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Soundtrack sucht Film

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Still mit Musikerin aus der "Stadt der Lügen".
Still mit Musikerin aus der "Stadt der Lügen". © Javier del Real

Elena Mendozas Musiktheater "Ciudad de las Mentiras" im Madrider Teatro Real.

Die 16. Szene steht nicht in der Partitur: die Reaktion des Publikums. Es hat soweit meistenteils stillgehalten, nur ein paar Ungeduldige haben sich schon während der Aufführung an den Sitznachbarn vorbei zu den Ausgängen gedrängelt und die Türen knallen lassen. Jetzt stehen alle auf und gehen. Ein paar klatschen auch, manche rufen Bravo gegen den Tumult der nach draußen strömenden Besucher.

Als aber die Schöpfer des Werkes an den Bühnenrand treten, erhebt sich aus dem verbliebenen Publikum ein neuer Ton, das Grummeln eines fernen Sturms, ein polyphoner Sphärenklang, mehr Klageruf als wütendes Gebuhe. Elena Mendoza und Matthias Rebstock verbeugen sich lächelnd zur Uraufführung ihrer „Ciudad de las Mentiras“ im Madrider Teatro Real.

Vier Geschichten des uruguayischen Schriftstellers Juan Carlos Onetti (1909–1994) haben sich in den knapp anderthalb Stunden, die das Werk dauert, auf der Opernbühne verschränkt. Eine der Geschichten erzählt von einer Frau, die ein Theaterstück ohne Publikum in Auftrag gibt, bei einem Regisseur, der sich im Namen der reinen Kunst schon mehrfach ruiniert hat. Als wollten Mendoza und Rebstock Ausrufezeichen setzen: Wir wissen, was wir tun! Werdet fertig damit!

Drei Jahre haben die spanische, in Berlin lebende Komponistin Mendoza und der deutsche Regisseur Rebstock gemeinsam an der „Ciudad de las Mentiras“, der „Stadt der Lügen“, gearbeitet. Während dieses Prozesses, in den sie früh auch Bühnen- und Kostümbildner, Sänger und Musiker einbezogen, haben sie ihre eigene Schöpfung von Schaffensschritt zu Schaffensschritt besser durchdrungen und das Publikum in gleichem Maße hinter sich gelassen. Das sitzt in der Premiere verlassen da, unfähig, die Handlungsfäden zu entwirren. Das Libretto von Mendoza und Rebstock aus Fragmenten der Onetti-Erzählungen ist ein raunender Dschungel. Rebstocks Inszenierung lichtet ihn nicht.

Der Text wird zum größten Teil gesprochen, ganz selten gesungen. Mendozas stark rhythmisierte Klangfarbenkomposition ist wie ein Soundtrack auf der Suche nach einem Film. Sie könnte wirken, und wie, wenn ihr eine Geschichte zur Seite stünde. So aber ist sie nur Töne zu Wörtern. Das Orchester unter Titus Engel, die Musiker auf der Bühne, die Sänger, die nicht singen dürfen, machen ihre Sache exzellent. Aber wozu?

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