Direkt zum Inhalt wechseln
LIVE Neue Nachricht im Liveticker
Uraufführung von "Edward II."

So schwul war die Deutsche Oper noch nie!

Walter Langton, der Bischof von Coventry (Burkhard Ulrich), prangert den homosexuellen König öffentlich an
Walter Langton, der Bischof von Coventry (Burkhard Ulrich), prangert den homosexuellen König öffentlich an Foto: cek pzi .

In der Premiere von „Edward II.“ an der Deutschen Oper gab es so viele Männerküsse wie in noch keinem Stück in dem Haus.

Schwule Opernstoffe sind eine Seltenheit. Die Deutsche Oper wagt jetzt nicht nur die Uraufführung einer neuen Komposition.

Das Thema der Oper ist die Liebe unter Männern.

„Edward II.“ erzählt die Geschichte eines schwulen englischen Königs aus dem 14. Jahrhundert. Verheiratet mit Isabella von Frankreich, liebte er seinen Jugendfreund Piers Gaveston. Die Ehe zerbricht, der Hof rebelliert. Der selbst äußerst brutale Monarch wird als „Sodomist“ mit einem glühenden Eisen zu Tode gepfählt. Regie führt Christof Loy (54). Sein Ehemann, Thomas Jonigk (50), hat das Libretto geschrieben.

Ausgerechnet die schwule Hauptfigur Edward II. wird von einem heterosexuellen Mann gespielt. Der Bariton Michael Nagy (41) singt seine Partie. „Ich hoffe, das spielt keine Rolle“, lacht er beim Gespräch mit der B.Z. „Sicher nicht. Denn es geht ja grundsätzlich um die Liebe, egal ob hetero- oder homosexuell“, bekräftigt sein Bühnenpartner Ladislav Elgr (36), der selbst in einer „schwulen Dreiecksbeziehung“ lebt. Auch sieht er trotz der relativen sexuellen Freiheiten in unserer Gesellschaft immer noch Aufklärungsbedarf: „Solange im Publikum gelacht wird, wenn sich zwei Männer küssen, denke ich: Wir müssen es so oft machen, bis es zur Normalität wird.“

Haben sich bei den Proben angefreundet: Ladislav Elgr (l.) und Michael Nagy
Haben sich bei den Proben angefreundet: Ladislav Elgr (l.) und Michael Nagy (Foto: David Heerde) Foto: David Heerde

Zerklüftete Seelenlandschaften

Komponiert wurde der 90-minütige Stoff von Andrea Lorenzo Scartazzini (46). Es ist seine dritte Oper. Der italienische Komponist ist bereits seit den 90er-Jahren von dem Stoff fasziniert. Damals hatte Regisseur Derek Jarman die Geschichte in die Kinos gebracht. „Ich war selbst mit meinem eigenen Coming-out beschäftigt, und habe ihn seither nie vergessen“, verrät Scartazzini im Magazin der Deutschen Oper.

Seine Musik: dichte, hochdramatische und stark strukturierte Klänge, die der aufwühlenden Emotionalität immer wieder leise Töne entgegensetzt. Scartazzini komponiert zerklüftete Seelenlandschaften. „Wir haben es hier nicht mit Verdi oder Mozart zu tun. Diese Musik muss man sich erarbeiten“, warnt Nagy. Ihn berühren die vielen Farben, die das Stück musikalisch hat. Trotzdem weiß er um die Anstrengung, Zugang zu so einer Komposition zu finden: „Es ist wie ein gutes expressionistisches Bild – exzellent in der Farbauswahl, aber man will es trotzdem nicht unbedingt im Wohnzimmer hängen haben.“

Gemeinsam mit dem Librettisten Thomas Jonigk schrieb Scartazzini ein Musiktheater über die schillernde und polarisierende Figur des mittelalterlichen englischen Königs Edwards II
Gemeinsam mit dem Librettisten Thomas Jonigk schrieb Scartazzini ein Musiktheater über die schillernde und polarisierende Figur des mittelalterlichen englischen Königs Edwards II (Foto: picture alliance / Claudia Esch-) Foto: cek pzi

Ungewohnte Klänge wie Synthesizer, Dolby-Sourround-Effekte und Gesang vom Tonband perfektionieren das moderne Musiktheater zum Mittelalter-Stoff. Auch dramaturgisch wird das Publikum einiges erleben. Die Palette reicht vom grotesken Spiel über brutale Szenen wie die Hinrichtung bis zum komischen Travestie-Theater à la „Käfig voller Narren“.


Noch mehr Nachrichten aus Berlin:

Themen: Deutsche Oper Kultur und Leute
Deine Datensicherheit bei der Nutzung der Teilen-Funktion
Um diesen Artikel oder andere Inhalte über Soziale-Netzwerke zu teilen, brauchen wir deine Zustimmung für
Sie haben erfolgreich Ihre Einwilligung in die Nutzung dieser Webseite mit Tracking und Cookies widerrufen. Sie können sich jetzt erneut zwischen dem Pur-Abo und der Nutzung mit personalisierter Werbung, Cookies und Tracking entscheiden.