Andrea L. Scartazzini eine neue Oper über den mittelalterlichen König komponiert, nach einem Libretto von Thomas Jonigk. Die archaische Wucht des Stoffes scheint wie geschaffen für das Musiktheater: Die Dreiecksbeziehung zwischen König Edward (Michael Nagy), seiner Frau Isabella (Agneta Eichenholz) und Piers de Gaveston (Ladislav Elgr), dem Liebhaber des Königs, wird zum spannungsgeladenen Drama im Politischen wie im Privaten. Fotos: Monika Rittershaus Für alle Bilder, die mit dem Vermerk „honorarpflichtig / Protected by copyright“ gekennzeichnet sind, gelten folgende Bestimmungen: Photographs are protected by copyright. // La reproduction de ces photos est soumise au droit d'auteur. // Abdruck der Fotos honorarpflichtig. Honorarfrei dürfen diese Bilder ausschließlich genutzt werden bei der Ankündigung der Uraufführung am 19. Februar 2017 in der Deutschen Oper Berlin und mit dem Copyright: Monika Rittershaus / Edward II., Deutsche Oper Berlin
Wer greift hier eigentlich wem wohin und vor allem warum: Szene aus Christof Loys Inszenierung von Andrea Lorenzo Scartazzinis "Edward II."
Quelle: Monika Rittershaus / Edward II., Deutsche Oper Berlin

Woran die Musik die Hauptschuld trägt. Thomas Søndergård und das Orchester der Deutschen Oper mühen sich nach Kräften, aber Scartazzinis uneigentliche Partitur liebt vor allem immer neue Schlagzeugwellen und erreicht doch nur die Begleitung zu einer Lichtspielszene. Das mäandert beflissen kleinteilig dahin, ermüdet schnell, bemüht diverse elektronische Raffinessen, gewinnt aber nie einen eigenen Stil. Darüber und darunter liegen die Texte als routiniert halb gesprochenes Endlosparlando mit fast exakt hervorsagbaren sängerischen Exaltationsausschlägen.

So ist man als Rezipient im Dauerbeipflichtmodus, stumpft aber durch das brav Erwartbare zusehends wie -hörends immer mehr ab. Herausforderung durch Schwulitäten ging früher anders – irgendwie.

Elfjähriges musikalisches Wunderkind komponiert eigene Oper

Alma Deutscher ist elf Jahre alt und ein musikalisches Wunderkind. Manche nennen sie "Little Miss Mozart". Denn sie spielt nicht nur hervorragend Klavier, sondern hat jetzt ihre erste eigene Oper komponiert.

Quelle: Die Welt

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